Technik-Vergleich: Crysis 2
Cryteks Konsolenkrieg auf dem Prüfstand
Tatsächliche Umsetzungen stereoskopischer Reprojektion sahen wir bisher selten. SOCOM 4 wird das Verfahren nutzen und gegenwärtig gibt es den DLC Pigsy's Perfect 10 für Enslaved, der auf TriOviz Reprojektion setzt (mehr dazu in einem kommenden Digital-Foundry-Artikel). Auf der PS3 sind Einbußen zu verzeichnen, aber die 360-Variante schlägt sich bemerkenswert und unterstreicht damit Cryteks Aussagen.
Da beide Konsolen-Vollversionen von Crysis 2 nun für die Analyse bereitstehen, können wir dies auf die Probe stellen. Die 3D-Performance prominenter Schlüsseltitel war bisher immer in irgendeiner Hinsicht beeinträchtigt. Hat Crytek mit der CryEngine 3 die Lösung für diese Probleme? Widmen wir uns zunächst der HDMI-1.4-bewehrten PlayStation 3.
3D in voller Auflösung über HDMI 1.4, mit nur geringen Auswirkungen auf die Performance – Crytek hat es geschafft. Es besteht allerdings einige Unklarheit darüber, was die Entwickler hier eigentlich auf die Beine gestellt haben: Ist es wirklich eine echte stereoskopische Technik? Eine Analyse der Xbox-360-Multiplayer-Demo deutete darauf hin, dass Crytek seine Grafik schlicht in HUD-, Waffenarm- und Welt-Ebenen unterteilt hat und mithilfe von Pixel Separation jedem dieser Elemente seine eigene Tiefe verliehen hatte. Kurzum: Es gab also gar kein echtes 3D.
Der Entwickler antwortete auf diese Erkenntnis, dass es im fertigen Spiel "mehr Tiefe" geben werde. Was wir uns aber eigentlich gewünscht hätten, ist die Trennung der beiden Kameras – einen wirklich einzigartigen Blickwinkel für jedes Auge. Man muss allerdings sagen, dass sich im finalen Spiel einiges geändert hat. Zum einen ist das schreckliche Tearing aus dem 3D-Modus der 360 komplett verschwunden. An der grundlegenden Prämisse von Cryteks 3D-Ansatz hat sich allerdings nichts geändert. Es sind immer noch drei getrennte 2D-Schichten. Auch wenn am Effekt ein paar Tweaks vorgenommen wurden.
Man hat sich scheinbar bemüht, der "Welt-Ebene" Parallaxe zu verleihen. Offenbar sind Elemente, die sich näher an der Spieler-Kamera befinden, etwas stärker verschoben als Objekte in der Ferne. Der Effekt ist jedoch sehr subtil. Crysis 2 ist also kein MotorStorm: Apocalypse oder Killzone 3. Aber es ist eine interessante, alternative Technik, die vermutlich bessere Resultate mit Spielen ermöglicht, in denen das Bild tatsächlich in unterschiedliche Schichten unterteilt ist, wie zum Beispiel LittleBigPlanet.
Die von Crytek versprochene Performance ist jedenfalls da – und sogar auf beiden Plattformen. Wiederholen wir den Test von gerade, nur mit der Xbox-360-Version. Natürlich gibt es hier kein HDMI 1.4. Cryteks Ansatz ist also, das Bild zu einer nebeneinander angeordneten Konfiguration umzuskalieren und den User darum zu bitten, seine Xbox 360 im Dashboard auf den 1080p-Modus umzuschalten. Das resultiert allerdings in rechteckigen Pixeln, im Vergleich zum 2D-Modus (und sogar dem 3D-Modus der PS3) ist die Grafik also nicht mehr ganz so hübsch.
Wenn man die limitierte Natur des 3D-Supports von Crysis 2 bedenkt, trägt es vermutlich nicht allzu viel zur Kaufentscheidung bei, die PS3 bietet hier aber definitiv das bessere Bild.
Es ist schwierig, bei Crysis 2 eine glühende Empfehlung für eine der beiden Konsolen-Versionen abzugeben. Die gute Nachricht ist, dass es auf beiden HD-Konsolen die meiste Zeit ein wirklich beeindruckendes Spiel ist. Lustigerweise hieß das erste Achievement / die erste Trophy nach der optisch anspruchsvollen Eröffnungssequenz "Läuft Crysis darauf?". Eine nette Anspielung auf die Frage, die Kaufentscheidungen bei PC-Hardware seit Jahren dominiert und möglicherweise sogar eine Entkräftung unseres Artikels Läuft Crysis auf Konsolen? von vor zwei Jahren. Es besteht wenig Zweifel daran, dass die CryEngine 3 auf PS3 und 360 ein ernstzunehmender Konkurrent ist, weil es annähernd das volle Crysis-Erlebnis bietet. Es hat Probleme, aber die sind nicht plattformexklusiv.
Zweifelsohne ist die Xbox-360-Ausgabe das sauberere, schärfere Spiel mit weniger Glitches und die meiste Zeit über hat sie auch bei der Performance die Nase leicht vorn. Besonders außerhalb der Kämpfe scheint das Spiel deutlich flüssiger zu laufen. Dennoch mangelt es dem Spiel streckenweise brutal an Optimierung, wodurch die Bildrate in bestimmten Szenen an den Rand der Unspielbarkeit rutscht. Ein schwankendes Bildupdate zwischen 15 und 20 Frames pro Sekunde ist in einer intensiven Schlacht immens desorientierend. Dadurch wird Crysis 2 zum wankelmütigsten Performer der letzten Zeit.
Innerhalb dieser Szenen hat aber offenbar die Xbox 360 mehr Probleme, Schritt zu halten, auch wenn beide Plattformen meist in den gleichen Bereichen zu stottern anfangen. Interessanterweise sind die schlimmsten Stellen stark in bestimmten Bereichen der Kampagne isoliert. Ab einem gewissen Infiltrationslevel standen die Dinge jedenfalls scheinbar deutlich besser. Trotzdem ist es schwer zu glauben, dass angesprochene Bereiche durch die Qualitätskontrolle gerutscht sind, ohne dass irgendjemand Alarm geschlagen hat.
In diesen Szenen muss man sich eher auf einen Stealth-Ansatz verlassen anstatt die feindlichen Stellungen mit lodernden Mündungsrohren zu stürmen. Aber in einem Spiel, das so viel Wert darauf legt, dem User verschiedene taktische Möglichkeiten zu präsentieren, ist es schon enttäuschend, dass technische Probleme den Handlungsspielraum so dermaßen einschränken.
Abschließend lässt sich sagen, dass Crytek bewiesen hat, dass Crysis auf Konsolen läuft – auf beiden sogar. Die Probleme, die das Spiel hat - bizarre Glitches, Performance-Einbrüche, Geometrie-Pop-Ins und dergleichen – sind alles andere als auf eine der beiden Plattformen beschränkt. Insgesamt hat die 360 in Sachen Optik und allgemeiner Performance die Nase vorn, die PS3 schlägt sich aber gut und kann in einigen Bereichen sogar die Microsoft-Konsole übertreffen.
Das Entscheidende ist, dass beides phänomenal attraktive Spiele sind, die recht ungewöhnliche Effekte produzieren und in vielerlei Hinsicht weiter fortgeschritten sind als alles andere, was wir bisher auf Konsolen erlebt haben. Jedermann wollte, dass Crysis auf Konsolen ein echtes Event wird. Im Großen und Ganzen hat Crytek genau das geliefert und noch dazu die hochmoderne Grafik mit wahrhaft beeindruckendem Spieldesign unterfüttert. Trotzdem hätten ein paar Monate Entwicklung mehr vermutlich einige der Probleme beider Versionen noch ausgebügelt.
Die Frage ist nun, ob die PC-Version des Spiels es schafft, sich über genannte Probleme hinwegzusetzen – und damit das ultimative Crysis-2-Erlebnis zu gewährleisten? Das ist etwas, mit dem wir uns in den kommenden Tagen in einem anderen Digital-Foundry-Artikel auseinandersetzen werden.