Die Electronic-Arts-Story
Von Hawkins zu Riccitiello, von Kunst zu Kommerz?
Die meisten großen Publisher sind in der einen oder anderen Form eigentlich schon „seit immer“ dabei, zumindest im Rahmen der eher kurzen Geschichte der Videospiele. Unsere neue Reihe soll einen Blick darauf werfen, woher diese Konzerne kamen, wie sie sich entwickelt haben, welche Schlüsselstellen ihren Werdegang prägten und welche Personen in ihrer Geschichte wichtig sind oder waren. Den Anfang machte letzte Woche Activision, der derzeit größte und älteste aktive Publisher. Der ewige Konkurrent Electronic Arts ist ein paar Jahre jünger. 1982 gründete William M. "Trip" Hawkins III Amazin' Software und legte den Grundstein für eine große Erfolgsgeschichte. Dass er allerdings heute mehr als der Typ, der mit dem 3DO scheiterte, zweifelhafte Bekanntheit genießt, ist eine der kleinen Ungerechtigkeiten, die die Historie so schreibt.
Es blieb nicht bei Amazin' Software, weil Trip Hawkins, selber ein passionierter Gamer, seit er das erste Mal eine Pong-Maschine sah, den in diesem Bereich ja nicht ganz unumstrittenen Kunstaspekt von Spielen betonen wollte. SoftArt war der nächste Wurf, wurde allerdings ad Acta gelegt, da es bereits eine Firma namens Software Arts gab. Also setzte man sich mit dem gesamten Personal der identitätssuchenden Firma zusammen – es reichte ein normaler Raum für die zwölf Leute – und nach einer guten Runde Brainstorming war Electronic Arts in San Mateo, Kalifornien, geboren.
Die Gründung von Electronic Arts haben wir indirekt übrigens dem Erfolg von Apple zu verdanken. Als der Harvard- und Stanford-Absolvent Hawkins dort 1977 einstieg, war es eine 50-Leute-Computer-Schrauber-Butze, als er 1982 ausstieg, ein Milliarden-Dollar-Aktien-Unternehmen, das er mit genug Geld verließ, um damit, plus weiteres Venture-Kapital, seine eigene Firma zu starten. Die Vision, die er für die Spiele von EA hatte, war ausgesprochen löblich. Er verachtete die passive Unterhaltung des Fernsehens und wollte den Leuten intelligente Unterhaltung mit geistiger Stimulation bieten.
Bessere Menschen durch bessere Spiele. Hehre Ziele also. Auch sollte, ähnlich wie bei Activision, der kreative Kopf hinter den Spielen entsprechend gewürdigt werden und die Cover der ersten EA-Riege reflektierten dies. Sie waren als Hartpappe-Klapp-Alben mit aufwendigen Artworks gestaltet und erinnerten weit mehr an Musikschallplatten als an Spiele. Das Original des Pinball Construction Sets ziert heute noch meine Sammlung und kann es mit seinem 80s-Modern-Look locker mit allen New-Wave-Covern der Zeit aufnehmen. Der Titel selbst war relativ klein gehalten, während der Programmierer Bill Budge groß darüber stand. Ganz wie bei einem Musik-Star.
300.000 mal verkaufte sich dieses Game, das als eines der Ersten überhaupt dem Spieler erlaubte, kreativ zu werden und aus Bausteinen einen eigenen Flipper zu basteln und zu speichern, ganz ohne Programmierkenntnisse. Nicht weniger erfolgreich waren M.U.L.E., Archon oder das Adventure Murder on the Zinderneuf. Einen besseren Start hätte ein Unternehmen kaum haben können.
Auch das, was später zum mächtigen Koloss EA Sports werden sollte, fand bereits 1983 seine zarten Wurzeln. Doctor J und Larry Bird Go One on One war nicht zuletzt dank des Images der beiden damaligen Basketball-Stars ein echter Erfolg und EA verfolgte seitdem konsequent die Sport-Spiel-Schiene. In den nächsten Jahren folgten Jordan vs. Bird One on One, Earl Weaver Baseball oder Ferrari Formula One. Alle diese Spiele waren kommerzielle Treffer, nicht zuletzt dank der Macht der bekannten Namen in ihren Titeln. Da auch die Qualität der Games selbst stimmte, baute sich EA hier früh einem guten Ruf auf.
Vom Crash der Videospielszene um Atari herum war man 1984 erst einmal nicht direkt betroffen, da EA sich komplett auf die Homecomputer konzentrierte. Der Image der gesamten Industrie war aber pauschal fürs Erste ruiniert und Spiele als solche wurden in der öffentlichen Wahrnehmung um Jahre zurückgeworfen. Auch bei EA musste man in den folgenden Jahren nach dem fulminanten Start zurückschrauben und konzentrierte sich auf Qualität, aber auch auf den wirtschaftlichen Weg, den man schon 1983 einschlug.
Hawkins verhandelte härter als alle anderen Publisher mit den Verkäufern der Spiele, insbesondere den großen Ketten, und drückte deren Gewinnspanne zugunsten der eigenen, sodass mehr Geld zu den Entwicklern zurückfloss. Der Ausbau eines eigenen Vertriebsnetzes begann ebenfalls bereits 1984. Auch stellte man fest, dass die Käufer sich nicht so sehr für die Programmierer und mehr für den Titel des Spiels interessierten, woraufhin die Namen der kreativen Köpfe zwar immer noch mehr als bei vielen Konkurrenten Erwähnung fanden, so prominent wie noch bei Pinball erschienen sie aber nie wieder.
In den weiteren 80ern setze man auf den Homecomputer-Markt und dort auf so ziemlich alles, was es gab. Ob C64, Spectrum, Apple II oder IBM PC, EA bediente sie alle und das mit einigen der besten Spiele der Ära. Die Bard's-Tale-Reihe nahm 1985 ihren Anfang, 1987 erblickte mit Skate or Die das vielleicht erste echte Extremsport-Spiel die Welt, 1988 erschien das erste Spiel der möglicherweise wertvollsten EA-Lizenz, John Madden Football. Auf dieses klatsche man übrigens keineswegs nur einfach den Namen drauf. Hawkins und das Madden-Team verbrachten Tage mit John Madden in Denver, wo er jedes kleine Detail in das Spiel hämmern wollte. Eine Kooperation, die über die Jahre stabil blieb und mit durchaus damals schon beachtlichem Erfolg. Ebenfalls unvergessen dürfte auch das SF-RPG Starflight sein. Ambitionierte, hochwertige und verkaufsträchtige Spiele, dazu ein gut aufgestelltes Distributionsnetzwerk: EA fand sich zum Ende der 80er in einer sehr bequemen Position.
Bis dahin hatte man den Konsolenmarkt nach dem Atari-Desaster weitestgehend ignoriert, zumal EA Nintendos sehr restriktive Vertriebspolitik auch nicht geheuer war. So ließ man den NES-Markt lange links liegen, aber als Nintendo mit Umsätzen von zwei Milliarden und mehr Erfolge feierte, war dies nicht länger möglich. Es gab ein paar kleinere Inhouse-Entwicklungen, die dann von anderen publiziert worden – Ski or Die für das NES wurde von Konami herausgebracht –, aber echte Bewegung kam bei EA erst mit dem Sega Mega Drive / Genesis auf. Einer der wichtigsten Gründe dafür war der Hauptprozessor. Es war der gleiche, der auch im Amiga, ST oder Mac werkelte, alles Plattformen, auf denen EA Jahre an Erfahrung und Spielen mitbrachte.