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Fight Night Champion

Ohne Konkurrenz. Buchstäblich.

Wer nur den Titel liest, könnte meinen, EA sei dem Größenwahn erlegen, den es so mit sich bringt, wenn man jahrelang als einziges Boxspiel mit einem ernstzunehmendem Budget die komplette Zielgruppe hinter sich vereint. Steckt man aber seine Nase ein bisschen tiefer hinein in Fight Night Champion, wird man bemerken, dass man EA vieles vorwerfen kann, nicht aber, sich in seiner Funktion als unangefochtener Titelverteidiger einen Rocky III geleistet zu haben: Satt und zufrieden ist hier niemand.

Zudem verweist der "Champion", den der Markenname nun hinter sich herträgt, eigentlich nur auf einen neuen Spielmodus. Wo vergangene Fight-Night-Karrieren den Esprit einer randvollen Excel-Tabelle versprühten, will euch EA Canada nun mit einer kompetent integrierten Rahmenhandlung und guten virtuellen Darstellern ein interaktives Box-Drama präsentieren.

Als Amateur-Mittelgewicht André Bishop startet ihr in die Geschichte, bevor euch vom Leben – das in diesem Beispiel exquisiten Nadelstreifen trägt – übel mitgespielt wird und er sich an die Spitze zurückkämpfen muss. Im Grunde ist es die klassische Underdog-Story. Tausendmal gehört, nicht besonders originell und mit den üblichen Archetypen besetzt: Der kleine Bruder, der aus dem Schatten des Protagonisten heraustreten will, ist ebenso mit dabei wie der über die Gebühr böse amtierende Champ, der hinterlistige Box-Promoter und der raubeinige Trainer mit dem Herz aus Gold. Nicht besonders tiefgründiger Stoff, aber – meine Herren – die Regie, die Charaktermodelle und die dazugehörigen Performance- und (englischen) Stimm-Captures der überzeugenden Darsteller genügen höchsten Action-Adventure-Ansprüchen.

Ratet, wer der böse ist.

Einen Direktvergleich mit L.A. Noire dürften diese insgesamt knapp 45 Minuten Filmsequenzen vermutlich verlieren, aber hey, das ist noch nicht einmal erschienen. Bis dahin bleiben die virtuellen Figurendarstellungen in FNC neben Heavy Rain und Uncharted 2 die besten, die es derzeit zu sehen gibt.

Im Grunde sehe ich es sogar noch vor Quantic Dreams Thriller und Uncharted hat einfach diese dezent stilisierte Qualität, die einen Vergleich etwas müßig macht. Der Champion hat einfach diese Momente, in denen verschwindend kleine Regungungen im Gesicht der Figuren dafür sorgen, dass man kurz meint, hier einen Realfilm vor sich zu haben. Große Klasse! Technik und Umsetzung überzeugen auf ganzer Linie und man will wissen, wie es weitergeht – obwohl man es im Grunde schon weiß. Die knapp fünfstündige Kampagne nutzt die Rahmenhandlung im Prinzip recht geschickt, um euch verschiedenen, spannenden Kampfsituationen auszusetzen – eine Idee, die dem mittelmäßigen Don King Boxing vor drei Jahren seine einzige Existenzberechtigung verlieh. Das ist im Grunde aber auch schon das Beste, was man über den Champion-Modus sagen kann, denn die Umsetzung ist nicht vollständig überzeugend. Beispiele gefällig?

In einem Match etwa bemerkt euer Trainer in der Pause vor der zweiten Runde, dass die Ringrichter offensichtlich geschmiert sind und sich den Kampf nicht einmal wirklich angucken. Eure Aufgabe: Den Knilch gegenüber mit einem K.O. zu besiegen. So weit, so voll o.k. In einem anderen Match brecht ihr euch jedoch die rechte Hand, woraufhin ihr diese nicht mehr richtig einsetzen könnt. Das ist eigentlich eine spannende Idee, da der Gegner aber ebenfalls noch da ist und sich recht gut gegen einen einarmigen Boxer zu verteidigen weiß, wird das Spielgeschehen dadurch nur ziemlich hektisch.

Kleiner Tipp: Der hier ist es nicht.

Noch abstruser wird's im nächsten Kampf: Ihr sollt der Menge beweisen, dass euer "Gute-Nacht"-Arm wieder genesen ist und wieder die nach zement schmeckende Gerechtigkeit regnen lassen kann. Ein Knockout mit Rechts muss her. Da man Game Over geht und noch einmal kämpfen muss, wenn man diese Vorschrift nicht befolgt, musste ich den Kampf notgedrungen viermal angehen: Beim ersten Mal siegte ich nach Punkten. Game Over.

Beim zweiten Mal knockte ich den Gegner in Runde vier schwer an, streckte ihn in einem etwas zu unkoordinierten Schlagabtausch aber versehentlich mit Links zu Boden. Game Over. Dritter Versuch: Guter Kampf, Knockdown mit Rechts in der dritten Runde. Der Knabe hat aber noch nicht genug, rafft sich wieder auf. Eine Runde später besiegelt ein Lucky Punch aus dem Nichts seine fünfstellige Krankenhausrechnung. Leider mit der linken Hand. Im vierten Versuch hab ich es dann aber doch hinbekommen: Ich habe einfach nur noch mit rechts geschlagen, sobald der Gegner in den Wackeldackel-Modus umschaltete. Diese eigentlich so viel versprechende Karriere-Variante leistet sich noch mehrere dieser Schoten, die dafür Sorgen, dass viele Matches nicht wie wirkliche Boxkämpfe verlaufen. Hin und wieder wünscht man sich regelrecht, EA würde einen einfach mal machen lassen.