Driver: San Francisco
Vorsicht, Geisterfahrer!
Dabei ist man immer auch zu einer guten Portion Übersicht angehalten: Die Geschwindigkeit, mit der sich die Boliden auf den Hin- und Gegenfahrbahnen entgegenkommen, ist schließlich recht schwierig einzuschätzen. Wählt ein zu nahes Fahrzeug von der Gegenspur und der versuchte Abschuss endet in der Leitplanke.
In anderen Missionen müsst ihr den Seelensprung sogar noch überlegter einsetzen: Etwa, wenn ein Transporter mit einer wichtigen Ladung mit einem Motorschaden liegen bleibt und aus allen Richtungen diebische Gangster herannahen. Hier wird es fast schon strategisch: Schätzt auf der Karte anhand der markierten Feindfahrzeuge ein, welches die unmittelbarste Bedrohung darstellt und bringt es um jeden Preis zum stehen, bevor ihr euch dem nächsten Aggressor zuwendet.
Andernorts gibt es zum Beispiel ein Straßenrennen zu absolvieren, in dem ihr gleich ein Zweier-Team an erfolglosen Fahrern auf den vorderen Plätzen über die Ziellinie bringen müsst. Es sind fast immer sehr gelungene und durchaus abwechslungsreiche Missionsziele, allesamt rund um das Fahren herum, womit Driver: San Francisco zweifelsfrei das konzentrierteste und ballastfreieste Spiel der Reihe ist - vom Debüt mal abgesehen, versteht sich.
Das Fahrmodell selbst überzeugt erneut auf der ganzen Linie. In der Mehrzahl haben wir es bei den über 120 Fahrzeugen zwar mit heckgetriebenen, schweren amerikanischen Klassikern zu tun, die gerne driften und in Kurven massiv Schieflage bekommen. Doch auch eine ganze Menge anderer Perlen sind dabei und lockern das Stadtbild bedeutend besser auf als die stets unheimlich katzenhaft zur Seite springenden und etwas detailarmen Fußvolk-Automaten. Auch nach dem Durchspielen der Kampagne habe ich hier noch Autos entdeckt, die mir spontan die Kinnlade herunterklappen ließen. A) weil sie so toll aussahen und B) weil ich sie in dem guten Dutzend Stunden zuvor nicht zu Gesicht bekommen habe. Dadurch erhält das freie Spielen neben der Handlung einen ganz eigenen Drive.
Wenn man mal nicht im Rahmen einer Bombenentschärfungsmission in einer Ford-GT-Flunder unter fahrenden Lastwagenaufliegern hindurch saust, kann man die Stadt nämlich vollkommen ungebunden erkunden oder zumindest so weit, wie man die Karte in Tanners Koma-Episode schon aufgedeckt hat. Hier findet man dann ungezählte Nebenmissionen - überhole X Autos in 30 Sekunden, Fahre mit einem Bus eine Minute lang konstante 80 Meilen pro Stunde, etc. -, mit denen sich exzellent die Zeit totschlagen lässt. Und dann sind da noch die an populäre Genrefilme angelehnten Challenges, die man durch das Finden einer vorgeschriebenen Anzahl an versteckten Filmklappen freischaltet.
Wie auch in der Hauptstory verdient ihr für erfolgreiche Fahrmanöver, Missionen oder Challenges die Währung Willpower. Diese investiert ihr in neue Autohäuser und stockt nach und nach euren Fuhrpark für den Free-Roaming-Modus dauerhaft auf. Der Suchteffekt, den es erzeugt, sich einen der wunderschön modellierten Supersportwagen nach dem anderen in die Garage zu stellen, ist nicht zu verachten, schließlich findet auch Tanner nicht alle Tage einen Lamborhini Gallardo zum Hineinshiften. Auch wenn ihr die persönlichen Ego-Verstärker aus eurer eigenen Garage in den Story-Missionen nicht benutzen dürft, lohnt es sich also, abseits der Story-Pfade zu wandeln.
Wenn ich meckern müsste, dann darüber, dass das frontale "Abschießen" eines Autos mit einem unbeteiligten Wagen immer die beste Lösung für ein Problem ist. Und das ist weniger dem Shift zur Last zu legen, als der etwas inkonsequenten Spielbalance. Martin Edmondson und Co. haben sich zum einen ein bisschen zu sehr auf das allmächtige Gummiband verlassen. Eine Design-Entscheidung, die einige Spieler richtig ärgern könnte. Diese KI-Hilfe skaliert rein theoretisch den Schwierigkeitsgrad des Spiels den Fähigkeiten des Users entsprechend. Leider führt sie in der vorliegenden Fassung ab und zu auch gerne mal dazu, dass gute Spieler auch bei perfektem Vollgas-Pendeln durch den Verkehr einen Verfolger nicht loswerden.
Wenn dabei oben rechts ein Zeitlimit heruntertickt, ist das schon ein bisschen ärgerlich. Ein gezielter Kleintransporter vor den Kühlergrill eurer Nemesis löst das Problem zwar meist in Wohlgefallen auf, doch es wäre wünschenswert gewesen, solche Missionen auch allein mit guter Fahrweise lösen zu können. Auch das funktioniert, aber eben nicht hundertprozentig zuverlässig. Ein weiterer Punkt, der dort hineinspielt und ein bisschen schade ist, ist, dass die KI-Fahrzeuge bei Kollisionen seitwärts so verbissen gegensteuern, dass es in voller Fahrt nur selten gelingt, einen Gegner gezielt am Gegenverkehr oder an einer Hauswand abzustreifen.