Fight Night Champion
Ohne Konkurrenz. Buchstäblich.
Es sei aber gesagt, dass das nicht ausreicht, um den Modus zu versauen. Man spielt ihn durchaus interessiert durch, freut sich über die tolle Präsentation und bekommt einige richtig schön hassenswerte Kotzbrocken vor die Fäuse. Aber wenn man ehrlich ist, wurden hier massiv Chancen verschenkt, den Spieler noch stärker in das Geschehen einzubinden. Ihr nehmt keinerlei Einfluss auf Andrés Entscheidungen oder seine Entwicklung als Kämpfer, sondern fightet euch einfach von einer Zwischensequenz zur nächsten. Besser wäre gewesen, den Champion-Modus mit den Freiheiten des verbesserten Legacy-Modus zu koppeln. Hier hätte der User sicher auch mehr Identifikation mit dem Helden verspürt.
Diese ausufernde Karriere mit all ihrem Bürokraten-Charme gibt es nämlich immer noch. Sie bleibt mit dem starren Ablauf – Kampf/Training/Kampf und Unmengen an indentischen E-Mails im Spiel-Posteingang – zwar ein weiteres Mal ein wenig dröge. Dennoch liegt sie in Fight Night Champion in ihrer bislang besten Ausführung vor und dürfte Leute, denen es nur um das Erlebnis im Ring und den Aufbau ihres ganz persönlichen Einsteckerziegelsteins geht, viele Stunden gut unterhalten.
Das ist vor allem dem neuen Erfahrungspunkte-System zu verdanken: Für Fights, das Erfüllen bestimmter Bonusziele im Verlauf eines Matches sowie für unterschiedliche Skill-Trainingseinheiten – wie gehabt in teils bekannten Mini-Games dargereicht – erhaltet ihr EXP, mit denen ihr 22 Eigenschaften eures Kämpfers verbessern könnt.
Während eure physischen Attribute wie Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit von automatisierten Athletiktrainings auf Trab gehalten werden, steigert ihr gegen gewonnene Erfahrungspunkte jeden der zehn einzelnen Schlagtypen, eure Resistenz gegen Kopf- oder Körpertreffer sowie eure Blockstärke und formt damit zwangsläufig einen bestimmten Typ Boxer.
Da die erforderlichen Zähler für einzelne Werte exponentiell anwachsen, muss man hier einen gewissen Willen an den Tag legen und sich auf eine bestimmte Spielweise zu fokussieren. Ein bisschen indifferent ließ mich die Tatsache zurück, einige Perks auch online gegen echtes Geld kaufen zu können. Diese sind allerdings auch ohne weiteres im normalen Spielbetrieb freizuspielen, weshalb ich EA dafür nicht unbedingt einen Haken verpassen möchte.
Auch wenn der Modus allgemein ein wenig an Persönlichkeit vermissen lässt – echte Fehden mit anderen Boxern gibt es nicht, das Drumherum des Boxzirkus wird nur angerissen und bei der Trainingsplanung stellt sich schnell auf einen gewissen, immer gleicher Rhythmus ein –, spielt man ihn gerne durch. Wenn man sich aber anschaut, was für Geschütze der Champion-Modus so auffährt, ist es schade, dass EA hier verpasst hat, die Vorzüge beider Spielvarianten zusammen zu führen.
Wie bei jeder guten Sportsimulation steht und fällt das Spiel aber letzten Endes mit der Umsetzung des Sports. In diesem Fall steht sie. Die neue Full Spectrum Punch Control kommt mittlerweile ganz ohne Halb- oder Viertelkreisbewegungen des rechten Sticks daher und macht dadurch einen noch direkteren Eindruck. Mit links wie mit rechts sind je fünf verschiedene Schlagvarianten möglich, die sich im Grunde auf Jab (beziehungsweise Gerade), Haken und Uppercut mit jeweils einem Zwischentypus zusammenfassen lassen. Wer möchte, greift aber problemlos auch auf die Buttons zurück.
Dem allgemein noch etwas höheren Tempo der technisch erneut überaus sauberen und fließenden Kämpfe kommt die neue Steuerung jedenfalls zugute, auch wenn es manchmal immer noch vorkommt, dass man dreimal denselben Haken schlägt, obwohl man eigentlich eine Links-Rechts-Links-Kombo landen wollte oder dass von einer angedachten Oben-Unten-Kombo beide Schläge auf derselben Höhe ihre blutiges Ding durchziehen.
Die Streichung des Corner-Games, bei dem man verdiente Punkte auf medizinische Maßnahmen verwenden durfte, ist übrigens durchaus positiv zu bewerten. Das neue System belohnt effektives Boxen durch Regeneration, weshalb die Einteilung eurer knapp bemessenen Ausdauer-Ressourcen nun aktiver und ausschließlich über euer Verhalten im Ring erfolgt. Ich habe weder die Gesichter-Bügelei (FNR3) noch die Kopfrechenübungen (FNR4) zwischen den Runden vermisst.
Das neue Deckungssystem wurde im Vorfeld durchaus kritisch beäugt, ist im Grunde aber ein guter Gedanke – und eigentlich ziemlich authentisch. Vorbei die Zeiten, in denen man in der Defensive Senso für Farbenblinde gespielt hat, sobald der Computer zum Angriff blies. Ihr gebt per rechtem Trigger nur noch vor, ob ihr Blocken wollt. Wo und wie bestimmt die CPU von allein. Aber: Je akkurater euer Timing beim Hochreißen der Fäuste, desto besser gelingt der Block. Die mittlerweile knapper bemessenen Konterfenster muss man sich durch gute Beobachtungsgabe also richtig erarbeiten. Dass zu der eigenen Reaktionszeit noch die Trägheit und die Reflex- sowie Blockstärke des eigenen Boxers hinzukommen, sorgt aber dafür, dass immer mal wieder der eine oder andere Schlag durch die Deckung bricht.