Dragon Quest IX: Hüter des Himmels
Himmlisch!
Es ist schon viele, viele Jahre her, da waren Rollenspiele etwas Besonderes. Man konnte froh sein, wenn zu 16Bit-Zeiten vielleicht zwei bis drei RPGs pro Jahr den Weg in den Westen fanden. Und es war jedes Mal wieder ein Erlebnis, ein neues RPG zu beginnen. Das Gefühl, das Modul erstmals in der Konsole zu versenken, im Wissen, dass dort eine riesige Welt voller Abenteuer, Geheimnisse und Drama auf mich wartete, machte Spiele wie Lufia, Phantasy Star oder Breath of Fire gleich nochmal so schön.
Dieses Gefühl ging über die Jahre aber mehr und mehr verloren. Ob das an der inzwischen riesigen Auswahl an JRPGs oder deren oft fast schon penetrante Annäherung an fremdschämige Anime-Kost lag, wer weiß das schon. Doch Dragon Quest IX: Hüter des Himmels bringt es wieder zurück, dieses lang vermisste Gefühl der Aufregung und der freudigen Erwartung.
Dabei scheint Dragon Quest IX doch auf den ersten Blick alle, aber wirklich alle Klischees zu bestätigen, die der unbedarfte Spieler von Japans Lieblings-RPG pflegt. Die Figuren sehen aus wie irgendwelche Nebendarsteller aus Dragon Ball. Die Musik düdelt irgendwie so unterhaltsam-untermalend vor sich hin. Der Held spricht im ganzen Spiel kein Wort. Das Kampfsystem ist eine simple, rundenbasierte Angelegenheit.
Und als DS-Spiel bleibt Dragon Quest IX technisch natürlich weit, weit hinter den modernen HD-Möglichkeiten zurück. Kurzum: Auch Dragon Quest IX scheint das landläufige Vorurteil zu bestätigen. Die Dragon-Quest-Serie hat sich seit 1986 quasi nicht verändert und stellt das Sinnbild der JRPG-Stagnation dar.
Dem ist freilich nicht so. Ganz im Gegenteil, unter der klassischen Hülle verbirgt sich ein wunderbar progressives Rollenspiel, das besser als jedes andere JRPG der letzten Jahre klassische Werte mit modernem Design verbindet. Dragon Quest IX gibt all den alten Rollenspiel-Klischees endlich wieder einen Sinn. Die Leute in den Dörfern haben euch wirklich etwas zu sagen, versorgen euch mit wertvollen Infos und gelegentlich auch neuen Quests. Es ist tatsächlich wieder eine taktische Entscheidung, in welche Ausrüstung ihr beim Erreichen eines neuen Dorfes euer Geld investiert. Ihr habt endlich wieder das Gefühl, eine echte Welt zu bereisen anstatt einfach nur durch Schläuche zu rennen und Story-Checkpoints abzuklappern.
Und so verschiebt sich zunächst kaum merklich der spielerische Fokus. Bei einem Final Fantasy ist eure wichtigste Motivation die Handlung – ihr wollt stets wissen, wie es denn nun weitergeht. Dinge wie Leveln, Ausrüsten und Skill-Systeme werden mehr und mehr marginalisiert. Nach kurzer Zeit schwimmt ihr im Geld und könnt euch jede noch so mächtige Waffe leisten, die nötigen Skills nehmt ihr sowieso direkt unterwegs mit. Nicht so bei Dragon Quest. Hier fiebert ihr dem spielerischen Fortschritt entgegen. Welche Monster mögen sich wohl im nächsten Gebiet tummeln? Welche Items kann ich ihnen abluchsen? Hat der nächste Waffenhänder vielleicht ein tolles neues Schwert oder eine schicke Rüstung im Angebot?
Speziell eure Ausrüstung sorgt für jede Menge Motivation. Jeden Helm, jeden Stiefel, jede Rüstung und jede Waffe seht ihr direkt an eurer Figur, egal ob ihr im Kampf die Waffen schwingt oder durch die Oberwelt lauft. So wird es nicht nur euer Ziel, die Party möglichst effektiv auszustaffieren, ihr wollt dabei jetzt auch noch gut aussehen. Schnell ertappt ihr euch dann bei Überlegungen, ob ihr jetzt den hässlichen, aber etwas besser schützenden Hörnerhelm tragt oder vielleicht doch lieber noch etwas bei eurem Stirnband bleibt… Gemeinsam mit dem Skill-Tree und dem Klassensystem wird so die Charakterentwicklung zum stärksten Aspekt des Spiels.