Demonicon - Vorschau
Zurückgekehrt aus der Entwicklungshölle und in guten Händen gelandet. Fehlt eigentlich nur noch das Happy End
Was würdet ihr tun?
Die eine Wahl heißt, einen Kannibalen - kein Zweifel, ihr wart Augenzeuge wider Willen - laufen lassen und auf diese Weise garantiert sieben Unschuldigen das Leben retten. Nur wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit später wieder morden.
Die andere lautet, den Mörder hinzurichten, so aber die Sieben zu einem qualvollen Tod zu verdammen.
Was würdet ihr tun?
Nun, für den DSA-Rollenspieler ist das ganz einfach. Steigert "Überreden" um ein paar Talentpunkte und schon habt ihr die Möglichkeit, den Schurken zu überzeugen, dass er in Zukunft von seinen fiesen Machenschaften lässt. Er geht ins Kloster, bereut seine Sünden, versucht, was Gutes für die Welt zu tun und die armen Gefangenen kehren zu ihren überglücklichen Angehörigen zurück. Ok, die Stadtwache glaubt nicht gleich an die Läuterung des Menschenfressers und gibt euch keine Belohnung, aber irgendwas ist ja immer.
In dem Third-Person-Action-RPG Das Schwarze Auge: Demonicon - nein, es wird nicht wie Diablo - dreht sich fast alles um das beliebte Thema von Entscheidungen und Konsequenzen. Es folgt dabei dem Weg der Deus-Ex-Schule, in der es kein klares Gut oder Böse gibt. Jede Medaille hat zwei Seiten, alles Eindeutige zwei Geschichten. Und manchmal für Talentierte eben auch drei Lösungen. Das gilt hier im Kleinen wie im Großen. Ihr findet eine Besitzurkunde für ein Haus. Ihr könnt sie verkaufen und einen guten Schnitt machen, schließlich ihr seid zu diesem Zeitpunkt ebenso arme Flüchtlinge. Das lässt sich sicher moralisch irgendwie rechtfertigen. Oder ihr könnt sie ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgeben. So oder so, später seht ihr in der Stadt Warunk, dem zentralen Hub aller Ausflüge in Demonicon, die entsprechenden Änderungen. Ein klein wenig mehr Hoffnung ob so unerwarteter Ehrlichkeit oder aber ein klein wenig mehr Armut auf den Straßen, die euch dann jedoch nicht so direkt betrifft. Ihr habt ja das Gold in der Tasche.
Neben solchen Kleinigkeiten setzt euch die Geschichte immer wieder vor große Momente, in denen sich der Verlauf der Handlung hin zu einem von beiden Enden hin entscheidet. Welche das genau sein werden, wurde jetzt - in etwa ein Jahr vor der Veröffentlichung - natürlich noch nicht verraten. Der Kannibale fühlt sich jetzt noch nicht als so große Aufgabe an, aber wer weiß, wie weit sich die Wellen im See ausbreiten, wenn der Stein erst mal geworfen wurde.
Ein ständiges Spiegelbild eurer Taten wird die Stadt selbst sein. Je nachdem, wen ihr unterstützt, wessen Aufträge ihr annehmt und wie ihr sie löst, ist hier vom Helden des Volkes bis hin zu dem Typen, dem sie als Zeichen der Verachtung nachts eine tote Katze an die Tür nageln, alles drin. Gebt ihr ein paar lumpigen Gestalten etwas Brot, das ihr eigentlich zu einer überreichen Hochzeit bringen sollt und riskiert damit den Zorn des Auftraggebers? Verprügelt ihr sie? Oder gibt es einen dritten Weg für diese Lage? Innerhalb von nicht einmal einer Stunde Anspielzeit waren es bereits ein halbes Dutzend solcher kleiner Optionen, jede von ihnen stimmig in den stellenweise sogar überzeugend humorvollen Dialogen ausgearbeitet. Noch nicht optisch, da waren noch viele Platzhalter, aber wie gesagt, es ist noch sehr früh.
Was bisher von Warunk zu sehen war, scheint aber auch in diesem frühen Stadium eine gelungene Repräsentation der neuen Ausrichtung einiger Teile des Pen-&-Paper-Klassikers zu werden. Im Allgemeinen ist Das Schwarze Auge die konservative, irgendwie bunte und fröhliche Seite der Fantasy. Da das nicht ganz dem Zeitgeist entspricht, etabliert sich mit den Schattenlanden ein Bereich in der Welt von Aventurien, der mehr an Dragon Age erinnert: Düster, dreckig und nicht zu knapp mit dunklen Gestalten gefüllt.
Oder zumindest Zwielichtigen. Wie es sich für ein komplexes Stadtgefüge gehört, streiten mehrere Fraktionen um die Macht. Ihr habt die Kirchen der Rondrianer und Praiosgeweihten - manchmal auch liebevoll Licht-Faschisten genannt -, die eher neutrale Stadtwache und die etwas schattigen Kreuzerkartell-Schmuggler. Wer dem einen lieb Kind ist, ist meist Feind des anderen, aber es scheint so, als würde eine einzelne Entscheidung nicht gleich unrettbar die Freundschaft kündigen. Zumindest gab die Stadtwache mir noch eine zweite Chance, nachdem ich das örtliche Bordell gar nicht gesetzestreu an die Schmuggler verhökerte. Die Rondra-Leute hab ich lieber nicht zu dem Thema befragt. Die sind da immer so verspannt.
Die bisher gezeigten beiden Bereiche von Warunk unterschieden sich deutlich. Der Vorplatz ist eine organisch in kurzer Zeit gewachsene Flüchtlingssiedlung, der hintere Teil immer noch ein Zeuge der früher absoluten Ordnungs- und Sauberkeitsliebe der Warunker. Ein wenig mag man unter der Übernahme widernatürlicher Entitäten aus der siebten Hölle gelitten haben, aber das ist ja kein Grund, nicht den Marktplatz ordentlich zu fegen. Im Hintergrund zeichnet sich einer der späteren Quest-Orte in Form der Burg auf dem Molchenberg ab. Die Architektur erinnert an eine Mischung aus den ganz frühen DSA-Computer-Ausflügen und ein wenig Dragon Age. Stimmig. In keinster Weise fertig, aber schon durchaus stimmig. Und sehr weitläufig mit vielen Nischen. Es mag nur eine echte Stadt in Demonicon geben, aber die scheint es in sich zu haben.
Die Freiheit in der Stadt sollte man aber nicht auf das gesamte Spiel ummünzen. Das wird keine Open-World im Sinne von Skyrim. Die Dungeon- und Quest-Areale werden Verzweigungen und Raum für Erkundungen bieten, aber fließende Übergänge zwischen verbrannten Wäldern, Sümpfen oder Höhlen-Komplexen wird es wohl nicht geben. Zu sehen war davon sowieso noch nichts, warten wir es also ab. Auch fehlen wird - wahrscheinlich, die Aussagen waren ganz leicht widersprüchlich - ein fließender Tag-Nacht-Wechsel.