F.E.A.R. 3
Von Blut und Gewalt
Eigentlich bin ich ja ein friedlicher Mensch. Ich verabscheue reale Gewalt, würde mich grundsätzlich als Pazifist bezeichnen und brauche keine fiesen Splatter-Effekte, um einen Horror-Film gut zu finden. Doch bei einem Titel wie F.E.A.R. 3 gehört für mich das zügellose Zerlegen der Klongegner einfach dazu. Das war schon bei den Vorgängern so und ist für mich auch beim dritten Teil einfach ein wichtiger Bestandteil der Erfahrung. Diesmal geht Entwickler Day 1 aber noch einen Schritt weiter. Mit der richtigen Waffe lassen sich nun auch Arme und Beine abballern, eigentlich ein Unding, das mich schon bei Soldier of Fortune zur Weißglut brachte. Trotzdem fehlte mir etwas, als ich zur Simulation der deutschen Version in den Optionen die Gewalt auf ein „erlaubtes" Maß herunterschraubte.
Es mag pervers klingen, aber zu solch einer gnadenlosen Horrorvision passt einfach dieser Wahnsinn, der sich mit jeder gut gezielten Gewehrsalve auf dem Bildschirm materialisiert. Das ist ein wenig wie bei einem Zombie-Spiel. Hier hat das Zerlegen etwas Taktisches an sich, die Wesen auf dem Bildschirm sind wie die Klonsoldaten keine Menschen mehr. Sie schreien und leiden nicht, sondern bewegen sich unaufhaltsam auf euch zu. Egal ob mit einem oder zwei Armen, mit beiden Beinen oder nur auf ihren Händen. Das passt einfach zu diesem Szenario, auch wenn ich es im tiefsten Innern abscheulich finde.
Leider hört die deutsche Zensur nicht bei diesem diskussionswürdigen Element auf, sondern schließt auch Blut und Ragdoll mit ein. Wer sich F.E.A.R. 3, aus Deutschland besorgt, muss mit einem fast klinischen Erlebnis klarkommen, dass nur wenig mit der blutigen Version der amerikanischen Fassung gemeinsam hat. Während zwar auch hierzulande überall zerfetzte Leichen herumliegen, lösen sich getötete Gegner in schwarzen Rauch auf. Noch dazu bekommt ihr ohne Blut deutlich weniger Trefferfeedback. Das Spielerlebnis wird dadurch stark eingeschränkt und klar geschmälert. Welche Auswirkungen das auf die Note hat? Dazu später mehr.
Doch auch das restliche Spiel wurde diesmal noch stärker auf Horror getrimmt. Mit verantwortlich dafür ist Wes Craven, der als Berater seine Finger mit im Spiel hatte. Die Geschichte der beiden Brüder Paxton Fettel und Point Man wird hier zu einem durchgeknallten Familiendrama. Euer eigenes Fleisch und Blut, das ihr eigentlich im Vorgänger getötet habt, begleitet euch als Geist durch die komplette Spielerfahrung. Im Einzelspieler-Modus leider nur in den Zwischensequenzen. Wer sich ohne einen Freund durch F.E.A.R. 3 ballert, erlebt spielerisch im Vergleich zum Vorgänger nur wenige Änderungen. Ihr kämpft euch aus der Ego-Perspektive mit Hilfe der Zeitlupenfähigkeit in linearen Levels durch Horden von Gegnern, erlebt immer wieder verstörende Skriptsequenzen und dürft zwischendurch mal wieder einen Mech besteigen. Neu ist nur das Deckungssystem, das ein wenig an Killzone 3 erinnert, auf dem normalen Schwierigkeitsgrad aber nur selten eingesetzt werden muss.
Die komplett neue Spielerfahrung als Geist erlebt ihr offline nur, wenn ihr das Spiel vorher einmal als Point Man samt Zeitlupenfähigkeit durchspielt oder aber mit einem Freund in den Kampf zieht. Immerhin: Dadurch wird der Wiederspielwert stark erhöht, was auch dringend notwendig ist, weil man den Titel auf Normal in fünf bis sechs Stunden durchspielt. Zusammen mit einem Koop-Partner geht es auf Leicht bestimmt auch in vier Stunden. Dazu muss man dann aber die recht langen Zwischensequenzen und die überraschend packende Story wegdrücken.
Klar geht es auch diesmal in Richtung Alma, die von einem Mitarbeiter von Armacham geschwängert wurde und deren Geburtswehen das Gefüge des Universums zu zerreißen drohen. Doch seitdem ihr wisst, dass Alma eigentlich eure Mutter ist, wollt ihr sie nicht einfach ausschalten, sondern ihr helfen. Aus der dumpfen Kill-Mission wird so ein interessantes Geflecht aus Bruderliebe und verstörenden Kindheitserinnerungen, die die beiden Brüder immer noch mit sich herumtragen. Schnell wird klar, dass hier die Kapitalisten von Armacham die eigentlichen Monster sind. Ihre Experimentierfreudigkeit, ihre Suche nach dem perfekten Soldaten und dem perfekten Anführer hat die Welt erst an den Rand des Abgrunds gebracht. Eine recht klassische Story, die aber hier einfach hervorragend passt und für eine dichte Atmosphäre sorgt, auch wenn die einzige menschliche Bezugsperson, die Wissenschaftlerin Jin, die ganze Zeit eher blass bleibt.
Ein weiterer wichtiger Schritt für die Fortsetzung ist die Einführung neuer Gegner. Die Klonsoldaten von Armacham, die weiterhin durch ihre Intelligenz für packende Kämpfe sorgen, werden durch die durchgeknallten Einwohner des Städtchens Fairport ergänzt. Diese wurden durch den psychischen Ausbruch von Alma in den Wahnsinn getrieben und stürzen sich nun todesmutig auf euch. Die meisten im Nahkampf, schmerzunempfindlich und wie Zombies, selbst wenn ihr ihnen ihre Körperteile abschießt. Manche tragen Sprengstoffgürtel, manche einfach nur Messer und Werkzeuge. Ihre Hartnäckigkeit sorgt dabei für einen Schrecken, der wirklich nervenzerreißend ist.