Dragon Age 2
Ernsthaft?
Das Inventar hat man sich auch vorgenommen und dort passieren ganz seltsame Dinge. Bei Meister Hawke ist alles normal. Rüstungsteile werden verteilt, Waffen gereicht, Ringe angesteckt, dann noch ein Amulett und die Welt ist schön. Jetzt wechselt man zur nächsten Figur und ist erstaunt. Nur die Waffe lässt sich tauschen. Die Rüstung ist definiert. Mit Anhängselchen kann man ihn auch ausstaffieren, aber eben kein eigener Look durch neue Rüstungen. Verboten. Warum? Was weiß ich denn. Wahrscheinlich war die entsprechende Design-Abteilung so stolz auf ihr ja nicht schlechtes Ergebniss, dass ihr bloß nicht damit hermupfuschen sollt. Nur ist dies wieder ein Punkt, an dem das Vergehen der Jahre in DA2 sich in keiner Weise wiederspiegelt. Nicht nur, dass die Stadt sich über diesen Zeitraum, selbst nach mittleren Katastrophen, nicht verändert, auch die Gefährten altern nicht und sehen dazu noch in jeder Phase des Spiels gleich aus. Ob jetzt sechs Tage oder sechs Jahre vergangen sind, lässt sich nicht sagen, solange es einem nicht gesagt wird. Fühlen wird man es beim Spielen nicht.
Zumindest klappt der Austausch der Waffen und Hawkes Rüstung dank einer bequemen Vergleichsoption denkbar simpel, sodass man schnell die aktuell beste Waffe in der Hand hält. Was den Wert der Dinge angeht, die man so findet, herrscht aber ebenfalls Verwirrung. Das Zeug, das man kaufen möchte, ist teuer wie eh und je. Alles, was man findet und veräußern möchte, ist (fast) nichts wert. In Origins sammelte man auch gelegentlich Ramsch ein, aber der Ramsch hatte wenigstens drei nette Zeilen zu bieten, sodass man wusste, was man da in der Hand hatte. Hier gibt es eine alte Hose oder einen Diamanten. Bei beidem steht außer „Loot" nichts dabei und wert ist beides praktisch genauso viel.
Seltsamerweise sehe ich auch beim Einsammeln auf den Konsolen nicht auf den ersten Blick, ob ich es haben möchte oder nicht. Kein Werte, keine Symbole oder ähnliches verraten mir, ob mir dieses Schwert nützt oder ob ich schon Besseres in der Pranke halte. Also wird gehortet und alle halbe Stunde einmal verglichen und ausgemistet, da der Verkauf sowieso nicht lohnt. Egal ob man das Standardschwert der schwachen Wache oder Glamdring persönlich zum Händler trägt, es gibt gleich wenig Silber dafür. Ein insgesamt sehr liebloser Umgang mit einem der Lieblingshobbys aller Rollenspieler, dem Horten und Ausstaffieren.
Die Kodex-Einträge haben im Gegensatz zu Origins auch ein wenig gelitten. Nicht so zahlreich, weniger umfangreich und zaghafter mit Hinweisen auf zu Entdeckendes gespickt. Die Qualität der Texte passt sicher, aber es ist ein Rückschritt gegenüber dem, was man aus früheren BioWare-Titeln kannte.
Zumindest die Qualität der Grafik, von einem ganz nüchternen Standpunkt aus betrachtet, hat sich bei den Konsolen-Versionen drastisch gebessert und liegt zwar noch leicht unter Mass Effect 2, aber schon im Rahmen dessen, was man heute erwarten kann. Die PC-Version zieht natürlich mit höherer Auflösung, mehr Details und der Möglichkeit des Herauszoomens erneut nach vorne weg. Ich sage bewusst von einem nüchternen, objektiven Standpunkt aus, da das Design der einzelnen visuellen Elemente deutlich weniger Eigenständigkeit als noch der Vorgänger und seine Add-Ons mitbringt. Diese bedienten sich auch aus den üblichen Fantasy-Töpfen, das übergreifende Bild jedoch hatte einen identifizierbaren Gesamtanstrich. Dieser Eindruck will hier nur sehr bedingt entstehen und das mag daran liegen, dass die Designs für Elfen, Darkspawn und einige Details überarbeitet wurden und in eine eher comicartige Richtung abdriften. Da dies wirklich sehr subjektiv ist, will ich gar nicht weiter darauf eingehen. Manchem gefällt es vielleicht besser, ich empfand diese Elemente hier als relativ beliebig.
Fast geschafft: Die Synchronisation. Erst einmal habt ihr bei jeder Version die Wahl zwischen Deutsch und Englisch, so dass ihr deswegen nicht auf Importe ausweichen müsst. In der deutschen Version hat man das recht hohe aber nicht gerade filmreife Niveau halten können. Beinahe jede Figur passt, keiner reißt nach oben und zum Glück auch nicht nach unten weg und das Gesamtklangbild darf sich als qualitativ hochwertig rühmen. Diesmal erstaunt jedoch, dass die englische Version eher zu leiden hatte. Das liegt in erster Linie daran, dass Origins mit den Sprechern von Alistair und Morrigan auf zwei sehr prägnante Stimmen Stimmen setzen konnte, während hier Hawke die meiste Zeit eher Kompetenz als Emotion ausstrahlt. Außer ihr wählt mal die „böse" Antwort, dann geht er ein wenig zu sehr aus sich heraus, wurde vom Ton-Studio aber heruntergemixt - wahrscheinlich damit die Boxen nicht platzen -, was am Ende den skurril-gespaltenen Eindruck der Figur noch verstärkt. Scheinbar ein mit guter Stimme gesegneter Sprecher, der jedoch noch nach seiner Rolle sucht. Schade, dass er sie in diesem Spiel nicht ganz fand.
Das trifft auf das ganze Spiel zu. Dragon Age 2 findet in diesen 30 plus irgendwas Stunden nicht zu sich selbst, was aber nicht heißt, dass es an Versuchen mangelte. Der generelle Ansatz muss noch mal gelobt werden: Statt einfach die nächste große Schlacht gegen die Darkspawn auszutragen, will es etwas ganz Eigenständiges versuchen und eine kleinere Geschichte mit einem sehr persönlichen Anstrich in einem sozial verschachtelten, aber räumlich begrenzten Gebiet schaffen. Das ist eine großartige, komplexe Idee, ein wundervoller Grundstein für fantastisches Rollenspiel und etwas, was in Zukunft weiter erforscht werden sollte.
Aber auch eine solche Geschichte muss dem Spieler eine Richtung geben, ein Interesse an den Figuren wecken, mit einem gesunden Maß an Exposition arbeiten und vor allem darf es sich nicht wie eine beinahe willkürliche Aneinanderreihung von Nebenmissionen anfühlen, die keinem bestimmten Ziel entgegenstrebt. Es ist nicht so, dass diese Geschichten schlecht wären, ganz im Gegenteil. Das ist immer noch BioWare und selbst an ihren mäßigen Tagen sind sie immer noch mit die Besten in diesem Fach. Aber ohne einen übergreifenden Bogen verlaufen all diese Bemühungen im Sande, hin zu einem denkbar schwachen Finale. Dragon Age 2 endet mit dem Beginn einer neuen Geschichte, die dummerweise viel interessanter klingt als alles, was es in diesem Spiel zu erleben gibt. Sollte es nur darum gegangen sei, den Charakter von Hawke für den nächsten Teil zu etablieren, dann ist man hier gnadenlos über das Ziel hinausgeschossen.
Es gibt aber immer noch mehr als genug Lichtblicke. Die beiden ganz großen und nicht zu unterschätzenden Stärken sind der Kampf, der ja einen guten Teil des Spiels einnimmt, und da hineinspielend das Fertigkeitensystem. Die Action-lastigere Konsolen-Version und die klassische PC-Taktik gehören zum Besten, was ihr derzeit im Genre findet. Beide bieten eine gute Abstufung aller Schwierigkeitsgrade, vom Casual-Gekloppe bis zum harten Taktieren, immer nur einen Hitpoint vom Abgrund entfernt. Selbst nach 30 Stunden geht man in die meisten Kämpfe noch motiviert hinein und man darf sich halt nur nicht davon stören lassen, dass diese in den immer wieder gleichen Dungeons ablaufen.
Zeit, um zum Schluss zu kommen: Was wir hier haben, ist eine dieser berühmten Enttäuschungen auf hohem Niveau. Daran ist nicht nur BioWares guter Name allein schuld, der sowieso schon eine hohe Erwartungshaltung generiert, Dragon Age 2 ist selbst bei nüchterner Betrachtung wenig mehr als ein etwas zerrissener Auftakt zu einer möglicherweise weit interessanteren Geschichte. Ein Bindeglied zu einem Spiel, das es eben noch nicht gibt und welches man normalerweise als Einstieg in das Kampfsystem und zur ersten Tuchfühlung mit der Spielwelt in wenigen Stunden abgehandelt haben sollte. So finden sich die Grundlagen in Form eines hervorragenden Kampfes und ein paar nette Figuren und Aufgaben, was alles zusammen immer noch ein gutes Spiel, aber eben kein herausragendes Abenteuer ergibt. Zusammen mit einem hoffentlich darauf aufbauenden Dragon Age 3 kann sich das noch ändern. Diese stellenweise schmerzhaft überlange Vorgeschichte in Form von Dragon Age 2 kann sich als essenzieller Schlüsselstein einer phänomenalen Saga herausstellen. Möglich ist alles. Derzeit jedoch hat dieses Spiel es jedoch sehr schwer, auf eigenen Beinen zu stehen oder mit der hausinternen Konkurrenz mitzuhalten.
Xbox 360 / PS3:
PC:
Dragon Age 2 ist ab dem 10. März erhältlich.