Dead Island
Wenn in der Hölle kein Platz mehr frei ist, fahren die Toten in den Badeurlaub
Hinweis: Habt ihr Probleme auf Banoi? Werft einen Blick in unsere Lösungshilfen und Tipps zu Dead Island.
In Dead Island dauert es ein bisschen, bis man sich an die Tatsache gewöhnt hat, dass die eigene Spielfigur selbst so etwas Simples wie einen Besenstiel erst schwingen kann, wenn sie den gleichen Level erreicht hat wie das Werkzeug. Es ist komisch, aber man nimmt es irgendwann schlicht als in die Jahre gekommene Rollenspiel-Regel hin, die es zu akzeptieren gilt, will man auf dieser Insel auch nur irgendwohin kommen.
Und selbst wenn sich einige ohne darüber nachzudenken damit arrangieren werden, so zeigt es doch, aus welchem Holz Dead Island trotz all der schönen Strandpanoramen und des offenen Spielablaufs geschnitzt ist: Es ist im Grunde arg von gestern.
Techland übernimmt in die Jahre gekommene Rollenspiel-Eigenarten, die in fantastischeren Szenarien als diesem besser funktionieren, packt Skilltrees und ein Quest-System dazu und hofft darauf, die Spieler werden es fingerzeigend als zur Adoption freigegebenes Seitensprung-Resultat von Fallout 3 und Left 4 Dead erkennen.
Und das ist Dead Island eigentlich auch. Nur fällt der Direktvergleich mit beiden Elternteilen für das Spiel der Polen gerade im Detail wenig schmeichelhaft aus. Das ist wirklich schade, weil einige ihrer Basics - allen voran die grundlegende Idee, deren Umsetzung doch lange überfällig war - tatsächlich gut gelungen sind.
Im Rahmen einer Zombie-Epidemie auf der neuseeländischen Insel Banoi schlachtet und lootet ihr euch zwei bis drei Dutzend Stunden durch Haupt- und Nebenquests für versprengte Überlebende. Als einer von vier Charakteren alleine oder im Koop-Quartett geht es dabei durch die hübscheste Apokalypse seit Enslaved: Odyssey to the West. Eure Wahl fällt entweder auf die Schusswaffen-Spezialistin Purna, Haudrauf-Rapper Sam B, Wurf-Genie Logan oder das Messermädchen Xian.
Die Unterschiede bei ihren Basiswerten sind minimal, allerdings hat jede Figur einen eigenen Skilltree für ihre bevorzugte Waffengattung. Pro Levelaufstieg gibt es einen Fähigkeitenpunkt, mit dem ihr etwa die Critical-Hit-Rate und die Schneid- oder Bruchwirkung boostet sowie den Ausdauer-Verlust mit der gewählten Waffe reduziert, der das Buttonmashing in den überwiegend aus nächster Nähe geführten Kämpfen gekonnt unterbindet.
Links davon findet sich ein weiterer Fähigkeitenbaum zum Erklimmen, der die Rage-Phase der Charaktere positiv beeinflusst. Hat ein Spieler nämlich genug geschlachtet, kann er einen kurzen Schub annähernder Unbesiegbarkeit aktivieren, bei dem buchstäblich die Fetzen fliegen. Der dritte Skilltree widmet sich Survival-Aspekten wie geringerem Geldverlust nach einem Bildschirmtod oder mehr Inventarslots.
Das System ist auf dem Papier recht attraktiv, in der Praxis stellt sich aber schnell heraus, dass Techland beim besten Willen kein Rollenspiel-Entwickler ist. Die Fähigkeitenbäume sind nämlich nicht verzweigt, sondern eigentlich strikt linear. Bis zu drei Skills breit, muss man stets alle drei Fähigkeiten einer Stufe erlernen, bevor es weitergehen kann. Ihr seht aber nicht ein, den sauer verdienten Fertigkeitenpunkt in längeren Giftschaden für eure Schnittwaffen zu investieren? Ihr habt vielleicht nicht einmal eine Gift-Waffe? Pech gehabt, dann steigt ihr in diesem Baum auch nicht weiter auf.
Auf den Skilltrees für Rage und Survival gibt es sogar noch mehr Fähigkeiten, die ich eigentlich gar nicht wollte. Rage ist eine Sache, die man verhältnismäßig selten einsetzt. Wenn man mich also fragt, ob ich die verbessern will oder lieber die Chance auf einen kritischen Treffer bei jedem meiner Schläge erhöhe, muss ich nicht lange nachdenken. Langfingern wie mir tut außerdem die geringe Geldstrafe beim Tod nicht allzu sehr weh, warum soll ich also Punkte in eine Abmilderung dieser Strafe auf dem Überlebens-Tree stecken? Letzten Endes fühlte ich mich bei der Entwicklung meines Charakters also ziemlich limitiert und die Chancen, dass euch das genauso geht, stehen gut.