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Dragon Age 2

Ernsthaft?

Das neue System der Reichweite bietet aber gelegentlich auch Möglichkeiten, es sehr simpel auszunutzen. Wie man einen Drachen tötet? Ganz einfach. Nehmt drei Fernkämpfer und einen Tank mit. Befiehlt den Schützen, auf Distanz zu bleiben und geht mit dem Tank frontal auf das Viech. Zwei Schläge und dann nehmt ihr die Beine in die Hand, immer im Kreis herum. Der Drache scheint auf den Spielball vor ihm fixiert und folgt ihm brav, während ihn die Schützen und Magier ungestört spicken und braten können. Zugegeben, solche Exreme funktionieren auf allen Härtegraden, aber es ist am Ende doch die Ausnahme.

Während der normale Schwierigkeitsgrad gegenüber Origins deutlich entschärft wurde, haben es Hart und vor allem Albtraum immer noch in sich und sollten auch Profis genug zum Leiden geben. Das Balancing in dieser Richtung ist sehr ausgewogen und jeder sollte hier irgendwo seines finden. Notfalls lässt es sich ja jederzeit umschalten. Insoweit gibt es eigentlich auch zwei Kampfsysteme. Eines auf den ersten beiden Schwierigkeitsgraden, das durch das Buttonmashing mehr an ein actionreiches Spiel erinnert und dann die schwierige Variante, in der man immer wieder pausieren, dirigieren, über Taktik grübeln und Items optimiert einsetzen muss. Letztlich breche ich hier für beide Ansätze eine Lanze und selbst wenn ich mit dem ständigen Tastengedrücke nicht einverstanden sind, ist dies hier eines der tiefgreifenderen aktuellen Systeme, das sich hervorrangen spielt, gut durchdacht wurde und eine Zierde für dieses Spiel darstellt.

Auf dem PC wird diese enthusiastische Einschätzung noch gesteigert, schließlich gibt es hier nach wie vor die Möglichkeit, relativ einfach die Befehle per Mausklick zu verteilen, wie schon seit Baldur's-Gate-Tagen. Gruppen lassen sich markieren, auch das nervige Buttonmashing der Konsolen-Version ist hier in der Form nicht vorhanden. Die Klickrate ist zwar höher als im Vorgänger, aber das ist dem allgemein höheren Tempo anzulasten. Fünf Zoom-Stufen fördern zudem die Übersicht. Die entfernteste Perspektive deckt sich in etwa mit der zweitweitesten des Vorgängers. Der PC-Kampf spielt sich daher entspannter und noch einmal ein Stückchen taktischer, was man absolut als riesigen Bonus verstehen darf. Hier machen gerade die höheren Schwierigkeitesgrade noch einmal deutlich mehr Laune, weil sich die Taktik einfach besser handhaben lässt und angesichts der Masse an Kämpfen im Spiel - grob geschätzt 50 - 60 Prozent der Zeit werdet ihr damit zubringen - geht damit die Empfehlung schon mal jetzt die PC-Version. Auch, weil ihr nur dort vor dem Einsammeln von Items mit der Maus drübergehen könnt und gezeigt bekommt, ob es sich lohnt, diese Taste zu drücken und das Inventar zu belasten.

Die Gegner selbst... Nun ja. Sagen wir es so, es wäre schön, mal ein Rollenspiel ohne Riesenspinnen zu sehen, aber dieses hier ist es nicht. Überhaupt findet sich eigentlich kaum etwas Spannendes, was man töten könnte. Die Dämonen und Darkspawn kennt man aus Teil eins, sie sehen hier nur etwas hübscher aus.

Ein wenig nach Zombie-Karneval sehen die neuen Darkspawn-Designs schon aus.

Die Bosskämpfe bieten jetzt auch nicht ganz so große Innovationen. Riesengolem, Drache oder Dämon, das hatte man schon mal. Nicht, dass diese Kämpfe nicht fordernd oder ungenügend motivierend wären, selbst auf einfach gibt es hier ein paar fast schon zu steile Spitzen in der Schwierigkeitskurve nach oben und jeder Sieg ist ein echter für den Spieler. Aber die Taktiken und das Äußere hauen jetzt nicht vom Hocker.

Der Rest ist humanoid und heißt mal Sklavenhändler, Straßenräuber, Blutmagier oder abtrünniger Templer und sie kommen in den verschiedensten Härtegraden und Farben daher, lassen sich aber stets in die gleichen drei Grundkategorien von Krieger, Magier und Schurke einteilen. Das gilt selbst für die inhaltlich recht spannende Rasse der Qunari. Leicht anderer Look, gleiches Feel. Klar, kein Rollenspiel erfindet stets alles neu, im Gegenteil, aber Origins hatte wenigstens die Darkspawn und ihre Mythologie als etwas irgendwo Semi-Eigenständiges – zumindest vom Gefühl her und wenn wir mal kurz vergessen, dass Orks ja doch recht ähnlich sind – hier jedoch ist die Ausbeute besonders mager. Schade, denn man hätte schon annehmen können, dass die verschiedenen Kulturen, die hier kurze Auftritte haben, auch andere Kampftaktiken gegen den Spieler mitbringen würden. Das was da ist, ist nicht schlecht, nur das Besondere macht sich halt rar.

Als Ausgleich dafür kann man die Fertigkeitenbäume betrachten. Hier ging BioWare komplett in die Vollen und jeder einzelne Charakter hat zumindest eine oder zwei eigene Ausrichtungen, die nur ihm gehören. Insgesamt sind es sechs (!) Bäume pro Figur, Hawke spendierte man sogar noch drei Spezialisierungen. Diese Bäume unterscheiden sich zuerst danach, welche Klasse die Figur hat und bei den eigenen geht es darum, wer er ist und wo er herkommt. So haben die Dalish-Elfe oder der ehemalige Tevinter-Sklave eine fiese Form der Magie beziehungsweise einen ganz eigenen Kampfstil.

Mit der Anführerin der Stadtwache geht es auf eine liebevolle, niedliche Romatik-Quest. Das hier ist nicht diese Quest.

Jeder Baum hat bis zu acht oder neun Knoten und von den meisten davon gehen nochmal ein oder zwei Spezialisierungen ab, die diese Fertigkeit dann verbessern. Auf Kämpferseite haben wir beidhändige Waffen, Schwert und Schild, Anführer-Buffs und Ähnliches, während sich die Magier mit diversen Elementzaubern, Heilung, Beeinflussung des Feindes auf unzählige Arten und natürlich der Verbesserung der eigenen Statuswerte herumschlagen. Die Diebe können natürlich gut mit Schusswaffen und Dolchen, aber sind wie immer Profis darin, Leuten auf die verschiedensten Arten in den Rücken zu fallen.

Das System bietet jetzt an nur wenigen Stelle etwas, von dem ich sagen würde „Wow, das habe ich noch nie gesehen", aber die Zahl der Möglichkeiten, seinen Kampfstil durch die schiere Masse an Optionen auszubauen, gehört zum Besten, was es seit vielen Jahren in Rollenspielen gab. DA2 mag nicht so viele Stärken haben, aber dieses Maß an individuellem Ausbau des Charakters über die Fertigkeiten ist etwas Wundervolles. Darüber hinaus werden ganz simpel die üblichen sechs Grundattribute von Stärke, Klugheit und so weiter gesteigert, was im Falle des Diebes für Verwirrung sorgt. Statt das Schlösserknacken als Fertigkeit einzubauen, gibt es für alle zehn Punkte auf Klugheit eine Steigerung bei der Möglichkeit, Truhen zu plündern. Das hat den skurrilen Nebeneffekt, dass mein Zwergendieb – eh schon ein Kuriosum in sich – weit klüger endete als mein Magier. Naja, sowas kommt schon mal vor.

Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Dragon Age II

PS3, Xbox 360, PC

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