Doug Lombardi: 'Der PC ist nicht tot.'
Und mehr zu Online-Distribution
Valve ist schon ein einzigartiger Entwickler. Mit Steam haben die Amerikaner ihre eigene Vertriebsplattform und mit Source ihre eigene Grafik-Engine. Die Half-Life-Erfinder sind neuerdings in jeden einzelnen Schritt der Produktionskette involviert. Von der Quelle bis zum Konsumenten – Middleware und Software-Entwicklung, Marketing und Publishing, Handel und Vertrieb.
Und sie nutzten ihre privilegierte Position, um Indie-Talente zu fördern; es ihnen zu ermöglichen, mit großen Ambitionen an Projekte heranzugehen und Geld zu verdienen. Über Steam werden Spiele angeboten wie The Ship, Garry’s Mod und Turtle Rocks kommender Co-Op-Zombie-Shooter Left 4 Dead. Aber auch Projekte wie Darwinia oder Rag Doll Kung Fu fanden eine kommerzielle Plattform. Und alle verdienen Geld.
Wir sprachen mit Valves Marketing Manager Doug Lombardi und Production Manager Eric Johnson über den Einfluss der Online-Distribution auf die Spiele-Entwicklung und den Handel der Zukunft. Wohin der PC-Markt führt und wie die Firma mit episodischen Inhalten umgeht.
Es ist überraschend, dass Valve den klassischen Handel nicht für tot erklärt. Überraschend deshalb, weil Valve doch eigentlich gerne direkt mit den Konsumenten agiert; sicher auch, um sich eine dickere Scheibe vom Umsatzkuchen abzuschneiden. Aber Lombardi meint, „Es wird immer Kunden geben, die lieber in ein Geschäft gehen, um etwas Neues zu finden.“
Und einige Käufer wollen auch weiterhin eine Schachtel haben, selbst wenn sich die Daten bereits auf der Festplatte befinden. „Unser kostenloses Steam-Wochenende war sehr interessant für uns. Wir hatten jede Menge neue Spieler – und wir konnten sehen, wer ein Produkt über Steam gekauft hat. Wir stellten fest, dass wir in der Tat sehr viel mehr absetzen konnten. Aber es stellte sich auch heraus, dass 60% der Spieler die Produkte in einem Geschäft kauften, nachdem sie es an dem Wochenende kostenlos ausprobiert hatten. Die Leute spielten eine Promotion auf Steam und gingen dann in einen Laden, um es zu kaufen. Die Absatzkanäle sind nicht so segmentiert, sie bekämpfen sich auch nicht, wie viele es annehmen.“
Die Existenz von Steam - als ein Vertriebskanal eines Entwickler – war fast schon ein Unfall. Lombardi enthüllt, dass Valve ursprünglich nur ein effektives Auto-Update-System für Patches haben wollte. „Wir sind da irgendwie hineingestolpert“, so Lombardi. Aber dass sie es selbst entwickelten, war mehr eine Notwendigkeit als Teil einer Strategie. „Wir trafen uns mit Yahoo und Amazon und jedem, von dem wir dachten, dass er daran arbeiten könnte. Wir gingen sogar zu Cisco und wir fragten sie, ob sie jemanden kennen würden, der an so etwas entwickelt - denn wir wollten das nicht selbst tun. Es klang viel zu hart. Aber alle antworteten ‚Nein, aber vielleicht in der Zukunft‘. Und wir antworteten: ‚Wir brauchen das aber jetzt, die Zukunft ist zu weit entfernt.‘“
Steam bietet eine ungewohnte Umgebung für kleine Entwickler. Sowohl was die Zusammenarbeit mit dem „Publisher“ Valve angeht als auch der Kontakt mit den Kunden. „Wir gehen als Entwickler und Erschaffer von Inhalten an die Sache heran.“, so Lombardi. „Wenn wir mit jemanden zusammenarbeiten, dann neigen wir immer dazu, darüber nachzudenken, wie man ‚das beste Produkt‘ sicherstellt. Wir versuchen, die konventionellen Denkmuster aufzubrechen. ‚Muss vor Weihnachten auf den Markt‘. ‚Muss 20 Stunden Spielzeit haben‘. Oder ‚Muss soundso viele Waffen bieten‘.
„Viele Entwickler und Firmen haben kein Gefühl für Selbstbestimmung“, ergänzt Johnson. „Viele Entwickler müssen aus dem Denken heraus, dass wir das Produkt für einen Publisher machen, ihm den Gold-Master schicken und dann geht’s weiter zum nächsten Projekt. Mit Steam können sie mit ihren Kunden eine direkte Beziehung aufbauen; und sie erfahren, was ihre Kunden wollen. Davon kann jeder Entwickler nur profitieren. Es ist wahnsinnig wertvoll für uns.“
Online-Distribution für kleine, unabhängige Spiele gibt es jetzt auch für Konsolen. Zum Beispiel Microsofts Xbox Live Arcade oder Sonys PlayStation Network Store. Glaubt Valve, dass Entwickler ähnliche Möglichkeiten für das Wohnzimmer finden werden? Johnson und Lombardi sind skeptisch. „Ich denke, es gibt ganz spezielle Probleme, Produkte auf Konsolen in dieser Art auszuliefern“, meint Johnson.
„Ein Spiel konstant weiter zu entwickeln, so wie Counter-Strike, wäre sehr viel schwieriger in einer Konsolen-Umgebung. Und es wäre auch schwieriger, die Community an der Entwicklung teilhaben zu lassen“, ergänzt Lombardi.
Steam ist nicht die einzige Veränderungen in den Arbeitsmethoden. Die andere war, Half-Life als eine Serie von Episoden auszuliefern. Was hat die Entscheidung beeinflusst, mit den oft diskutierten und selten ausprobierten episodischen Inhalten herum zu experimentieren? Lombardi seufzt. „Fünf Jahre und über 40 Millionen Dollar für die Entwicklung von Half-Life 2 schien einfach …“
„ … a total pain in the butt“, wirft Johnson ein.
„Als wir das fortspannen… Half-Life dauerte zweieinhalb Jahre und kostete weniger als 10 Millionen Dollar, Half-Life 2 fünf Jahre und mehr als 40 Millionen Dollar. Half-Life 3 dann acht Jahre und 65 Millionen Dollar? Hell, no. Das schien völlig außer Kontrolle und es musste etwas geändert werden.“ Aber ist es nicht eine Gefahr, dass man beim Technologie-Rennen auf der Strecke bleibt, wenn man ein episodisches Konzept verfolgt? Johnson widerspricht. Er argumentiert, dass die Entwicklung von Technologie schneller voran schreitet und effektiver ist, wenn man an häufigeren Veröffentlichungen arbeitet.
„Nein, wir denken in Bezug auf Technologie entwickeln wir schneller und wir bringen sie schneller heraus als wir es mit Source während der Produktion von Half-Life 2 konnten“, stimmt Lombardi zu.
Valve bleibt ein treuer Verfechter des PCs. Und sie widerlegen Argumente, dass stagnierende PC-Umsätze den Tod der Plattform bedeuten. Wenn man alternative Absatzmärkte in Betracht ziehe, wäre es sogar der gesündeste Markt. „Sony und Microsoft haben beide Armeen an PR-Leuten, deren Job es ist, jeden Tag Informationen in den Rachen der Presse und Analysten zu stopfen“, sagt Lombardi. „All diese Leute sagen, dass der PC stirbt, die Konsole gewinnt und niemand auf der PC-Seite diese Plattform anführt. Und die Verkaufszahlen betrachten den Einzelhandel. Und darüber gibt es keinen Zweifel: PC-Umsätze im Einzelhandel sinken.“
„Aber World of Warcraft macht wahnsinnig viel Geld außerhalb des klassischen Handels. Wir machen gutes Geld mit Steam, alle Verkäufe von Casual Games werden nicht aufgeführt –alle PopCap Games, die Bejeweleds. All das taucht einfach nicht auf. Wenn man WoW, Steam und PopCap nehmen würde und es zu den PC-Zahlen addiert, dann … WoW alleine würde schon reichen, richtig? Wenn Du die Umsätze von WoW in 2006 mit den Umsätzen der 360 in 2006 vergleichst, würdest Du auch sagen ‚Ich glaube nicht, dass der PC tot ist‘“.
Um fair zu sein, Microsoft zeigt mehr Glauben an die PC-Plattform heutzutage. Mit den „Games for Windows“- und „Live Anywhere“-Kampagnen zum Launch von DirectX 10 und Windows Vista scheint der PC für die Firma genauso wichtig zu sein, wie die 360. Aber Lombardi zweifelt am langfristigen Engagement des Giganten, den PC-Markt zu stärken.
„Momentan scheint es wie ein Teil des Marketing-Pushs, um Vista zu unterstützen. Es braucht stetige Anstrengungen über viele Jahre, um einer Plattform Rückdeckung zu geben. Wir werden also sehen, ob Microsoft in zwei Jahren immer noch Geld ausgibt, um „Games for Windows“-Abteilungen im Einzelhandel zu platzieren. Und PR-Leute die Message predigen zu lassen, über die wir gerade gesprochen haben. Nämlich dass der PC nicht stirbt. Tatsächlich ist er größer als alle Konsolen zusammen. Wenn es darum gehen würde, dann wäre das großartig. Wenn sie es nur nutzen, um die Verkäufe von Vista anzukurbeln, dann wäre das wirklich nicht gut für die Branche. Dann ist es nur kurzfristig gut für Microsoft.“
Doug Lombardi ist Marketing Manager bei Valve und Eric Johnson Production Manager. Das Interview führte Oliver Welsh.