Die Electronic-Arts-Story
Von Hawkins zu Riccitiello, von Kunst zu Kommerz?
Auch wenn die Klagen in die Zeit von Larry Probst als CEO fallen, den Zeitraum der Massenakquise teilte er sich mit John Riccitiello. Dieser übernahm 1997 von Probst den CEO-Posten und verstärkte die Schlagzahl der Ankäufe sogar noch. Riccitiello, privat wohl ein enthusiastischer Gamer, ist dabei kein in der Spieleindustrie Verwurzelter, sondern brachte Erfahrung als Manager in der Lebensmittelindustrie mit, wo er unter anderem für Pepsi, SaraLee oder – genau wie Probst – Clorox arbeitete. Probst übernahm dann in 2004 wieder das Ruder, während Riccitiello sich bis 2007 komplett zurückzog und mit einer eigenen Kapitalbeteiligungsgesellschaft Geld verdiente.
Die Liste der eingekauften und integrierten Firmen zwischen 1995 und 2008 ist lang und teuer, teilweise waren es fünf Studios und Companys in einem Jahr. Die Teuerste war bisher – von denen, bei denen man den Preis kennt – die VG Holding Company Ende 2007, zu der die Studios Pandemic und BioWare gehörten. Knappe 800 Millionen Dollar ließ sich EA letzlich in erster Linie BioWare kosten, denn mit den auch schon davor längst nicht mehr legendären Pandemic Studios konnte mal wohl nicht so viel anfangen. Aus dem in 2005 gekauften Jamdat sollte EA Mobile werden, was EA für den Preis von fast 700 Millionen Dollar ein komplettes Portfolio an Handygames bescherte. Weit populärer, aber deutlich preiswerter war der Ankauf von Maxis im Jahr 1997. Gerade mal 125 Millionen war Will Wrights Softwareschmiede da wert. Es wäre sicher ein Vielfaches gewesen, hätten Die Sims schon die Häuser unsicher gemacht.
Maxis war gleichzeitig auch das praktisch einzige Studio, welches relativ unabhängig vom Mutterkonzern und zumindest noch für längere Zeit mit einer eigenen Firmenkultur operierte. Das liegt sicher nicht zuletzt daran, dass der Erfolg von EAs wichtigster Nicht-Sport-Serie ungebrochen bleibt. Das erste Sims erschien im Jahr 2000 und seitdem hat die Serie laut EA 100 Millionen Exemplare in Form der drei Hauptspiele und ihrer unzähligen Erweiterungen und Spin-offs abgesetzt. Dieser Erfolg verschaffte Maxis offensichtlich Luft zum Atmen.
Spätestens in den 2000ern, aber auch schon in den 90ern, begann EA unter einem ernstem Imageproblem zu leiden, zumindest in den Kreisen enthusisatischer Spieler. Der schon recht früh bei den Sportserien eingeführte Ritus, die Spiele nicht neu zu betiteln, sondern mit Jahreszahlen zu nummerieren, ist sicher ein geniales Geschäftsmodell, da es dem Konzern erlaubt, fest mit den kalkulierbaren Einnahmen der Stammkundschaft der jeweiligen Sportart zu rechnen und zu planen. Das Problem war – und teilweise ist es immer noch –, dass ein paar Mal zu oft das gleiche Spiel praktisch noch einmal verkauft wurde oder die Qualität sogar deutlich unter den Vorgängern lag.
Das ist in gewisser Weise eine etwas ungerechte Sichtweise. Es stimmt, dass es zu den Zeiten schon ein wenig schwer war, ein Madden vom Nächsten zu unterscheiden, aber insbesondere in den letzten Jahren hat praktisch jede der Serien große Sprünge vollzogen, von denen beinahe jeder die jährliche Neuveröffenlichung rechtfertigte. Das hierzulande populärste Beispiel ist sicher FIFA. Nach einem schwachen Generationsauftakt im Jahr 2006 steigerte man konseqent die Qualität der Reihe und selbst harte PES-Fans beginnen sich trotz immer noch vereinzelter Unkenrufe in Richtung FIFA zu wenden. Die Hähme sind dabei kaum mehr als Reflexe, denn die alte Abwägung "Marke (FIFA) vs. Gameplay (PES)" scheint zumindest derzeit aufgehoben. FIFA beansprucht inzwischen beides für sich.
Im April 2007 wurde John Riccitiello erneut eingestellt und als CEO ersetzte er wieder Larry Probst. Dieser ist seitdem immer noch Chairman. Ob der Skandal um die Arbeitsbedingungen bei EA der Auslöser dieser Umbesetzung war, darf spekuliert werden, aber seitdem haben sich die Bedingungen wohl zumindest ansatzweise gebessert. So sehr immerhin, dass die ehemaligen „Whistleblower“ Hasty und Hoffman Bekannten wieder Jobs bei EA empfehlen.
Auch die alte Strategie des massenhaften Ankaufs von Firmen scheint erst einmal gebremst. Man konsolidiert, was da ist, und lediglich im Bereich des Social Network Gaming gab es Bewegungen. ThreeSF, J2Play und Playfish, letztere sicher die Populärsten, wurden einverleibt, um diesen kommenden oder – je nach Ansicht und der Einschätzung einiger Blogger – bereits wieder gehenden Trend abzudecken. 2008 hätte es dann fast doch noch eine größere Nachricht zu dem Thema gegeben, aber Take-Two hatte keine Lust, sich und damit auch die GTA-Reihe in den Hafen von EA zu manövrieren. Der Versuch einer relativ feindlichen Übernahme mit einem Volumen von über zwei Milliarden Dollar blieb im Ansatz stecken.
Was die Spiele seit 2007 angeht, hat sich bei grober Betrachtung nicht so viel geändert. Die Betonung liegt ganz klar auf den etablierten Geldbringern in Form von Sportfranchises, den Sims und einiger Erfolgsserien wie Comamnd & Conquer oder Need for Speed. Dass sich der Ruf von EA auch bei Spielern trotz der Dauerfortsetzungen deutlich gebessert hat, liegt an den Seitenprojekten, die man sich nun wieder weit regelmäßiger gönnt und die teilweise an die kreativen Anfangstage des Konzerns erinnern. Leider blieben in Fällen wie Brütal Legend, Dead Space oder Mirror's Edge die Verkäufe weit hinter den Lobeshymnen auf EAs Mut zum Wagnis zurück, sodass es derzeit keineswegs sicher ist, ob sich der Konzern zukünftig nicht doch lieber solche Wanderungen in neues Terrain spart.
Für den Moment sieht es nicht danach aus. Dead Space und vermutlich auch Mirror's Edge werden fortgesetzt und die Schuld für die mäßigen Verkäufe suchte man erst einmal bei sich selbst und dem möglicherweise zu schwachem Marketing, das nicht geeignet war, um eine neue Marke zu etablieren. Mit Dragon Age im Besonderen und dem Einkauf von BioWare im Allgemeinen beginnt man wieder auf Solo-RPG-Pfaden zu wandeln, eine Genre-Richtung, die traditionell nicht als so richtig massentauglich gilt - zumindest nicht im Rahmen von Shooter- oder FIFA-Verkaufzahlen. Ebenfalls ein Wagnis, wenn auch ein kalkulierbares bei einem etablierten Studio wie BioWare.
BioWare, aber auch andere Neuzugänge wie Criterion (Burnout, 2004) oder Phenomic (SpellForce, 2006) werden glücklich sein, dass EA diesen Weg einschlägt. Auch werden sie sicher gerne hören, dass Riccitiello 2008 die früheren Fehler bei der Übernahme von Studios in der Vergangenheit zugab und sogar persönlich dafür Verantwortung übernahm. Er gelobte Besserung und es scheint seit 2007 bei EA wirklich zu einer Art Rückbesinnung auf die Gründungswerte der Firma gekommen zu sein. Das heißt nicht, dass sie sich von ihren jährlichen Updates verabschieden werden.
Warum sollten sie, zumal die steigende Qualität von Serien wie FIFA sicher auch kein Verlust für die Spieler sein dürfte. Aber die gesunde Mischung aus Marken mit Wert und dem einen oder anderen Abenteuer könnte ein goldener Mittelweg für die Zukunft von Electronic Arts sein. Spannend wird auf jeden Fall sein, wie wir in zehn Jahren auf die Integration von Studios wie Criterion und BioWare zurückblicken. Hat man wirklich gelernt? Zu hoffen wäre es, denn kreative, leistungstarke Studios mit starker finanzieller Rückendeckung durch einen großen Publisher sind die Konstellation, aus der gute Spiele und Serien entstehen. Und ob nun eine Zahl hinter der Marke oder ein neuer Name an dessen Stelle steht, am Ende des Tages ist das alles, was wir haben wollen.