Der Patrizier IV
Handel für Nerds und Noobs
Bin ich der Richtige, um euch von Der Patrizier IV zu berichten? Kommt darauf an. Nicht, wenn ihr zu dem harten Kreis der Fans von Teil 2 gehört. Wenn ihr das mittlerweile fast zehn Jahre alte Game immer noch zockt und in akribischer Feinarbeit jedes Detail der mittelalterlichen Handelswelt auslotet. Dann wisst ihr eh schon Bescheid, hängt in den Entwicklerforen herum und verfolgt mit Argusaugen jedes Fitzelchen an Informationen, das da in die Zeilen fließt. Euch kann ich beim besten Willen nichts erzählen, was ihr nicht längst schon wisst.
Was ich jedoch kann, ist der schweigenden und zumeist eher vage interessierten Mehrheit zu erzählen, ob es sich für einen Nicht-Eingeweihten lohnt, jetzt bei Teil IV einen Blick auf die Welt der Hanse zu wagen und diese nicht nur als Händler, sondern als echter Handelsherrscher, dessen Wort in der Stadt Gesetz ist, zu erkunden. Nach ein paar Stunden mit einer alles andere als fertiggestellten Version würde ich in Richtung eines „Ja" tendieren.
Das ist noch ein klein wenig unsicher, da die Begleit-Mail zu der Preview-Ausgabe darauf hinwies, dass weder die Kampagne, noch das Tutorial, noch die Grafik, schon gar nicht der Sound, überhaupt nicht das Balancing und niemals das Timing und einige andere Faktoren als abschließend fertiggestellt betrachtet werden dürfen. Mit anderen Worten: „So ungefähr wird das mal aussehen, aber nehmt es noch nicht alles zu ernst."
Angefangen bei der Grafik ist das sicher noch so. Oder zumindest sollte hier noch einiges passieren, denn dass ich mir die Stadt von unten angucken kann, ist sicher nicht so gedacht, aber irgendwie auch ganz witzig. Schaut man aus der richtigen Perspektive darauf, sieht man, dass hier sicher der größte Sprung von Teil zwei zu vier passiert. Nicht, dass zwei hässlich war, aber das hier wuselt so richtig nett vor sich hin. Der Rechner selbst zieht die Straßen der historischen Altstadt und erzielt dabei einen schön verwinkelten und natürlichen Gassenlook, ganz gemäß der Epoche.
Auf diesen Sträßchen tobt das rege Leben in Form von mehreren Hundert wuselnden Patris – meine Bezeichnung für das dieses Sims-Äquivalent –, so richtig natürlich erscheint einem das Gewimmel aber nicht. Hübsche Deko und mit Sicherheit auch eine Art optisches Feedback über den Allgemeinzustand der Stadt, nur der letzte Schliff fehlt da noch, wenn es in Richtung kompletter Glaubwürdigkeit gehen soll. Letztlich ist das aber alles nur Zierde und diese wirkt jetzt schon ansehnlich, zumal da sicher noch was passieren wird.
Der Unterbau dahinter ist nach wie vor so komplex, wie es im Genre wird und jedes Detail vielschichtiger Handelskreisläufe unter Einfluss möglichst vieler Faktoren, angefangen von Ernte- und Jahreszeiten bis hin zu Piratenüberfällen und Stadtbelagerungen, soll simuliert werden. Realismus ist das Zauberwort und der Vorwurf, dass deutsche Wirtschaftssimulationen ja eigentlich nur eine Excel-Tabelle sind, die es zu verstehen gilt, funktioniert hier nicht mehr ganz.
Angesichts der Masse an Faktoren, die das Preisgefüge der Waren zwischen den Städten und im Zeitverlauf beeinflussen, kann man Patrizier IV genau wie seinen Vorgänger eher als eine Studie in Chaos-Theorie betrachten. Der Spieler soll immer auf der Hut sein, es verändert sich stetig etwas, immer in Echtzeit und wer glaubt, dass die Geschäfte schon von selbst laufen werden, dessen Dynastie endet bald wie die der Bewohner der Mengstraße in Lübeck.
Die Frage ist, ob sich dieses Maß an Detailverliebtheit, komplexen Geflechten und halb-wilden Faktoren in den Griff kriegen lässt, ohne Monate zu investieren. Es ist schade, dass das Tutorial noch nicht fertig ist, denn hier liegt sicher der Schlüssel für Neueinsteiger. Auch ein Blick in das zukünftige Handbuch wäre hilfreich, um das wirklich einschätzen zu können. So blieb ich ein wenig mir selbst und ein paar nicht vertonten Videos überlassen. Wer das Interface aus dem Vorgänger kennt, wird sich schneller einfinden, ein paar Optionen aber auch vergeblich suchen. An vielen Stellen schien man auf Erleichterungen zu setzen, so konnte ich einfach ein Schiff kaufen und wunderte mich für fünf Minuten, wo ich denn jetzt eine Besatzung herbekomme. Wäre das die Realität, hätte ein Blick auf den Kahn gereicht, um zu sehen, dass die diesmal gleich mitgeliefert wird.