Skip to main content

Dishonored verschenkt nichts. Aber kann euch so viel geben.

Ihr müsst allerdings schon selbst aktiv werden: Mit Harvey Smith durch Kanäle und Ballsäle

Eine Mission in Dishonored zu spielen war definitiv mein gamescom-Messe-Highlight. Während ich in der Manier des gnädigen Chefs jeden hinschickte, wo er hinwollte - naja, fast zumindest -, hob ich mir nur diesen einen Titel auf. Ein bisschen Egoismus muss sein. Dazu gehört dann auch, dass mir ein leicht übermüdeter aber angesichts vieler positiver Reaktionen nicht unglücklicher Harvey Smith von Arkane, einer der Designer von Dishonored, eine Kommentierung zu meiner Spielsession liefern muss. Stellt es euch wie den Audiokommentar auf einer DVD vor und viel Spaß.

Okay, erste Runde Dishonored selber spielen. Die Mission lädt, das Pad-Layout auf dem Tisch wird ignoriert (so etwas ist für Noobs ...), links und rechts sitzt die Konkurrenz und will auch durchkommen. Es beginnt bei Nacht auf einem kleinen Boot in einem Kanal in der Stadt bei Nacht. Mein Begleiter - den ich sicher kennen würde, wäre ich nicht mitten in das Spiel gesprungen - sagt, dass ich Lady Boyle auf der Ballparty im angrenzenden Anwesen finden und töten soll. Ich nehme an, ich habe einen guten Grund dafür, springe ins Wasser und gehe am tief gelegenen Steg an Land. Schilder machen deutlich, dass ich hier nicht willkommen bin. Aber das ist das Schicksal von Helden, also ignoriert, die Treppe hoch und erst mal in die Hocke in Deckung, um alles zu erkunden. Links Straßenzüge und verfallene Häuser, ein paar Bobbys - alles viktorianisch hier, keine Cops oder Streifenhörnchen - wandern gemütlich herum, belästigen ein paar Passanten, fast wie London heutzutage. Auf der anderen Seite führt eine Brücke zu der Villa, aber dieser Weg wird von den Langbeinen gesichert, Wachen in Mini-Mech-Anzügen mit schweren Waffen und drei Meter langen Beinen. Dazu schwärmen noch ein paar Wächter so herum. Hm, das ignoriere ich erst mal.

Dishonored - Gameplay-Video

Fünf Minuten später bin ich verwirrt wie zuvor. Inzwischen habe ich festgestellt, dass ich all die Fertigkeiten habe, die angekündigt wurden, ich kann mich kurze Strecken teleportieren, in Menschen hineinversetzen, kurz die Zeit anhalten und noch mehr, aber der Lösung, einen Weg in das Gebäude zu finden, bin ich noch nicht viel näher. Ein Blick links und rechts auf die anderen Bildschirme zeigt mir, dass andere Redakteure in scheinbar ähnlich aussichtslose Kämpfe verwickelt sind, wie ich sie gerade hinter mir hatte, als ich einem Bobby mit gezogener Waffe gegenübertrat. Auch sie haben keinen Plan, was sie tun. Ich bin fast beruhigt, aber besteht nicht die Gefahr, dass der Tutorial-verwöhnte Spieler mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne an diesem Punkt bereits innerlich abschaltet?

Harvey Smith: Das ist etwas, das uns kontinuierlich beschäftigt. Dishonored ist einfcah kein Spiel, das sich selbst spielt. Du must schon was dafür tun, um was Cooles zu erleben. Und ja, manche Spieler haben Probleme damit, auf der anderen Seite gibt es aber Spieler, die erst damit richtig aufblühen. Ich denke, dass eine Menge Spieler von diesen Brotkrumen-Spielen ermüdet sind, wo der Designer eine lange Spur linearer Hinweise hinterlassen hat, wie es zu spielen ist.

Dies hier ist ein Spiel, in dem man improvisieren kann und muss, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir lieben das, wir wollen nichts anderes machen, aber es erfordert schon, den Spieler zu schulen. Man muss ihn immer wieder daran erinnern, dass es all diese Möglichkeiten gibt. Wir haben viel Zeit investiert, um das richtige Maß an Spieler-Schulung zu finden. Der erste Entwurf für Dishonored war brutal, er sah vor, dem Spieler gar nichts zu erzählen. Jetzt haben wir Tutorials am Anfang des Spiels, wir haben die Stats am Ende einer Mission, wir haben die Ziel-Markierungen in der Welt selbst verteilt. Man kann das alles ausschalten, sogar jedes für sich, aber die meisten Spieler brauchen einfach ein wenig Unterstützung beim Spielen.

Wir lieben die Spieler, die Deus Ex, Stalker, Bioshock, Thief oder Ultima Underworld gespielt haben, das sind unsere "idealen" Spieler. Aber so sehr wir die Hardcore-Leute schätzen, der magische Moment für uns war es für die Spieler zu beobachten - und wir haben bis jetzt schon viele Leute spielen sehen -, die diese linearen, Einbahnstraßen-artigen, nur auf eine Weise spielbaren Spiele gewöhnt sind. Sie haben erst ganz schön zu kämpfen. Dann sehen sie Möglichkeiten, sie spielen damit herum, sie entwerfen eine Strategie, haben Erfolg mit ihr oder auch nicht und man sieht förmlich bei ihnen ein Licht aufgehen. Das ist für uns der ganz große Augenblick.

Dishonored - Gameplay-Video

Letzens hatten wir jemanden beim Spielen zugeschaut, dessen Lebensenergie durch ein paar Kämpfe auf dem Tiefpunkt war, seine Tränke waren leer und da standen diese drei Wachen am Tor, an denen er vorbei musste. Man konnte direkt sehen, wie er im Geiste das Problem drehte und wendete. Er schaute sich genau die Umgebung an und entdeckte einen kleinen Wasserlauf, in dem ein paar Fische schwammen. Er denkt kurz nach, wählt dann die Power "Possession" (Übernehmen von Lebewesen, auch Menschen in Dishonored) aus und springt in den Fisch. Er schwimmt durch einen Zufluss in das Gebäude und kommt so hinein. Er lehnt sich zufrieden zurück und scherzt mit einem Freund am Rechner neben ihm darüber.

In dem Moment konnte man genau sagen, dass wir ihn überzeugt haben. Er ist jemand der an diesen linearen, gescripteten, cineastischen Spielen verhungert und stattdessen haben wir ihm etwas gegeben, mit dem er kreativ spielen kann.

Kämpfen ist definitiv nicht mein Weg. Nicht, dass es sich nicht dank guten Waffenhandlings nicht ordentlich anfühlen würde, aber die Opposition erscheint etwas übermächtig. Schleichen und Auskundschaften ist für eine kurze Anspielrunde zu zeitaufwendig, ich will schnell in dieses Haus. Also - welche Powers habe ich noch mal? Hm, Possession, also Lebewesen übernehmen. Ich sehe den Kanal, ich sehe die Fische, und dass ich nicht der Erste bin, der jetzt diesen Weg hinein wählte, habt ihr grad gelesen. Aber ich möchte nicht ohne stolz darauf hinweisen, dass ich von allein drauf kam, während man nebenan noch Munition und Heiltränke an die Ordnungsmacht vergeudete. Aber welche Wege gab es noch auf das Anwesen?

Harvey Smith: Die meisten Leute schleichen oder kämpfen durch die Straßen bis hin zur neutralen Zone im Haus. Sie holen sich auf diesem Weg eine Einladung oder kämpfen sich den Weg frei. Der Weg durch die angrenzenden Ruinen und dann durch ein Fenster in den Innenhof der Villa ist auch beliebt. Manche Leute übernehmen einen Fisch in dem Kanal und schwimmen durch die schmale Öffnung im Gitter unter Wasser. Es gibt sogar in einer früheren Mission die Chance, eine Einladung zu bekommen und diese dann hier zu nutzen. Ein Spieler fand einen Weg, indem er den Wächter im Wachhäuschen übernahm, statt ihm eine Einladung zu geben und so direkt auf das Gelände spazierte. Das war uns aber doch zu einfach, das wird in späteren Versionen nicht mehr möglich sein. Es bleiben aber immer noch etwa sechs Wege auf das Gelände.

Das mit den Ruinen klingt gar nicht schlecht, aber die Fisch-Kiste hat was, dabei bleibe ich. Also, was mache ich im kleinen, sehr übersichtlichen Keller? Keiner hier, so weit, so gut, aber ein Metallgitter versperrt den Weg. Nicht mal eine Ratte kommt durch die engen Stäbe, wie ein Feldversuch ans Tageslicht brachte. Dahinter ist ein Schalter, aber Greifen geht nicht. Telekinese gehört auch nicht zum Programm, was haben wir denn da noch? Teleportieren ... nein. Übernehmen, Zeit anhalten ... nein. Aber halt, was ist das unter der Decke? Ein Stück Balken ist eingebrochen und es gibt ein Loch in der Wand. Hochklettern unmöglich, aber Blinzeln, wie das Teleportieren hier heißt ... Bingo! Schalter betätigt, Gitter offen, der Weg in den Ballsaal ist frei.

Das Spiel verkündet, dass dies eine neutrale Zone sei. Die Reaktion der Wachen macht schnell klar, dass sie mich in Frieden lassen, aber nur, wenn ich jetzt endlich meine Waffen wegstecke. Aber gerne doch. In ein paar Gesprächen stellt sich heraus, dass ein Maskenball eine komplizierte Angelegenheit sein kann, wenn man nur das Gesicht des Ziels kennt. Schöne Masken sind es aber, so auch wie die ganze Umgebung malerisch wirkt. Alle drei zu erschießen und sich danach Gedanken über die Flucht zu machen, wäre wohl eine Möglichkeit, aber das hebe ich mir lieber für später auf. Erst mal schnacken, wir sind schließlich auf einer Party.

Auf der Suche nach Konversation verirre ich mich in den Garten, wo ich einem Lord Shaw über den Weg stolpere. Offensichtlich habe ich etwas für ihn aus dem vorangegangen Spiel, das ich ja nicht kenne und so sehe ich auch keinen Grund, ihm nicht den Brief zu geben. Worum auch immer es geht, er fasst die Neuigkeiten nicht gut auf und besteht darauf, entweder ein Duell auszufechten oder mich wie einen feigen Hund so niederzuballern. Da ein sauberes Duell für meine Tarnung immer noch besser als es ein wüster Shoot-Out scheint, geht es nach allen Regeln der Kunst los. Die Waffen werden aus einer edlen Kiste geholt, ein Sekundant wird mir zugewiesen, drei Schritte jeder, dann auf drei geht es los. Bei drei drehe ich mich um, unterdrück' den Reflex eine hüfthohe Mauer zu suchen, sondern ziele, drücke ab und war damit zum Glück schnell genug. Denn wir spielen nicht auf Kinderlevel und es hätte auch ganz anders ausgehen können.

Harvey Smith: Du bekommst diesen Brief in einer früheren Mission von einem "Freund" und sobald du ihn an Lord Shaw gibst, kannst du Dich in dieses Duell verwickeln lassen. Auf den höheren Schwierigkeitsgraden kann er Dich definitiv sofort töten, auf den niedrigeren nimmst du viel weniger Schaden. Der Schwierigkeitsgrad reguliert nicht nur den Schaden, sondern auch, wie aufmerksam die KI ist, wie schnell sie reagiert, ob sich Dich schon aus größerer Entfernung wahrnimmt und wie effektiv die Tränke sind.