Dragon Age: Origins
Träumt von Drachen
Nicht dass das schlimm wäre, denn scheinbar funktioniert es so perfekt, wie man es von einem über die Jahrzehnte gereiften System erwarten darf. Gleiches lässt sich auch über den Kampf sagen. Am PC wird mittels Leertaste pausiert, so dass alle, die in panischer Angst vor Echtzeit kauern, aufatmen dürften. Auf der 360 müsst ihr indes den rechten Trigger betätigen, um in eine kurze Pause und ein kreisförmiges Aktionsmenü zu wechseln, in dem ihr - verknüpft mit weiteren Kreismenüs - die Vorgehensweise planen könnt. Auf dem PC dürft ihr zudem ihr zudem in den Himmel zoomen und das Ganze aus einer Neverwinter-Nights-Sicht angehen. Aber nicht auf der 360, da bleibt es Third-Person. Damit ihr nicht alle Mitstreiter einzeln koordinieren müsst, werden Standardsituationen – „Hör zu Krieger, wenn mein Magier attackiert wird, dann lenkst Du den Feind ab und ziehst die Angriffe auf Dich“ – in einem Menü auf Wunsch sehr detailliert und trotzdem elegant simpel zusammengeklickt, an das sich die NPCs dann auch brav halten. Aber nur auf dem PC. Ratet mal, wo nicht.
Es ist eine verblüffende Trennlinie, die Dragon Age hier zieht. Konsolenspieler erhalten das, was sie kennen: Third-Person, schnelles Gameplay, beinahe schon ein tiefer gestaffeltes Diablo in der Kampfumsetzung. Dazu fehlt die echte Gruppensteuerung, man schaltet schlicht zwischen den Partymitgliedern hin und her, lenkt immern nur einen, während der Rest sein Ding macht. Dank einer sehr brauchbaren KI ist das "Ding" okay und man kann es gut allein laufen lassen, ohne in ständiger Sorge leben zu müssen, dass es nicht zurückkommt, wenn es mal ein Monster entdeckte. In Ermangelung einer Maus machen diese Anpassungen und teilweise auch Vereinfachungen sicher mehr Sinn, als der krampf- und zwanghafte Versuch, die Quadratur des Kreises doch zu probieren und alle Tasten/Maus-Funktionen auf das Pad zu zerren. Persönlich kann ich sagen, dass mich diese Einschränkungen in der ersten Stunde zwar etwas verwirrten, aber danach eigentlich nicht mehr störten.
Die PC-Version weiß dagegen, dass hier jeder Rollenspieler wohlig warme Gefühle für die Vogelperspektive hegt und seine Party in Ruhe koordinieren möchte, bevor sie effektiv das gleiche tut, wie ihr ungebremstes Äquivalent auf der Konsole. Beide Systeme bedienen perfekt die Gewohnheiten der Plattformen und letztlich dürfte man nur deshalb der PC-Version ein wenig mehr Sympathie aussprechen, weil man sie bei Bedarf spielen kann wie die Konsolen-Variante. Umgekehrt ist das leider nicht möglich.
Wenn ich etwas an meinem Erstkontakt mit Dragon Age bekritteln möchte, dann wäre es wohl die Optik. Die Xbox-360-Version bleibt da derzeit – später Alpha-Build wohlgemerkt, also gewichtet das nicht zu schwer – hinter den Erwartungen zurück. Die Animationen der Charaktere stechen nicht nur heraus, weil sie ausgesprochen emotional und lebensecht wirken, sondern auch weil sie die Figuren betonen, die ihrerseits die Highlights in einer relativ tristen Umgebung darstellen. Nicht, dass das Design an sich schlecht wäre, ganz im Gegenteil, es ist mehr der Detailmangel vieler Objekte und der Verzicht auf Effekte jeglicher Art, der das Ganze doch wie die erste Generation der 360-Spiele wirken lässt. Am PC wirkt es alles weit geschliffener und man wird sehen, ob diese Differenz, wie vielleicht auch die Abweichungen im Gameplay selbst, nicht doch nur das Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungsstände der vorliegenden Versionen sind. Als Konsolenfan hoffe ich das natürlich, aber eigentlich wäre es mir egal.
Mit Dragon Age: Origins zeichnet sich sowohl auf PC als auch auf der 360 ein Ausnahmespiel ab. Zu sagen, dass ich nur ungern meine Preview-Version wieder herausrückte, wäre ein kleines Understatement. Es würde Geschrei, Drohungen, eine kurze, aber unblutige Geiselnahme – „Lasst mir Dragon Age, dann passiert dem Hamster nichts!“ – und eine Verfolgungsjagd außen vor lassen. Es ging mir bei diesen Verzweiflungstaten aber nicht unbedingt um das reine Weiterspielen. Ich wollte das Leben meiner Helden retten, die ich nun nie wiedersehen werde, da die Spielstände ebenfalls verloren sind. Selbst wenn es beim nächsten Durchgang so ähnlich läuft, werden es doch andere Helden sein. Sicher, ich werde sie auch lieben, aber zum Beipsiel nie erfahren, wie Solenas Geschichte zuende geht.
Dragon Age schafft mit seinen Figuren und Erzählungen, den Dialogen und Persönlichkeiten eine Bindung zu euren Figuren, die ich so nur aus der Pen&Paper-Welt kannte. Und dort auch nur aus sehr wenigen, sehr guten Runden. Kurz gesagt: Die Chancen stehen sehr gut, dass Dragon Age nicht das Rollenspiel wird, auf das ich seit dem Erscheinen der Xbox 360 wartete oder seit es Bioware gibt. Es könnte das RPG werden, auf das ich warte, seit ich das erste Mal einen Power-Schalter an einem spieletauglichen Gerät betätigte. Das ist eine lange Wartezeit, aber sie scheint sich dem Ende entgegen zu neigen und nicht umsonst gewesen zu sein.
Dragon Age: Origins wird am 6. November für PC und Xbox 360 erscheinen. Die PS3 Version kommt ein wenig später gegen Ende November.