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Metroid Prime 3: Corruption

Klassenprimus

Feuchte Augen bekommt man als Spielefan mit über 20 Jahren „Erfahrung“ ziemlich selten. Das liegt zum einen zugegebenermaßen an den von übermäßiger TV-Strahlung eingetrockneten Tränendrüsen. Zum anderen aber vor allem auch daran, dass man wirklich schon alles gesehen hat – zumindest denkt man das. In gewissen Momenten braucht es wiederum lediglich einen Hauch von Nostalgie, um uns die Sicht ordentlich verwässern zu lassen. Meistens müssen dafür nur Namen wie „Zelda“ oder „Metroid“ fallen und wir sind wieder „dort“ – fühlen uns zurückversetzt zu unserem ersten Kontakt mit besagten Perlen. Schön, so schön war die Zeit…

Unter diesen Umständen kann ich es niemandem verdenken, wenn er sich die Frage stellt, ob ein verklärter Game-O-Saurier wie ich überhaupt in der Lage ist, „das neue Metroid“ einer objektiven Betrachtung zu unterziehen. Die Antwort lautet eindeutig und unmissverständlich… „Jein“. Was soviel heißen soll, wie „Ich könnte – aber ich werde nicht.“ Würde ich aber, lautete meine Kritik vermutlich irgendwie so: „Metroid und Zelda sind, abgesehen von Setting und Perspektive, seit 20 Jahren das gleiche Spiel, funktionieren jeweils immer nach demselben Schema und verwehren sich Hand in Hand seit einer Dekade störrisch einer ganzen Handvoll Gamedesignstandards, die mittlerweile einfach zum guten Ton gehören.“ Anschließend würde ich zweifelsfrei noch darüber meckern, dass Jingles und Midi-Sounds auch „irgendwie schrecklich altmodisch“ sind und darüber, dass echte Physik und KI „wenn man es genau nimmt, nicht vorhanden sind“. Dummerweise müsste ich am Ende trotzdem verdiente 9 von 10 Punkten geben und keiner würde verstehen warum.

Samus und Ihre Kopfjäger-Kollegen haben ein Problem.

Es ist einfach so: Metroid Prime 3: Corruption spielt nach seinen eigenen Regeln - und die haben sich nur wenig verändert. Das ist vielleicht nicht besonders fortschrittlich, in diesem Fall ist es aber trotzdem wirklich mal gut so. Hier wird keine noch so unwahrscheinliche Level-Idee einem übertriebenen Realismuswahn geopfert und kein Filmsequenzen-Bombardement kaschiert fehlende spielerische Substanz. Die Welt ist, wie sie ist, damit Ihr und Samus sie retten könnt. Wer das altmodisch findet, darf jetzt gerne wegklicken, verpasst aber das beste Stück Software, dass dem Wii seit dem Launch passiert ist. Corruption ist die endgültige Fassung einer seit zwanzig Jahren tadellos funktionierenden Designschule. Eine von vorne bis hinten herausfordernde und lückenlos unterhaltsame Space-Oper. „Old-School“ und doch taufrisch.

Handarbeit: Manche Schalter müssen durch Drehung zum Einrasten gebracht werden.

Sechs Monate nach den Ereignissen des letzten Teils – Echoes – steht die Galaktische Föderation vor einem Problem. Fast das gesamte Netzwerk der Aurora-Einheiten, die wohl das EDV-Rückgrat der Föderation bilden, wurde mit einem Virus infiziert. Parallel dazu stürzen auf diverse Planeten riesige Phazon-verseuchte Leviathan-Saaten herunter, die die Gestirne vollständig mit der hochenergetischen Substanz zu korrumpieren drohen und deshalb von Euch zerstört werden müssen. Hinter all dem steckt natürlich Metroid Prime’s galaxiseigene und sprichwörtlich „dunkle“ Bedrohung Dark Samus. Und während die Political Correctness-Fraktion noch überlegt, warum der Haupt-Antagonist nicht „Rosé“ oder „Terracotta Samus“ heißen kann: Die Story ist, wie bei den meisten Nintendo-Klassikern, geradezu schüchtern präsentiert und nicht viel mehr als ein Vorwand, Euch auf Reisen zu schicken. Das Spiel steht unmissverständlich im Mittelpunkt und diktiert den Puls des Spielers – nichts anderes.

Stattdessen erzählt dieses Universum nur soviel von sich, wie der Spieler hören will, glänzt auf Nachfrage aber mit seitenlangen biologischen Details über seine Kreaturen und den Entstehungsgeschichten seiner Zivilisationen. Unaufdringlich und doch alles andere als eindimensional wird auf diese Weise eine ziemlich dichte Atmosphäre erzeugt, eben weil auch vieles der Fantasie des Spielers überlassen wird. Vielleicht kann man deshalb nicht anders, als gut 25 Stunden lang und mit nur wenigen Unterbrechungen mit der Wii-Remote voran durch eine wunderschön gestaltete und schlüssige Sci-Fi Welt nach der anderen zu pirschen.