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Divinity 2: Ego Draconis

Alles im Loot

Update: Solltet Ihr Divinity 2 schon besitzen und nicht weiterkommen, schaut doch einfach in unsere Divinity 2-Lösung.

„Sounds like a Deutsch thang” - so quittierte eine englischsprachige Kollegin meine Beschreibung von Divinity 2. Das ist natürlich ganz klar ein Vorurteil, dem sie da erlegen ist. Unsereins lässt sich einfach nicht gern in eine Schublade stecken. Trotzdem ist es unmöglich von der Hand zu weisen: Spiele mit Drachen, Zauberern, Goblins und Erfahrungspunkten haben in Deutschland seit Jahr und Tag Hochkonjunktur, was sich auch in unserer spieleschaffenden Zunft wiederspiegelt.

Ascaron scheuchte lootsüchtige Hacker und Slayer durch zwei Sacreds und ein (von mir) ungezähltes Rudel Add-Ons, Piranha Bytes macht nach drei immens erfolgreichen Gothics nun ein sehr ähnlich gelagertes Risen und Radon Labs verkaufte seit dem Start von Drakensang alleine hierzulande mehr als 100.000 Pauschalreisen nach Aventurien.

Sieht so aus, als plünderten sich deutsche Spieler und Entwickler wirklich einfach gern durch Tolkien-eske Fantasiewelten. Der Haken in diesem speziellen Fall: Larian, Entwickler des zweiten, eigentlich aber dritten Divinity (Divine Divinity, Beyond Divinity und jetzt Divinity 2) sind Belgier. Hah!

Macht aber nichts, denn auch die leisten sich bei der Zeichnung ihres Szenarios nur wenig Freiheiten, die das von der Zielgruppe erwartete traditionelle Fantasy-Gefüge ins Wanken bringen könnten. Rivellon ist ein mittelalterliches Reich, in dem gehörnte Lindwürmer, Zauberer mit spitzen Hüten und grausame Herrscher, die in schwarzen Rüstungen auf fliegenden Bestien reiten, das Bild bestimmen.

Glanz und Gloria: Während der Zaubereien sieht das Spiel am besten aus.

Nicht spektakulär, aber hübsch gestaltet und vor allem ausreichend mit Kontext gefüllt. Was genau hier vor sich geht, in dieser Fantasy-nach-Zahlen, ist allerdings ein bisschen kompliziert. Die Schuld für die Gefahr, die nun ganz Rivellon bedroht, liegt jedenfalls klar bei den Eltern des Oberbösewichtes.

Die tauften ihren Sohn nämlich auf den schönen Namen Damian und haben damit unweigerlich den Grundstein für seine beachtliche Weltenvernichter-Karriere gelegt. Er konnte eigentlich nur böse werden - auch wenn das Spiel einem weiß machen will, dass es erst der Tod seiner Frau war, die ihn zur Geißel des Landes machte. Was davor, dahinter und daneben passiert, ist exzessives Namedropping.

Namen, die der Welt Tiefe verleihen sollen, in ihrer Menge und Darreichung aber zu Beginn - sofern man eben nicht die Vorgänger spielte - einfach nur einschüchtern und verwirren. Namen von Herrschern, von Despoten, von Göttern und ihren Dienern. Wer dort durchblickt, hat im ersten Akt des Action-Rollenspiels vermutlich länger gelesen als gespielt. Wirklich kennen sollte man aber nur den Unterschied zwischen Drachentötern, Drachenrittern und Drachen. Fürs Protokoll: Drachentöter sind die Monster Hunter von Rivellon und jagen Drachenritter. Die wiederum sind Menschen, die sich in Drachen verwandeln können. Nicht zu verwechseln mit echten Drachen, die allerdings auch gejagt würden - wenn es denn noch welche gäbe. Dieser Unterschied ist im weiteren Verlauf relativ wichtig, denn man wechselt nach wenigen Spielstunden die Fronten.

Trotzdem scheint den eigenen Avatar, den man bei der Charaktererstellung kaum beeinflussen kann, seine aufgezwungene Wandlung vom Drachentöter zum Drachenritter nur wenig zu jucken - die Spielstory will es schließlich so. Was soll man sich da wehren?

Aller Anfang ist schwer. Der Rest ist aber auch nicht einfach.

Man kommt nicht umhin, den Mief verschenkten Dramaturgie-Potenzials förmlich in der Luft hängen zu sehen. Der unfreiwillige Verrat an Ausbildern und anderen Vertrauten, in deren Auftrag man die ersten (wenn man will gut und gerne sechs) Stunden durch das Trümmertal unterwegs war, wäre eigentlich eine Storywendung mit einigem Potential gewesen - wenn auch eine vorhersehbare.

Doch das hat man Divinity 2 relativ schnell verziehen, weil es sich so flott und anpassungsfähig spielt und mit reichlich Entfaltungsmöglichkeiten für die Spielfigur lockt. Im Rahmen seiner Ausbildung zu Anfang des Spieles muss man sich zwar für eine von drei Klassen entscheiden (Waldläufer, Krieger oder Zauberer), in der Praxis darf man aber alle Talente erlernen und nutzen. Lediglich eure Startwerte und -ausrüstung werden durch die Wahl beeinflusst. In typischer Action-Rollenspiel-Manier steuert ihr das Abenteuer direkt und aus klassischer Hinterrücks-Perspektive, während es sich die acht frei konfigurierbaren Shortcuts wenig überraschend auf den Nummerntasten gemütlich gemacht haben. Im Kampf helft ihr euch hauptsächlich fast schon Diablo-like mit fleißigen Linksklicks, die Nahkämpfer je nach Waffengattung zu durchaus spektakulären Kombos aneinander ketten, ohne allzu viel Geschick an der Tastatur zu verlangen.