Die Electronic-Arts-Story
Von Hawkins zu Riccitiello, von Kunst zu Kommerz?
Von der Hardware des Mega Drive war Hawkins überzeugt, von den Geschäftspraktiken in der Konsolenwelt nicht. Er hatte, wie praktisch kein Spieleentwickler, keine Lust, die enormen Lizenzierungskosten für Cartridges, Chips und Entwicklersoftware an SEGA zu bezahlen. Also trat man an die Japaner mit einer Mischung aus Angebot und Drohung heran. Wenn SEGA nicht EAs Eigenentwicklung mit eigenen Modulen und unter günstigen Konditionen zustimmt, würde man einfach das eigene Wissen um die Hardware nutzen und die Spiele gänzlich ohne eine Lizenz von SEGA herausbringen. Hawkins hatte jedoch auch etwas in der Tasche, was für SEGA, die besonders in den USA mit dem Vorgängersystem SEGA Master System gegen das NES auf verlorenem Posten standen, extrem wertvoll war.
Ein großer Teil der EA-Titel ließ sich schnell portieren und es war ein breit gefächertes Sortiment, von Rollenspielen über Action-Games bis hin zu den für den US-Markt sehr bedeutenden Sport-Titeln. Alles praktisch sofort lieferbar. SEGA ließ es nicht auf einen Prozess ankommen, sondern begrüßte EAs Vorschlag. Innerhalb kürzester Zeit stand ein breites Portfolio aus über 20 Spielen, denen noch viele nachfolgten. Allesamt in den ungewöhnlichen, gelb-geklammerten Modulen, die niemand außer EA nutzte.
An der PC- und Homecomputer-Front war es in dieser Zeit, Ende der 80er und Anfang der 90er, ruhig geworden. Die schwächeren Home-Rechner starben aus, aber im PC, der zu dominieren begann, sah Hawkins nichts, was seiner Vision für die Spiele der Zukunft entsprach. Das, was EA machte, und worin die Firma, die er aufbaute, gut war, reizte ihn scheinbar nicht mehr. Hawkins ahnte, dass CD-ROM das nächste bedeutende Medium werden würde, und wollte hier früh einsteigen.
Vielleicht ein wenig zu früh. Seine neue Firma, die 3DO Company, konnte ihre Konsole, letztlich wegen des als exorbitant empfundenen Preises von 750 Dollar, 1993 kaum an den Mann bringen. 1994 schied er dann auch als Chairman of the Board bei EA aus, um sich ganz der Firma 3DO, die als Spielentwickler nach dem Konsolen-Desaster ihren Weg machte, zu widmen.
Bei EA übernahm Lawrence F. "Larry" Probst III das Ruder, der bereits 1982 bei Activision in die Industrie einstieg, nachdem er in den Konzernen Johnson&Johnson sowie Clorox arbeitete und seit 1984 bei EA als Vice President of Sales mit an Bord war. 1991 also ging es für ihn an die Spitze. Hawkins war zuvor ein Mann mit Vision für die Spieleindustrie und in gewisser, wenn auch ganz anderer Weise, traf dies auch auf Probst zu. Er wollte EA zum größten Spielekonzern der Welt ausbauen. Wachstum musste her, um die Aktionäre zufriedenstellen und dank der großen Erfolge auf dem Konsolenmarkt und dem auch sonst gut laufenden Geschäft war eine Menge Geld in der Kampfkasse.
Den Anfang machte 1991 Distinctive Software, die mit ihrer Stunts-Reihe, aber auch den ersten Test Drives einen guten Namen mitbrachten. Auf lange Sicht eine solide Wahl, wurde daraus doch das EA-Canada-Studio, die SSX, NBA Live und das erste Need for Speed hinlegten. Der zweite Deal Ende 1992 sollte aber der ein richtig großer Wurf werden. EA kaufte das damals vielleicht heißeste Studio überhaupt zu der Zeit, Origin Systems, und damit die Serien Ultima und Wing Commander. 35 Millionen war der Preis und man kann davon ausgehen, dass er sich mehr als rechnete.
Ob es geschickt war, den ehemaligen Distinctive-Boss und EA-Canada-Leiter Don Mattrick an die Spitze von Origin zu setzen, darf man hinterfragen. Schnell kamen Verschwörungstheorien auf, dass EA Canada wesentlich besser mit Ressourcen versorgt wurde, während man Origin am langen Arm verhungern ließ. Diese waren nicht gänzlich unbegründet, beruhen jedoch mehr darauf, dass Mattrick auf Geheiß von oben die Mittel nach dem Erfolg von Ultima Online mehr in Richtung Online-Gaming verteilen musste. Dies begrenzte natürlich die Mittel für andere Projekte.
Was den Niedergang der ursprünglichen Firmenkultur angeht, fand Denis Loubet, ehemaliger Grafiker bei Origin, zitiert aus einem Artikel von Allan Varney im Escapist über den Kauf von Origin, wesentlich deutlichere Worte: "Aber anschließend (nach der Übernahme) verkam das Überleben zu einem Kampf am Futtertrog. Die Production-Groups wurden isoliert und das war der Tod jeder 'Origin-Kultur'. Es half auch nicht, dass der Produktions-Chef ein Diktator in seinem Team war, gleichzeitig aber ein Arschkriecher bei EA, wenn es an die Budgetverteilung ging."
Auch eine starke Einmischung in Origin selbst habe stattgefunden, vor allem in der Richtung, dass große Projekte überhastet fertiggestellt werden mussten. Dieses Schicksal betraf die beiden letzten Ultimas, nach deren Fertigstellung im Jahr 2000 Richard Garriot das Studio verließ. Auch er war nicht mehr glücklich mit den Arbeitsumständen und insbesondere den politischen Machtkämpfen hinter den Kulissen. Im bereits erwähnten Artikel von Varney äußerte er sich wie folgt: "Es gibt Leute, die ich bei EA immer noch als brilliant oder wenigstens wohlmeinend respektiere. Larry Probst hat mich nicht bei den Dingen unterstützt, die ich tat, aber er war immer klar, rational und konsequent in seinem Mangel an Unterstützung. [...] Aber dann waren da andere, die sich in die Fimenpolitik stürzten, die ganz klar auf 'Dein Erfolg geht gegen meinen Erfolg, wenn sich EA um dich kümmert, kümmern sie sich nicht um mich.' Diese Politiker begannen uns als Feind zu betrachten und aktiv gegen uns zu arbeiten." Nicht das schönste Arbeitsumfeld, selbst wenn einige wie Chief Creative Officer Bing Gordon oder Nancy Smith, Execuptive VP NA Publishing, Garriot und Origin unterstützten. Am Ende war dies aber nicht genug.
Das Einzige, was dauerhaft von Origin und Ultima überleben sollte, war Ultima Online, 1997 gestartet und für einige Jahre das erfolgreichste MMORPG. Allen weiteren Ambitionen von EA in dieser Richtung war jedoch nur wenig Erfolg beschieden. Motor City Online oder Earth & Beyond hatten eher kurze und tragische Auftritte. Battletech 3025 wurde nach der Beta-Phase eingestellt. Erst mit dem Kauf von Mythic im Jahr 2006 und deren Warhammer Online scheint ein erfolgreiches Spiel im Haus zu stehen.
Nicht viel besser als Origin erging es den Bullfrog-Studios um den nicht weniger legendären Peter Molyneux. Keine zwei Jahre nach dem Kauf durch EA in 1995 reichte es ihm, als Magic Carpet 2 plötzlich unter unmöglichen Vorgaben und Deadlines zu leiden hatte. Das Spiel erschien in keiner Form, die Molyneux so sehen wollte, und selbst mit dem allseits gelobten und geliebten Dungeon Keeper, dem letzten Bullfrog-Spiel unter seiner Regie, war er nicht hundertprozentig zufrieden. Den Namen Bullfrog gab es noch bis 2004, relevant war er da schon längst nicht mehr. Ein paar Titel wie die Dungeon-Keeper-Fortsetzung erschienen noch, doch ohne den kreativen Kopf an der Spitze war das Studio schnell nur ein Schatten seiner selbst.
Ein weiterer Fall dieser Akquise-Zeit waren die Westwood Studios, ein Unternehmen, das in den 90ern durch enormes, kreatives Potential in Verbindung mit großen Verkaufserlösen auffiel. Am Ende war es noch Command & Conquer, das als einziges Vermächtnis blieb, während Lands of Lore III scheinbar das gleiche Schicksal ereilte, das auch die finalen Ultima-Titel heimsuchte.
Anstatt es richtig zu beenden oder wenigstens ganz einzustampfen, wurde etwas veröffentlich, was sicher keine Referenz für einen kommenden Teil sein würde (der dann ja auch nicht mehr erschien). Die C&C-Reihe pflegte man deutlich enthusiastischer, integrierte vorsichtig deren Teams in die EA-Struktur und die Serie ist bis heute aktiv.
Das Muster schien sich auch bei kleineren Firmen stetig zu wiederholen. Landete ein finanzierbares Team ein Erfolgsspiel, holte man sich die Leute an Bord, veröffentlichte möglichst schnell eine Fortsetzung nach der anderen und setzte dabei weit mehr auf Quartalspünktlichkeit als auf Qualität. Auch die Arbeitsbedingungen erinnerten stellenweise an eine Art semi-freiwilliges Arbeitscamp. Bei 70-bis-80-Stundenwochen als Durchschnitt ohne Ausgleich und mit der diffusen Gefahr, jederzeit auf die Straße geschickt werden zu können, im Hinterkopf, dauerte es nicht lange bis zu den ersten großen Klagen gegen EA als Arbeitgeber. Insbesondere der Fall der von Leander Hasty geführten Klage und die Blogs von Erin Hoffman aus den Jahren 2004 bis 2006 zeigen in aller Schonungslosigkeit, wohin sich die internen Zustände von EA entwickelt hatten. Viel weiter weg von den Gründungsprinzipien hätte man kaum stehen können. Die Kläger bekamen Recht und EA musste insgesamt über 30 Millionen Dollar an Überstunden ausbezahlen.