Dante's Inferno
Inspiriert, kopiert und am Ende doch geläutert
""HEY! HINTER DIR! EIN DREIKÖPFIGER AFFE!" "
Dante´s Inferno ist ehrlich, vielleicht ehrlicher als fast jedes Spiel der letzten Zeit. Es schämt sich seiner Schwächen nicht, es stellt sie heraus und warnt euch ausgiebig davor. Nach der Demo kann man getrost sagen, dass es dabei sogar ein wenig zu viel Eifer an den Tag legt. Es lag natürlich nahe, einfach die erste halbe Stunde aufzugreifen, denn in dieser Zeit bringt euch Dante schließlich die Moves bei, erzählt ein wenig aus der Vergangenheit und näht sich ein Stoffkreuz auf die Brust. Ein symbolisch wichtiger Vorgang, aber in der Demo wird einem das in keinster Weise klar. Es scheint einfach nur ziemlich dämlich zu sein.
Es bleibt nach dieser Vorstellung der Eindruck eines Spiels, das zwar mit Kratos konkurrieren möchte, aber seine Bandbreite zu klein hält. Das Anfangsmassaker wirkt mickrig, der Bosskampf gegen den Tod selbst ziemlich lächerlich und der Ritt auf dem Dämon zum Abschluss hinterlässt einen netten Eindruck, aber es reicht nicht ganz, um die vor allem in der Stadt bodenlos mittelmäßige Optik vergessen zu machen.
Dieser Moment kommt nur leider erst, sobald das Spiel den Rahmen der Demo hinter sich lässt. Nach einem lahmen Start beginnt das Spiel, in jedem Abschnitt mehr Gas zu geben. Nur wenig später entert ihr Charons Schiff der Toten, mit Charon selbst als riesigem Gallionskopf, den ihr mit Hilfe eines monströsen Reitdämonen aus dem Rumpf reißt und in einen entfernten Turm schleudert. Das führerlose Schiff kracht in eine gewaltige Brücke, die ihr dann immer noch auf dem Rücken des Dämons überqueren müsst. Mit einer letzten Anstrengung rettet sich Dante hinüber, Dämon und Brücke verschwinden hinter euch in der Hölle. Sprichwörtlich, denn das Ganze ereignet sich über einem bodenlosen Abgrund.
DAS ist die Szene, die man als Demo hätte präsentieren sollen. Es passiert nur ein paar Minuten, nachdem die letzten Eindrücke, mit denen das Spiel sich anpreisen wollte, den Bildschirm verließen und es hätte so viel besser für das gestanden, was in den nächsten acht bis zehn Stunden folgt. Visceral Games - Godfather, Dead Space - schickt euch auf eine Reise durch ein paar wahrhaft höllische Impressionen, die nicht weniger gewaltig wirken, als es bei anderen Konkurrenten des Genres der Fall war. Die Erstürmung der Stadt Dis, die Kreise des Verrats, der Gier, der Wald der Selbstmörder und schließlich das Finale. Und was für ein Finale es wurde.
Wenig wird verraten, wenn man sagt, dass als letzter Boss in der Hölle natürlich nur der Teufel selbst herhalten kann. Das ist normalerweise trickreich. Wie stellt man den Fürsten der Finsternis selbst dar, ohne in zu billige Gandalf-vs-Balrog-Gefilde abzudriften. Bis zum Showdown wählte man die dezente Variante des vage menschlichen Verspotters aller Sünden des Helden, der euch mit aller Böswilligkeit bearbeitet und keine Sekunde Dante vergessen lässt, weswegen er sich auf seiner Reise befindet. Es ist eine erstaunlich subtile Darstellung, die sehr gut mit dem überdimensionierten Horror der Hölle um Dante herum korrespondiert. Aber wie sollte der finale Showdown ausgetragen werden?
Ich werde es euch nicht verraten, aber zurück bleibt man mit einigen Bildern, die absolut phänomenal wirken. Ich meine das nicht unbedingt in einem technischen Pixel-Polygon-Count-Sinne, auch wenn dieser Aspekt nach dem missratenen Start schnell anzieht, sondern einfach in der Inszenierung des Augenblicks. Man bleibt als Spieler mit einem Gefühl der Zufriedenheit zurück. Leider schaffen es nur wenige Spiele, so auf den Punkt auszuklingen. Manche schließen zu kurz, andere düdeln ein wenig zu lang vor sich hin und ruinieren den Moment. Dante trifft es genau.
Aber nicht nur das Finale befriedigt ungemein, es gibt immer wieder Passagen und Momente, die einen kurz innehalten lassen. Vor der korrumpierten Seele des von Dante verratenen Freundes zu stehen, im Hintergrund ein Wasserfall aus Blut, und bereit für den Kampf zu sein, sind schöne Eindrücke, die hier zelebriert werden. Ich hatte so meine Zweifel, was die Darstellung der Hölle angeht. Seit meiner Kindheit bin ich Fan der Bilder Boschs und Dorés und offenbar bin ich nicht allein. Vor allem letztere dürfte beim Entwickler für die eine oder andere Inspiration hergehalten haben und kaum einer der in Alighieris Gedicht genannten Orte wurde vergessen oder lieblos hingeworfen.
Ach ja, Alighieri, das Gedicht. Ich habe mich schon eine halbe Vorschau darüber lustig gemacht, wie dieses Spiel vermeintlich mit dem zugrundeliegenden Werk umgeht. Und ich lag ziemlich richtig. Die Göttliche Komödie dient als Inspiration für die Hölle, einige der Figuren tauchen auf, aber es bleibt bei einem "inspiriert von" und zwar im Sinne eines Films wie Troja. Ähnlichkeiten ja, Namen übernommen, aber die Handlung ist eine andere. In diesem Falle ist das letztlich auch völlig in Ordnung, da die Geschichte in Dante's Inferno gut durchdacht wurde, perfekt mit der Lokalität korrespondiert und bis zur Auflösung am Schluss reizvoll bleibt.