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Fight Night Round 4

Ich. Hiebe. dich!

Es wäre gelogen, wenn ich behauptete, dass es in der ersten Jahreshälfte 2009 ein Spiel gab, auf das ich mich mehr gefreut habe als auf Fight Night Round 4. Die Vorfreude war sogar so groß, dass ich ein entschieden mäßiges, aber immerhin artverwandtes Spiel wie Don King Boxing bis zum letzten Punch durchgehalten habe, um die vorauseilenden Entzugserscheinungen zu dämpfen.

Und die kamen nicht von ungefähr. Neben Epics Kriegszahnrädern hat eigentlich nur noch Fight Night Round 3 das Gesicht der aktuellen Konsolengeneration in ähnlichem Ausmaß geprägt. Bei keinem anderen Spiel war das Kampfgewicht der neuen Geräte so offensichtlich wie Anfang 2006 bei FNR3. Und es war sogar als Spiel nicht zu verachten, immerhin zehrte das Kampfsystem von zwei ebenfalls mehr als ordentlichen Vorgängern. Dennoch war dies nicht wirklich Boxen. Es war das Spiel, das am ehesten aussah wie Boxen. Spielgefühl und Dynamik des schwerfälligen Schlägetauschens ließen aber, wenn man mal ehrlich ist, zu wünschen übrig.

Genau hier setzt das neue Trainergespann EA Canada an. Vor allem über ein verbessertes Kampfsystem, das noch näher am echten Sport ist, wollte man die Titel der Kampfspiel-Schwergewichte verteidigen. Und wie sich herausstellt, war das genau das richtige Sparringsprogramm für die Serie.

Der vierte Teil ist zwar nicht perfekt, trotzdem macht die Reihe damit ihren bisher größten Schritt nach vorn und legt zugleich die Messlatte für Sportsimulationen im Allgemeinen ein ganzes Stück nach oben. Zumindest wenn es um das Geschehen zwischen den Seilen geht und darum, die Vorzüge modernster Technik nicht nur für visuellen Realismus einzusetzen, sondern sie klug zur Verbesserung des Spielgefühls in die Pflicht zu nehmen. Natürlich kommt man nicht umhin, die sich unter der porentief dargestellten und schwitzigen Haut anspannenden Muskeln oder die exzellenten Blut- und Spucke-Effekten zu bewundern, doch die eigentlichen Stärken stecken im Grunde ganz woanders.

Fight Night Round 4 – Physik-Trailer

Von Seiten EAs wurde vor allem über die neue Engine viel Aufhebens gemacht. Vollständig physikbasiert und mit prozedural generierten Schlägen geht diesmal alles um den perfekten Kontakt des Handschuhs mit dem Gegner. Die riesigen Trefferzonen von damals, in die nur die Hände eindringen konnten und die man entweder traf oder nicht, gehören endgültig der Vergangenheit an. Diesmal treffen ungenaue und mit schlechtem Timing geworfene Schläge Arme, Schultern oder flutschen am Hinterkopf oder der Stirn entlang und verursachen damit auch entsprechend weniger Schaden. Besser noch, sie erzeugen auch eine nachvollziehbare Reaktion vom Kontrahenten - und sei es nur, dass der eigene Ellenbogen den des anderen Boxers ein paar Zentimeter nach oben schiebt.

Doch es geht auch weniger subtil: Teilweise kommt es kurz zu richtigen Verknotungen von Gliedmaßen, wenn jemand einen schlechten Haken wirft, der in der Ellenbeuge der zum Block angewinkelten Arme seines Opfers stecken bleibt. Oder es verkeilt sich ein Kopf nach einem riskanten Ausweichmanöver in der miefigen Achselhöhle des Opponenten. Die Interaktion der Kombattanten sind sauberer und optisch fehlerfreier als in jedem anderen Spiel. Jemals. Genre übergreifend.

Nirgends verschwinden Körperteile widerstandslos in Leibern und immer reagieren alle beteiligten Komponenten korrekt. Zusammen mit den wirklich erstaunlichen konstanten 60 Bildern pro Sekunde ergibt sich ein in Bewegung unglaublich elegantes und vor allem natürliches Zusammenspiel der Akteure, das keinen Zweifel daran lässt, hier in Sachen Grafik die aktuelle Referenz vor sich zu haben. Ich habe noch nie so lange in der Sofortwiederholung eines Spieles verbracht. In Zeitlupe wird fast jede einzelne Einstellung zu einem Kunstwerk.

Die hohe Bildwiederholungsrate ermöglicht auch ein höheres Spiel- und vor allem Schlagtempo als zuvor, ohne die Spielbarkeit zu beeinträchtigen. Ganz im Gegenteil: Wie im echten Boxen lebt das Spiel davon und wird umso aufregender. Die Punches und Kombinationen fliegen nur so durch den Ring und wendige Infighter ducken sich mit katzenhafter Eleganz unter heranfliegenden Serien hindurch.