Dragon Age: Origins
Träumt von Drachen
Und das gilt für alle Geschichten, die euch das Spiel erzählt. Manche sind düster, manche lustig, manche triefen vor Klischeeliebe, andere erwischen euch völlig auf dem falschen Fuß, aber eines haben sie gemeinsam: Mit meinen vier bisherigen Charakteren und ausgiebiger Spielzeit kam mir keine unter, die nicht wenigstens gut bis hin zu hinreißend gewesen wäre. Und nicht nur das, die sehr unterschiedlichen ersten Spielstunden für jede Figur glänzen nicht nur für sich selbst, sie nehmen auch noch Bezug aufeinander. Spielt ihr beispielsweise erst einen adligen Zwerg und später die Geschichte eines Gossenzwerges, dann finden sich innerhalb der beiden Geschichten elegante Bezugspunkte, so dass man fast erwartet, seinem Alter Ego eines anderen Spielstandes über den Weg zu laufen.
Und Dragon Age mehrfach zu spielen, wird damit nicht nur zu einer Verpflichtung, sondern auch zu einem echten Vergnügen. Selbst wenn die etwa dreistündige, für jeden Charakter komplett eigenständige Einleitung, dann irgendwann doch zu demselben Hauptplot führen muss. Natürlich soll das Böse, genannt die dunkle Brut, bekämpft werden und der Schlüssel dazu sind die Grauen Wächter, die sich offensichtlich jeden Abend um ein Poster von Aragorn versammeln und ihn als ihren Gott anbeten. Ob nun Waldläufer oder Graue Wächter, der Unterscheid an dieser Stelle mag nicht gewaltig sein und auch sonst fällt es nicht schwer, im Groben und Ganzen eine Menge Parallelen zu anderen Fantasywelten zu ziehen. Wir haben Menschen, Elfen, Zwerge und die Brut sieht schon ein wenig nach Orks aus, zumindest einige von ihnen.
Ist das eine Katastrophe, ruiniert es die wundervollen Hintergründe der Figuren? Kein Stück. Nicht nur, dass die Welt, die Rassen und so ziemlich jedes Detail mit ebenso viel Liebe und Konsistenz gestaltet und beinahe schon über sich selbst erhoben wurde, es gibt auch in allem und jedem, was einem in Dragon Age bekannt vorkommt, einen kleinen, aber feinen Twist. Klar leben die Zwerge irgendwo im Keller unter dem Berg, tragen gerne Rüstungen und Bärte und ihre Frauen zeichnen sich durch gutmütige Gesichter aus. Im Hintergrund, hinter der Fassade eines Volkes, toben jedoch wilde Kämpfe zwischen Adelsgeschlechtern und ein elaboriertes, bombenfestes Kastensystem zeichnet kein nettes Bild der zwergischen Gesellschaft, die durchaus Worte wie Unter-Zwerg kennt und ernst meint.
Die Elfen sind hübsch und langohrig, da hört es aber auch schon auf. Ein gefallenes Volk, das seine gesamte Geschichte vergaß, lange Zeit als Sklaven der Menschen lebten und inzwischen immerhin bis zum freien Bodensatz aufsteigen konnten. Und die Menschen? Ihre Geschichte verbindet sich tief mit dem Hauptplot von Dragon Age, der ein komplexes Geflecht aus den drei Rassen, dem Kirchenklerus, damit verfeindeten Magiergilden und natürlich dem Ende der Welt – oder zumindest was in der Richtung – knüpft. Vor Jahren schon zogen die Entwickler Vergleiche mit den komplexen, bluttriefenden Geschichten und Welten George R.R. Martins. Nun, sie haben geliefert und an mehr als einer Stelle fühlt man sich genau daran erinnert. Auf die denkbar angenehmste Weise.
Inhaltlich gibt es also wenig Bedenken, dass Bioware seinem Ruf als Meistergeschichtenerzähler gerecht werden dürfte. Spielerisch solltet ihr dagegen nicht die Revolution erwarten. Hinter dem Gerüst des brillanten Storyaufbaus verrichtet ein ebenso solides wie unspektakuläres Modell aus Fertigkeitswerten, Talenten und klassenspezifischen Befähigungen seinen Dienst. Ganz als hätte man die Welt von AD&D noch nicht verlassen wollen.
Erfahrungspunkte, die bei jeder vollbrachten Tat über dem Kopf der Figur kurz zu sehen sind, werden brav gesammelt, dann steigt man einen Level auf und verteilt ein paar Pünktchen und sucht sich etwas Neues aus, was man dann als Spezialangriff, Zauber oder aus der Kategorie Sonstiges auf eine Schnelltaste legt. Im Zahlengerüst scheint sich seit dem ersten Baldur's Gate und, wenn man es genau nimmt, schon weit davor, nicht viel getan zu haben.