Exklusiv: Crysis
Weltexklusiv: Eindrücke von vorderster Front.
Weniger beeindruckend hingegen die Geschichte. Jake „Nomad“ Dunn (das seid Ihr!) wird als Mitglied einer verdeckten US-Einsatztruppe auf eine von nordkoreanischen Truppen besetzte Insel geschickt, um das Verschwinden einer Gruppe von Archäologen aufzuklären. Hollywood-Actionfilm-Routine eben. Ebenso routinemäßig geht der Auftrag ordentlich in die Nano-Hose. Das Team wird getrennt und nach und nach von mysteriösen Angreifern außerirdischen Ursprunges aufgerieben.
Die Geschichte macht im Vergleich zu FarCry nicht unbedingt die größten Sprünge, sie ist allerdings bedeutend besser präsentiert. Um in Hollywood-Sphären zu bleiben: Wenn FarCry eine Monsterklamotte alà „Die Insel des Doktor Moreau“ war, dann ist Crysis ein Sommerblockbuster der Marke „Independence Day“. Mit allen Nach- aber auch Vorteilen.
Wen kümmert es schon, dass die Charakterriege wieder einmal fast nur Stereotypen bietet (britische Schlägertype, afro-amerikanischer Sergeant), wenn man sich derart flexibel durch die derzeit schönsten Spielumgebungen der Welt kämpfen darf? Eben.
„Wir nennen das ‚Outsmart Gameplay‘. Der Spieler soll nicht schneller reagieren als der Feind, sondern intelligenter.“ erläutert Cevat Yerli den Ansatz von Crysis. Damit er das auch kann, muss man ihm allerdings Freiheiten geben. Der FarCry-Mix aus frei begehbarer Landschaft und anpassungsfähiger KI wurde um maßgebliche Komponenten erweitert. „Weil Umgebung, Waffen und der Held nun jeweils eigene Freiheiten zulassen, kann der Spieler Crysis wie seinen bevorzugten Shooter spielen“. Und diese Beschreibung trifft den Ablauf von Crysis sehr, sehr gut.
Prinzipiell hetzt der Spieler wieder einmal über eine offen angelegte Insel von einem Missionsmarker zum nächsten. „Schließlich sollten sich FarCry-Spieler gewissermaßen wieder wie Zuhause fühlen“ erklärt Sten Hübler, Lead Level Designer von Crysis. Den Weg dorthin wählt er meist selbst und oft erhält er die Gelegenheit, abseits der Route noch einzelne „Action Bubbles“ – so der interne Crytek-Begriff für die einzelnen Camps, Bunker und Gefechtszonen, die über die Insel wie über eine Art Oberwelt verteilt sind – zu entdecken.
In den Passagen die wir spielen durften, erwies sich das als erstaunlich probater Mittelweg aus der totalen Freiheit des Sandbox-Gamings und dem befriedigenden Gefühl, im Rahmen einer Geschichte voran zu schreiten, das uns sonst eher Spiele der linearen Sorte spendieren.
Es sind sozusagen viele kleine Sandkästen, die auf einem recht breiten Weg zum Ziel verstreut wurden. „Wir steuern [den Spieler] schon, aber er bekommt das nicht mit.“ zwinkert uns Cevat zu. Und er hat recht. Wir verlieren unser eigentliches Ziel zwar nie aus den Augen, treiben aber trotzdem regelmäßig sandkastigen Schabernack – allein, weil wir es können. Oft genug ertappen wir uns dabei, wie wir uns einen Spaß daraus machen, den feindlichen Soldaten den Schrecken ihres Lebens einzujagen, tragen vor Feuergefechten erst noch eine Meeresschildkröte wie Mutters Meißner Porzellan-Terrine aus der Gefahrenzone oder marschieren aus reiner Neugierde heraus einfach in die Pampa hinein, um dort minutenlang wie hypnotisiert auf einen idyllischen Flusslauf („Hach… wo der wohl hinführt?“) zu starren – wir tun, wonach uns der Sinn steht und folgen letztendlich trotzdem dem Plan Cevat Yerlis.
Dass wir diese Fremdbestimmung nur selten bemerken, liegt daran, dass uns die Nano-Suit so mächtig macht. Die FarCry Spiele haben schon immer gerne die Rolle von Jäger und Gejagtem vertauscht. Der Spieler war derjenige, der sich im Schutze des Dickichts auf die Pirsch nach seinen Feinden machte – und diesen Gedanken kultiviert Crysis noch weiter.
Indem man das Mausrad gedrückt hält, beschwört man ein ringförmig angeordnetes Menü, aus dem per Mausgeste in die entsprechende Richtung eine (und immer nur eine zur Zeit) von fünf Optionen wählt: Armor, Speed, Strength, Cloak und Customization. Während Letzteres auch über die C-Taste erreichbar ist und Bastelarbeiten am gewählten Kaliber ermöglicht (dazu später mehr), beinhalten die ersten vier Kommandos die Grundfunktionen der Nano-Suit.