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Die Eurogamer-Textwerkstatt: Anatomie eines Spieletests - Teil 3

Zwischen Einleitung und Fazit: Was gehört inhaltlich in den Text

Im Niemandsland zwischen Einleitung und Fazit

Einleitung und Fazit wurden bereits als die beiden meistgelesenen Abschnitte eines jeden Tests genannt. Das macht den Teil in der Mitte zu was? Füllmaterial.

Manchmal könnte man das meinen, wenn in dem einen oder anderen Test Featurelisten abgearbeitet werden, ohne dass man als Leser den Eindruck bekommt, dass hier auch nur ein Gedanke an den Spaß vergeudet wurde, den das Lesen machen soll. Aber Stil ist hier nicht das Thema, es geht um genau diese Featurelisten. Die müssen nämlich auch sein. Vorschau oder Feature-Artikel sind die Orte, an denen man sich wunderbar und seitenweise über alles Mögliche im Bezug zu einem Spiel austoben kann, wenn es sich denn anbietet. Neue Informationen sollte man auch hier keineswegs vorenthalten, aber es sind nicht die Texte, auf denen Kaufentscheidungen basieren. Deshalb muss in den Test alles rein. Aber nur, was wichtig ist.

Was ist wichtig?

Was das genau sein könnte, hängt sehr stark von jedem Spiel im Einzelnen ab und am besten und einfachsten fährt man, indem man sich Gedanken zu Genre und Käuferschicht macht. Was gehört zu einem Spiel des Genres, was bieten Konkurrenzprodukte, was erwartet der Käufer und was will er wissen, bevor er in den Laden geht. Dabei sind keineswegs grundsätzlich lange Ausführungen nötig oder gar erwünscht. Viel wichtiger ist es, nicht die wertende Aussage in Verbindung mit einer kurzen Begründung zu vergessen. Ausführliche Argumentationen können manchmal nötig sein, manchmal hilfreich, aber für das Kerngeschäft des Tests sie nur selten zwingend.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte eines Spiels, möglicherweise bei einem Rollenspiel oder Adventure. Eine umfassende Nacherzählung, die höchstens auf die Auflösung verzichtet oder über hunderte Wörter die Vorgeschichte ausbreitet, braucht niemand. Wenn ein Spieler vor dem Spiel sitzt, wird er schon herausfinden, was los ist. Viel wichtiger für ihn sind zwei, drei Sätze über die generelle Richtung der Geschichte und dann eine Wertung dazu, wie diese generelle Idee qualitativ umgesetzt wurde. Außerdem noch ein Satz, warum es scheiterte oder gelang und schon kann man dieses Kapitel zu den fertigen Zeilen legen. Lebensläufe der Figuren sind nicht gefragt, nur ob sie generell bei dem Spieler Interesse wecken könnten.

So geht es weiter durch alle möglichen Features des Spiels. Man sollte dabei auf keinen Fall Checklisten mit fester Reihenfolge abarbeiten. Es gibt nichts an Checklisten als Gedächtnisstütze auszusetzen, aber eine feste Routine endet sehr schnell in immer gleichen Textmustern. Das weiß auch der Leser bald und wird sich nicht mehr auf den Test einlassen, sondern nach Schlüsselwörtern Ausschau halten. Auch eine Art des Schnelllesens. Man sollte es gelegentlich ein wenig in den Mixer werfen.

Das Außergewöhnliche und das Niedere

Nicht jedes Feature muss dabei abgehandelt werden. Wenn eine Steuerung in einem Shooter nicht weiter auffällt, alle Tasten wie auch sonst belegt sind, dann sollte man nicht nur auf eine Beschreibung verzichten, es ist dringend angeraten, nicht mehr als einen Halbsatz – wenn überhaupt – davon zu Papier zu bringen. Die Musik fällt nicht auf? Ist okay, aber nicht mehr? Muss nicht erwähnt werden. Grafik ist das, was man vom Stand der Technik erwartet, aber ein Screenshot reicht aus, um das zu zeigen? Man nehme diesen Screenshot, anstatt das Belanglose in viele Worte zu fassen.

Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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