Der Spiele-Pfarrer
„Kinder müssen ballern und sich prügeln!“
Er hat in seiner Jugend Alice Cooper gehört, sich schon an „Killerspielen“ versucht und schreibt oder schrieb für Computermagazine wie Macwelt und c't: Thomas Hartmann ist vielleicht nicht so, wie man sich einen Pfarrer gemeinhin vorstellt. Hin und wieder verfasst der Wiesbadener im Rahmen seiner gelegentlichen journalistischen Tätigkeit sogar Tests zu Spielen. Über LEGO Batman etwa.
Und: Der 49-Jährige provoziert. Mit der These zum Beispiel, dass Kinder „ballern und sich prügeln müssen.“ Neben einer guten Erziehung sei für ihre Entwicklung spielerische Gewalt und das Ausleben ihrer Aggressionen wichtig, ist er überzeugt.
Warum „Killerspiele“ keine Amokläufer machen, erläutert der Pfarrer auch in seinem Buch Schluss mit dem Gewalt-Tabu!. Der 272 Seiten starke Ratgeber beleuchtet unter anderem das Jugendschutzgesetz so fachgerecht, dass er nicht nur für Eltern, sondern selbst für erfahrene Spieler interessant ist. Das war Grund genug, den vierfachen Familienvater um ein Interview zu bitten.
Natürlich klingt das etwas provokativ, um in die Diskussion einzugreifen. Wie im Buch sehr schnell deutlich wird, unterscheide ich so klar wie möglich zwischen „spielerischer“ und „zerstörerischer“ Gewalt. Nur um die Erstere geht es auch bei dem Untertitel.
Früher war es das Adventure Secrets of the Luxor, das eine Mischung aus Geheimnissen ums Alte Ägypten und Science-Fiction-Thematik bietet. Heute ist es sehr gemischt – ich kenne jedenfalls viele Spiele unterschiedlichster Genres aus eigener Anschauung.
Wäre es so, müsste die Welt und auch Deutschland voller Amokläufer sein. Das ist zum Glück nicht der Fall. Kein Experte würde das im Übrigen jemals behaupten. Die primären Ursachen liegen fast immer im sozialen Bereich. Dazu kommt bei den Tätern ein zu leichter Zugang zu Waffen, wie insbesondere in den USA.
Für unfassbare, im Grunde nicht zu verarbeitende Geschehnisse suchen wir immer nach einfachen Erklärungen. Der Soziologe Niklas Luhmann meinte, Sinn sei die Reduktion von Kontingenz, also die denkbaren Faktoren werden so eng wie möglich eingegrenzt oder auch eingeengt, was unterm Strich übrig bleibt, muss alles erklären.
Counter-Strike ist 2002 zum Symbol für eine sich am Monitor scheinbar blutig ballernde Jugendgeneration geworden, die durch solche Spiele klammheimlich zu potenziellen Amokläufern herangezüchtet wird. Der Wahrheitsgehalt daran interessiert dann nicht. Hauptsache, der Übeltäter ist gefunden. Dass man damit natürlich keine Probleme löst, weil man sich um deren wahre Ursachen dabei gar nicht kümmert, liegt auf der Hand.