Singularity
Nimm dir die Zeit
Jetzt wird es brenzlig. Der Typ auf dem Mauervorsprung zielt mit seinem Raketenwerfer direkt in Eure Richtung. Euch bleiben nur Bruchteile von Sekunden, bis die Rakete Euren Körper in Fetzen reißt. Normalerweise. Doch der Bursche hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ihr verlangsamt die Zeit. Alles um Euch herum bewegt sich träge wie ein in ein Glas Honig gefallener Käfer.
Mit bloßen Händen pflückt Ihr die Rakete, die Momente vorher noch Euer Leben bedroht hat, aus der Luft und dreht sie einfach um. Es fehlt nur noch der Stempel „Zurück zum Absender“. Die Zeit läuft wieder etwas schneller. Die Kamera bleibt jetzt dicht über der Rakete und verfolgt dessen Flugbahn. Fast wie bei den Kugeln aus dem Scharfschützengewehr in Max Payne 2. Spektakulär lenkt Ihr das Geschoss zurück zu seinem Besitzer.
Was ist denn jetzt los? Entwickler Raven zeigt noch einmal Wolfenstein? Aber wieso ragt im Hauptmenü eine Hand mit einer Sichel aus dem Meer? Ach so, das ist Singularity. Ein weiterer Ego-Shooter der Amerikaner, der sich versucht, mit Grau-in-Grau-Optik und ein paar neumodischen Effekt-Haschereien in Eurer Herz zu schleichen. Diesmal allerdings mit einer Hintergrundgeschichte, die in den 50er-Jahren spielt.
Und mit der Unreal Engine 3. Verwunderlich, dass sich die beiden Spiele trotz der unterschiedlichen Technikkerne so ähnlich sehen. „Zeit ist Eure Waffe. Und Euer Feind in Singularity“, weckt ein asiatisch aussehender Präsentator meine Neugier. Der Name des Asiaten lautet Kekoa Lee-Creel, er arbeitet als Produzent bei Raven.
Um Euch herum schweben Geister. Abziehbilder von Menschen, die früher in diesen Labors gearbeitet haben. Oder sind diese halb durchsichtigen, grauen Gestalten gar keine Geister? Realität und Fiktion zu unterscheiden, fällt schwer auf dieser Insel. Also noch mal für das Protokoll: Ihr seid Pilot der US-Air-Force. Euer Flugzeug ist abgestürzt. Auf dieser Insel. Auf dieser von gefährlichen Mutantenwesen und russischen Soldaten bevölkerten Insel. Der Kalender zeigt das Jahr 2010. Aber irgendwie ist es auch 1950. Zum Beispiel gerade jetzt. Wie durch ein Fenster blickt Ihr in die Vergangenheit, beobachtet einen Wissenschaftler, der sich an einer Art Pflanze zu schaffen macht. „Was zur Hölle ...?“, entfleucht es Eurem Alter Ego. Plötzlich dreht der Mann sich um und spricht Euch an: „Seien Sie gegrüßt, Captain Rico. Mein Name ist Doktor Victor Bysov.“ Himmel, er kann Euch sehen!
„Ich weiß nicht, wie lange Sie hier sein werden, also muss ich mich beeilen“, verrät Bysov in gebrochenem Englisch mit russischen Akzent. Euch brennen Fragen auf der Zunge, dutzende Fragen. „Was geht hier vor sich? Wo sind wir?“, sprudelt es aus Eurem Mund. „Wir haben wenig Zeit, bitte lassen sie mich reden“, fährt Euer Gesprächspartner fort. Ein Unfall sei geschehen. Vor über 50 Jahren. Ein gewisser Nikolai Demichev sei der verantwortliche Narr. Ihr sollt ihn stoppen. Und zwar schnell. Euch ist das erstmal egal. Ihr wollt nur Hilfe rufen, um von dieser verfluchten Insel zu verschwinden.
Bysov ist damit nicht einverstanden. „Man wird Sie verraten! Millionen werden sterben, vielleicht mehr!“ Der Kerl wird lästig. „Doc, ich habe einen echten Scheißtag hinter mir. Und Sie machen ihn nur noch schlimmer. So lange Sie mir nicht helfen können, ein S.O.S.-Signal zu senden, gehen Sie mir zum Teufel noch mal aus dem Weg!“ Die letzten Worte habt Ihr einzeln und betont langsam gesprochen, damit Ihr Gegenüber sie auch genau versteht.