Fairytale Fights
So schön das Märchen, so fies das Leben
Hänsel und Gretel? Klar kenne ich die Geschichte. Das ist doch die, in der ich das zweiköpfige Mutantenmonster HänselGrete, das vollkommen auf Zuckerflash durch Candy-Castle marodiert, in den Ofen schmeiße, kurz nachdem ich den Rattenfänger von Hameln in seiner eigenen Todesorgel mit einem Feuerschwall schön knusprig röstete. Jetzt nervt nicht, ich muss los, um der Hexe zu geben, was sie verdient hat und ich kann euch sagen, es wird ROT werden, so richtig schön ROT! Und ich hab Goldlöckchens Haferbrei wieder, damit sie endlich den Cold Turkey des Puddingentzugs abschütteln kann, während ich mich nebenbei um die Prinzessin "kümmere". Die Biatch weiß, was kommt. ROT, sage ich euch, ROOOT!!!
Nein, Gefangene macht Fairytale Fights nicht und selbst wenn man sich hier einfach nur wild bei den Grimms bediente und das nicht mal der erste Versuch ist, der in dieser Richtung unternommen wurde – ihr kennt doch die Schneewitchen-Verfilmung mit Sigourney Weaver und Sam Neal, in der es Schneewittchen mit dem siebten Zwerg treibt, nachdem der Prinz aus dem 28. Stock des Schlosses geschubst wurde? –, steht Playlogic mit seinem Massaker im Märchenland nicht hinten an.
Vier ehemalige Helden - Rotkäppchen, Schneewittchen, der Kaiser ohne Kleider und Hans mit der Wunderbohne – wurden aus dem Business geschubst und suchen nun verzweifelt nach Anerkennung in einer komplett verdrehten Welt. Gute sind böse, Böse noch böser und alle bluten, wenn sie getroffen werden. Außer der Lebkuchenmann. Der krümelt. Aber selbst wenn es nicht blutet, kann man es töten.
Liebevoll wurde jede Figur, alle Wölfe, Holzfäller, Zwerge, besagte Lebkuchenmänner und viele mehr designed. Jedem merkt man die aufrichtige Zuneigung der Grafiker an, die sie hatten, als sie aufwendig von Hand jedes Detail entwarfen. Die Hingabe der Feinheiten, sobald ihr mit einer Kettensäge ein kleines Schoßhäschen in der Mitte zerteilt. Wundervoll. Damit aber nicht genug, die Grafik überhaupt springt einen förmlich an und will geknuddelt werden.
Der oftmals weite Blick in die Ferne der Landschaft verblüfft mit einem Riesen, der sich über das gesamte einsehbare Tal im Hintergrund lümmelt oder die Weite des Parcours zur Prinzessinnen-Rettung. Hier hatte jemand eine Vision und die Mittel, sie Wirklichkeit werden zu lassen. Und hätte er jetzt auch noch einen Spieldesigner mit an Bord geholt, dann hätte dieses Märchen auch ein glückliches Ende gehabt. So sind wir jetzt aber an der Stelle der Geschichte angekommen, an denen ihr das Buch zuschlagt und den Kindern erzählt, dass alles gut ausging. Die Wahrheit wird nämlich schmerzhaft.
Die erste halbe Stunde, vielleicht auch eine ganze, sofern ihr mit zwei bis drei Leuten unterwegs seid, scheint die Welt in Ordnung. Das Prügelsystem erfordert nun wirklich nicht viel Einarbeitungszeit. Mit dem linken Stick wird gelenkt, mit dem rechten ausgeteilt. Drückt einmal in eine Richtung für den Start der Kombo, danach variiert ihr wild die Richtungen, um verschiedene Attacken auszuführen. Haltet ihr den Stick vor dem ersten Schlag kurz gedrückt, wird es eine aufgeladene Attacke mit mehr Wucht. Nur stellt sich sehr schnell heraus, dass dies wirklich schon alles war und, sofern es wirklich ernsthaft verschiedene Kombos gibt, die sich lohnen – ich habe auch nach zig Stunden immer noch Zweifel –, passieren sie sowieso eher zufällig. Hackt immer in Richtung des Feindes und ihr fahrt mit Abstand am besten. Frontallappen in Stand-by-Modus, das Kleinhirn kann den Daumen gut allein bedienen.
Warum man das Konzept nicht auf die Knöpfe umbelegen kann, verwundert angesichts der Sinnlosigkeit der möglichen Richtungen auch ein wenig. Am Ende des Tages ist das ein Buttonsmasher, nur dass der Weg des Smashens künstlich verlängert wurde und einem so mit jeder Stunde mehr auf den Keks geht. Für ein Minimum an Abwechslung sorgt die sich automatisch aufladende Superattacke. Im Matrix-Style hüpft ihr zwischen den Angreifern hin und her und sliced sie in einer netten und hübsch morbiden Nahaufnahme. Effizient und als praktisch einzige wichtige Variation des Grundschemas sehr willkommen.
Eigentlich sollte das simple System aber kein Problem sein, denn es gibt eine gute Auswahl an Waffen. Leider spielt es in der Ausführung nicht die geringste Rolle, ob ihr ein Vogelnest, einen Riesenlolli oder eine Kettensäge in der Hand habt. Der Schaden, den sie verursachen, unterscheidet sich, die Handhabung und Spielweise nicht im geringsten. Immer noch heißt es in die Richtung, links, rechts, Sieg, Nächster. Und die Schusswaffen sind mit ihrer stark limitierten Munitionszahl und „Mal in die Richtung halten und gucken, was passiert“-Präzision sowieso mehr Gimmick als Notwendigkeit.