Driver: San Francisco
Vorsicht, Geisterfahrer!
Hinweis: Ihr braucht Hilfe bei der Absolvierung der Aufgaben? Schaut in unsere Komplettlösung zu Driver: San Francisco.
Ein bisschen Respekt ist schon angebracht. Oder zumindest ein anerkennendes Nicken. Ich meine, wer würde schon mit Ubisoft tauschen wollen? Das neue Driver war nach einer ganzen Reihe gelinde gesagt verkorkster Fortsetzungen und Ableger unter Atari beziehungsweise Namco Bandai eine extrem schwierig zu bewerbende Angelegenheit. Nicht nur stand den Vermarktern die wankelmütige Serien-Historie im Weg, auch der recht exotisch erweiterte Funktionsumfang wird ihnen ordentlich zu schaffen gemacht haben.
Mit dem Shift-Feature stützt sich der Titel nämlich auf eine spielerische Geistreise, die in den Nüstern der Fans zunächst einmal so gar nicht nach brennendem Gummi riechen wollte: Protagonist Tanner entkörpert sich auf Knopfdruck in mehrere hundert Meter Höhe und saust in jedes beliebige Fahrzeug hinab. Quatsch eigentlich. Wie soll sowas gehen?
Noch dazu schielte Entwickler Reflections für diese massive Open-World-Umgebung auf 60 Bilder pro Sekunde, was es naturgemäß ein wenig schwierig gestaltete, das Spiel auf statischen Bildschirmfotos von seiner Schokoladenseite zu präsentieren. Nein, die Aufgabe, Driver: San Francisco als spätsommerlichen Blockbuster zu kommunizieren, war sicherlich keine einfache. Dennoch glaubte der Hersteller an den Titel - zum Glück, wie man mittlerweile sagen möchte.
Denn gerade die beiden erwähnten Risiken stellen sich im Nachhinein als die größten Pluspunkte des neuen Driver heraus - und das, ohne dass das Spiel zum Ein-Trick-Pony (Zwei-Trick-Pony?) würde. Reflections ist nicht weniger gelungen als das unterhaltsamste Spiel der Reihe. Gepatzt wurde nur in Details, während es die Briten gleichzeitig fertig brachten, den Spieler mit einer nicht enden wollenden Großzügigkeit erstaunlich lange an das Erlebnis zu binden.
Die Handlung nimmt dabei eindeutig auf dem Rücksitz des Drivers Platz. Oder sagen wir es anders: Man merkt recht schnell, dass die Shift-Mechanik den Leuten bei Reflections zuerst eingefallen ist und man daraufhin eine Geschichte schrieb, die dem körperlosen Car-Hopping einen halbwegs glaubwürdigen Untersatz verlieh. Als Superbösewicht Jericho während eines Gefängnistransportes spektakulär flieht, landet Protagonist John Tanner als Kollateralschaden im Krankenhaus. Einem solchen Terrier von einem Ermittler wird aber doch ein kleines Koma nicht die Ermittlungsarbeiten vernebeln!
Tanners Unterbewusstsein pickt sich nämlich noch auf der Hospitalpritsche die wichtigsten Infos aus den nebenher laufenden Nachrichtenreportagen zusammen und versucht ganz für sich, den Fall zu lösen. Das ist stellenweise sogar richtig lustig und wird mit gut gerenderten Schauspielern eingefangen. Allgemein vermisst man aber ein wenig Drama und der schleichende Gedanke, dass man hier unter Umständen auch nur die allerletzten Geistesblitze eines sterbenden Polizisten miterlebt, hätte dem Plot durchaus gut getan. Das Spiel startet gegen Ende ein paar solcher Versuche, ohne aber jemals den Eindruck zu erwecken, hier stünde wirklich etwas auf dem Spiel.
Auch Tanner selbst geht einem im Mittelteil ein wenig auf die Nerven. Zu lange tappt er körpertauschend und geisterreisend im Dunkeln, was seinen tatsächlichen Zustand angeht, während der Spieler ihm gedanklich schon mehrere Wagenlängen voraus ist. Immerhin muss man Reflections zu Gute halten, dass sie den Fall am Ende dann doch ganz nett auflösen. Und auch wenn die Geschichte im Ton ein bisschen zu hin und hergerissen ist zwischen Action, Drama und Comedy, um einen wirklich zu packen, so muss man ihr doch hoch anrechnen, dass wir ihr das Shiften zu verdanken haben.
Denn dieses Feature verleiht den Missionen im hübsch nachgebildeten San Francisco eine ganz neue Dynamik, ohne dass der Driver auch nur aus dem Wagen aussteigen müsste. Damit sparte sich Reflections klugerweise den nächsten zum Scheitern verurteilten Versuch, ein ergänzendes Zu-Fuß-Gameplay abzuliefern - eine Disziplin, die andere schon seit Jahren besser beherrschen.
Zwar gibt es für die Story-Missionen immer ein vorgegebenes Fahrzeug, zum Beispiel Tanners eigenen Dodge Challenger R/T oder eben die Autos (und Körper) anderer, oft auch krimineller Individuen, wenn es gilt, einen wichtigen Informanten unseres Deep deep deep deep Cover Polizisten vor der Festnahme durch die eigenen Kollegen zu bewahren. Doch nichts spricht dagegen, ab und an die KI das Lenkrad festhalten zu lassen, um mit einem 18-Wheeler-Lastwagen aus dem Gegenverkehr eine Straßensperre aus Metall und zerborstenem Glas zu errichten.
Wann immer ihr in einem Rennen ins Hintertreffen geratet oder ein Fluchtfahrzeug aus den Augen zu verlieren droht, ist es ratsam, in die Shift-Vogelperspektive zu wechseln, von der man im Verlauf bis zu drei Stufen freischaltet. So ist es mit etwas Übung und dem richtigen Timing kein Problem mehr, das Ziel zu stoppen oder zumindest etwas zu bremsen. Wählt einfach ein nichts ahnendes Vehikel aus der Spur gegenüber oder einen schnelleren Wagen aus der unmittelbaren Umgebung des Fliehenden und sorgt für Beulen.