Der Herr der Ringe: Der Krieg im Norden
Einer muss es ja machen (Aber warum muss man es zeigen?)
Der Herr der Ringe ist eine von den Geschichten, von der sich die Spin-Offs einfach nicht absetzen können. So scheint es zumindest, wenn man sich anschaut, dass alles im Schatten der Gefährten und ihrer Aufgabe stattfindet. Die ursprünglichen Grundstrukturen und Figuren sind einfach zu dominant. Die Ringgefährten und die Widersacher aus der Buch-Trilogie selbst prägen – nicht zuletzt durch die Filme – dieses Universum mehr durch sich selbst, als es umgekehrt der Fall scheint. Man könnte leichter diese Helden und Schurken in eine andere Welt transportieren und ihre Wesenszüge würde man einfacher mit dem ursprünglichen Gedanken dieser anderen Schöpfung verbinden, als es bei einer neuen Truppe der Fall wäre, die man irgendwo zwischen den Grauen Anfurten und Mordor aussetzt.
Als Beispiel für diese Theorie lassen sich einige Pen&Paper-Runden zu dem Thema anführen, diverse Spin-Offs aller möglichen Serien aus allen möglichen Genres oder ganz konkret das 2004er Rollenspiel Der Herr der Ringe: Das Dritte Zeitalter. Ich bezeichnete die bis zu diesem Spiel völlig unbekannten Helden als Gandalfs geheimen Plan B zur Rettung Mittelerdes und dass man nach ihrem Support-Einsatz nie wieder etwas von ihnen hörte hat einen guten Grund: Sie rannten der Hauptgruppe um Frodo und Co. einfach nur hinterher.
Niemand will ständig irgendwo hinterherrennen, wohlwissend, dass man eigentlich lieber bei der anderen Gruppe unterwegs wäre. Jeder will Aragorn, Legolas oder Gandalf spielen. Wenn schon, denn schon. In einem MMORPG wie Der Herr der Ringe Online sieht das etwas anders aus, da hier eh ganz eigene Geschichten mit einem anderen Fokus entstehen, aber in einem von einer festen Story vorangetriebenen Einzel- oder auch Koop-Spiel wird man in Mittelerde nie das Gefühl loswerden, dass irgendwo etwas passiert, dass viel cooler und vor allem wichtiger ist als das, was man selbst gerade tut.
Der Krieg im Norden scheint in die gleiche Richtung zu starten. Sofern man das Ganze schon jetzt richtig einordnen kann, findet der nördliche Krieg parallel zum Ringkrieg statt, was im Rahmen der Story-Kontinuität der Saga völlig okay ist. Eine Menge Dinge passierten. Manche wurden ausführlich geschildert, manche angedeutet und wenn Farin der Zwerg, Eradin der Waldläufer und Andriel die Elfenmagierin nicht explizit erwähnt wurden, muss man sich nichts dabei denken. Ebenfalls nie zuvor erwähnt wurde Agandaur, der Bösewicht für diese Runde. Er gehört nach der Geschichte von Der Krieg im Norden zu den Top-Leuten Saurons. Als schwarzer Numenoreaner versteckte er sich seit dem Ende des zweiten Zeitalters, um jetzt so richtig loszulegen. Solche Ober-Henchmen wird Sauron wohl viele haben.
Ist ein Ansatz, aber immer ein problematischer, der in die genannte Thematik hineinspielt. Wir haben eine Truppe, von der man noch nie etwas hörte und sie besiegen einen Bösen, der noch nirgendwo auftauchte in einem Land, das weitestgehend frei jeder Erwähnung über drei Wörter hinaus in den Mainstream-Büchern der Saga bleibt. Als einfache Fantasy-Geschichte aus dem Nirgendwo in das sie dann wieder verschwindet, kann man das machen, aber sich in einem so etablierten Universum einfach die Dinge auszudenken, sorgt dafür, dass es am Ende keinen wirklich kümmert.
Das Universum von Mittelerde ist mehr als genug mit Bösewichten und Helden gefüllt, die man alle mit Leben in Schlachten füllen kann und die eine Bedeutung für diese Welt haben. Schlacht um Mittelerde 2: Der Aufstieg des Hexenkönigs ging in diese Richtung, als es die Ereignisse im Norden ein halbes Zeitalter vor dem Ringkrieg nachzeichnete. Der Krieg im Norden dagegen dürfte sich ziemlich schnell in der inhaltlichen Bedeutungslosigkeit verlaufen, weil am Ende schließlich der Status Quo gewahrt sein muss.
Das Gute wird gewinnen, weil wir, wenn es anders wäre, bestimmt in der Hauptsaga davon erfahren hätten. „Hey, Aragorn, wir haben gewonnen, aber aus dem Norden kommen zwei Millionen Orks unter Führung eines schwarzen Numenor herunter." Eine solche Wende wäre aufgefallen. War nicht der Fall, also kann das Kapitel im Norden nicht wichtig gewesen sein. Das Ende ist definiert, Überraschungen sind im großen Rahmen ausgeschlossen.