Flucht vor der Tradition: Zelda's Eiji Aonuma im Interview
Der langjährige Produzent über die Rückkehr zu Wind Waker, A Link to the Past und die Suche nach Nintendos Zukunft.
Eiji Aonuma ist The Legend of Zelda. Sein erstes Spiels als Director, Marvelous auf dem Super Nintendo, war bereits unverkennbar von Shigeru Miyamotos frühen Klassikern beeinflusst. Under Miyamotos Fittich war er Lead Designer von Ocarina of Time, Co-Director von Majora's Mask und Director von Twilight Princess. Seit den späten 2000ern, als Miyamoto ihm das Zepter übergab, ist er der Kopf der Serie - auch wenn es nicht das erste Mal war, dass der große Nintendo-Designer versucht hatte, die Kontrolle über die Reihe an seinen Protégé weiterzureichen.
Das war, als ich ihn das erste Mal traf. 2004. Ich war nach Kyoto geflogen, um mir im Nintendo-Hauptquartier einen bis dahin noch unbenannten neuen GameCube-Titel der Serie anzuschauen. Das Spiel, das zu Twilight Princess werden sollte. Sein visueller Stil und heranwachsender Link waren eine starke Abkehr vom kindlichen Schwung Wind Wakers. Aonume entschuldigte sich ausgiebig für dessen vergleichsweise schwache Verkäufe und das etwas überhastete, unausgereifte Ende. Er schien unaufgeregt, reserviert und bescheiden. Seit ich ihn diese Woche auf der E3 zum zweiten Mal traf, weiß ich auch, warum.
Es war ein anderer Aonuma. Gelassen und lebhaft, leise selbstbewusst, wenngleich auch alles andere als prahlerisch. Der 50-jährige trug ein rotes Polo-Hemd im Pikmin-Design, einen graumelierten Spitzbart und einen jungenhaften Mittelscheitel. Sein Gesicht ist von der gut gealterten Sorte, mit tiefen Lachfalten und einem ansteckenden Schmunzeln.
An Nintendos E3-Stand sprachen wir zwei ansprechende, aber irgendwo auch rückwärtsgerichtete Zeldas: Die Wii-U-Version von Wind Waker, die im Oktober erscheint - eine subtile, aber überraschend umfassende Überarbeitung des 2002er Titels - und A Link Between Worlds für den 3DS. Letzteres ist eine direkte Fortsetzung zum Super-Nintendo-Klassiker A Link to the Past (1991). Aber wir sprachen auch über seine Absichten, in der nächsten Ausgabe der Serie für die Wii U mit Traditionen zu brechen und darüber, warum Nintendo sich nur schwer von seinen ewig populären Franchises lösen kann. Am Ende des Interviews fand ich dann heraus, warum er vor neun Jahren so besorgt erschien.
(Zusätzliches Material dieses Interviews ist in Kürze bei unseren Freunden und Partnern von Nintendo Life zu lesen.)
EG: Wie fühlt sich Wind Waker mit neun Jahren Abstand für dich an?
Aonuma: Nach der Veröffentlichung von Wind Waker habe ich all die Stimmen und Meinungen der Leute aufgefangen und diese Ideen auch in die folgenden Spiele einfließen lassen.
Nachdem also die Entscheidung getroffen wurde, eine HD-Version zu machen, in der wir die höhere Auflösung nutzen und uns überlegten, wie das Toon-Shading unter diesen Vorzeichen effektiv sein könnte, freue ich mich wirklich nun, auf diese Wünsche eingehen zu können.
Nach der Veröffentlichung GameCube-Version ware nicht der richtige Moment gewesen, diese Anpassungen vorzunehmen. Aber jetzt haben wir die Wii U, ein System, das leistungsstärker ist, bessere Grafik ermöglicht und dieses GamePad hat. Ich hoffe also, dass wir zusätzlich zu den Dingen, die sich die Leute von der GameCube-Version erhofft haben, auch Sachen verwirklichen können, die die Erwartungen der Leute deutlich übersteigen.
EG: Glaubst du, dass sich die Meinung der Leute zur GameCube-Version im Lauf der Zeit verändert hat? Denken die Leute heute anders über das Spiel als damals?
Aonuma: Die optische Präsentation war definitiv etwas neues - die Zelda-Welt mit ihrem Toon-Shading ebenso wie der jüngere, kleinere Link. Wir haben dazu seinerzeit einige kritische Stimmen von Zelda-Fans vernommen. Um es ganz unverblümt zu sagen, sie wollten es einfach nicht so.
Aber mit der neuen HD-Power und dem Shading hoffen wir, diesem Produkt, dem damals einige negativ gegenüber eingestellt waren, grafisch eine neue Präsentation zu geben. Wir hoffen, diese Leute zurückzugewinnen.
EG: Du hast gestern verraten, dass es für das Boot nun schneller fährt, ich persönlich mochte es aber, dass es mich manchmal so bremste und mir Zeit gab, meine Gedanken treiben zu lassen. Gibt es dafür heutzutage keinen Platz mehr in Spielen?
Aonuma: Das ist tatsächlich nur eine Option,die man sogar abschalten kann. Wir haben das gemacht, weil es Leute gab, die es störte, dass man manchmal so lange brauchte, um sein Ziel zu erreichen.
Wie ich schon sagte. Es ist eine Option. Wenn du dir die Zeit nehmen willst und ein gemütlicheres Tempo bevorzugst, kannst du das tun. Meiner Meinung nach hat das sehr wohl eine Daseinsberechtigung. Doch auch daran haben wir Anpassungen vorgenommen. Selbst wenn du also die High-Speed-Option nicht nutzt, sollte dein Spielerlebnis nun optimiert sein.
"Ich werde oft nach neuen Serien gefragt und ich denke, es wäre großartig, wenn wir eine neue finden könnten. In meinen Augen ist es wichtig, dass wir neue Erfahrungen und Charaktere erschaffen, an die sich die Fans binden können."
EG: Es ist seit einer Weile bekannt, dass einige Dungeons aus der ursprünglichen Wind-Waker-Version entfernt wurden. Werden wir in der HD-Version einige dieser Dungeons vorfinden?
Aonuma: Viele Leute fragen mich über zusätzliche Inhalte, die es im Original noch nicht gab. Aber unser Ziel war es, der Geschichte treu zu bleiben. Würden wir Dungeons hinzufügen, wären davon auch andere Bereiche der GameCube-Version betroffen.
Wenn man also das Gefühl hatte, dass es zu wenige Dungeons in Wind Waker gab, dann lag das eher daran, dass das Pacing nicht stimmte. Es gab etwas Leerlauf, weil die Reise zu bestimmten Dungeons zu lange dauerte. Es gab eine Art Wartezeit und wenn man dann an seinem Ziel ankam, fühlte sich das Erlebnis viellicht nicht so gewaltig an wie man das erwartet hätte, eben weil die Reise dorthin so lange dauerte. Wir änderten das Pacing so, dass das Gesamterlebnis vom Rhythmus her nun besser ist. Und wenn ich ehrlich bin, können wir die entfernten Dungeons nicht benutzen, weil wir sie in anderen Spielen verwendet haben!
EG: Kannst du mir verraten, welche Dungeons das sind?
Aonuma: Das kann ich nicht [Er lacht und schüttelt energisch den Kopf].
EG: Das ist interessant. In welchem Umfang kann man an einem Spiel Feintuning vornehmen und es verändern - und gleichzeitig sicherstellen, dass es das gleiche Spiel bleibt, wie zuvor?
Aonuma: In Wind Waker entdeckte man etwas neues, schaffte es und machte sich dann wieder auf den Weg. Aber die Lücken zwischen diesen Erlebnissen waren einfach zu groß. Es fühle sich an, als ware man mit etwas beschäftigt und man wusste, dass man noch ein anderes Ziel hatte. Aber der Weg dorthin war einfach zu weit. Hier mussten wir ansetzen, um das Gesamterlebnis und die Geschichte zu straffen.
EG: Widmen wir uns A Link Between Worlds - bisher gab es nicht gerade viele direkte Nachfolger zu Zelda-Spielen. Warum wolltest du zu A Link to the Past zurückkehren?
Aonuma: Wir wollten wieder ein Zelda aus Vogelperspektive machen, mit dem Konzept, dass Link ab und an eins mit einer Wand wird und es erst dann zu einem 3D-Erlebnis wird.
Wir dachten uns, dass wir es noch schneller erschaffen könnten, wenn wir die Welt von A Link to the Past, deren Architektur und Aufbau, als Basis nehmen würden. Es gibt in dieser Umgebung so viel mehr zu entdecken, dass wir dachten, diese Welt wäre ein guter Ausgangspunkt. Wenn wir es also als Sequel zu A Link to the Past bezeichnen, ist es für die Spieler einfacher, zu verstehen, was wir meinen und was unser Ausgangspunkt für diese Geschichte ist. Außerdem eignet sich dessen Handlung sehr gut für einen Nachfolger.
EG: Zelda ist berühmt für seine Oberwelten, die die verschiedenen Regionen verbinden. Der Himmel in Skyward Sword, die See in Wind Waker, Hyrule Field in Ocarina of Time. Was zeichnet eine wirklich gute Oberwelt in einem Zelda-Spiel aus? Welche Eigenschaften sollte dieser Bereich der Spielwelt haben?
Aonuma: Wenn wir eine Oberwelt erschaffen, kennen wir als Entwickler das große Ganze. Wir wissen, wie jeder Teil der Welt und alle ihre Karten aussehen. Aber als Spieler weiß nichts davon. Die Karte rollt sich vor ihm aus, während die Geschichte voranschreitet. Und das Überraschungselement ist hier von zentraler Wichtigkeit für das Erlebnis. Wir streben immer danach, diesen Effekt von Überraschung und Entdeckung einfließen zu lassen, wenn wir eine Oberwelt gestalten. Das ist das Wichtigste.
EG: Zelda ist eine Serie mit starken Traditionen. In jedem Spiel findet man sehr bekannte Elemente. Wünscht du dir ab und zu, die Serie wäre flexibler?
Aonuma: Das ist genau das, worüber ich auf der vorigen Nintendo Direct sagte. Ich sprach darüber, die Formel der Reihe zu runderneuern. Wir prüfen gerade Möglichkeiten, genau das zu tun und hoffen, die Leute freuen sich darauf, diese zu erleben.
EG: Während der gleichen Nintendo Direct hast du angedeutet, dass wir Zelda eventuell nicht länger alleine ander Wii U spielen. Glaubst du lokaler oder online Multiplayer würden die Serie bereichern?
Aonuma: Als ich sagte, es sei kein Einzelspieler- oder einsames Erlebnis mehr, meinte ich nicht unbedingt Multiplayer. Es gab ja sogar Multiplayer in Zelda-Spielen, zum Beispiel in Four Swords. Aber inWind Waker HD gibt es etwa die Tingle Flasche. Das ist keine traditionelle Mehrspieler-Erfahrung, aber man bekommt definitiv das Gefühl, dass andere Leute dieselbe Welt erkunden und Informationen mit dir teilen.
Das ist also eine Art, auf die es nicht unbedingt ein Einzelspieler-Erlebnis ist. Wir werden weiter unterschiedliche Wege abtasten, diese Welt jenseits eines reinen Einzelspieler-Erlebnis zu öffnen, das bedeutet allerdings nicht, dass es einen typischen Multiplayer-Modus geben wird.
EG: Suchst du nach neuen Inspirationen in Spielen wie Dark Souls oder Skyrim, um Zelda für die neue Generation interessanter zu gestalten?
Aonuma: Skyrim! [Aus irgendeinem Grund bringt ihn die Erwähnung von Bethesdas Fantasy-Spiel zum lachen.] Natürlich spiele ich auch andere Spiele und ich bin neugierig, was Zelda-Fans so sehr an Skyrim mögen. Vielleicht gibt es ein paar Zelda-Fans, die auf etwas Ähnliches in einem Zelda-Spiel hoffen.
Aber ich achte dabei nicht auf die Technik, die diese Spiele möglich machte. Ich achte nicht darauf, was in dem Spiel gerade passiert, sondern wie es auf mich wirkt und welche Gefühle es weckt. Was hat mich in diesem Spiel bewegt und wie kann ich diese Emotionen in Spielern erzeugen, die meine Titel spielen. Ich möchte sie nicht kopieren, aber es sind diese Dinge, die bei den Spielern hängenbleiben.
Es geht weniger darum, was du siehst, sondern darum, was bestimmte Emotionen erzeugt und dich näher an die Erfahrung bindet. Die Gefühle und ihre Bandbreite in einem Spiel sind wichtiger und das behalte ich immer vor Augen, wenn ich an einem Projekt arbeite.
Es ist wie der Unterschied zwischen zwei Personen, von denen einer ein Foto von irgendetwas macht, weil er es später malen will und der andere es einfach im Kopf behält und versucht, es auf diese Weise zu rekreieren.
EG: Zelda und Mario sind quasi Synonyme für Nintendo, aber wir haben schon seit Jahren keine komplett neue Serie gesehen. Denkst du, das ist eine gesunde Vorgehensweise für die Firma?
Aonuma:Ich werde oft nach neuen Serien gefragt und ich denke, es wäre großartig, wenn wir eine neue finden könnten. In meinen Augen ist es wichtig, dass wir neue Erfahrungen und Charaktere erschaffen, zu denen die Fans eine Bindung aufbauen. Aber wir haben eben auch diese großartigen Serien, von denen die Leute neue Spiele wollen. Daher müssen wir weiter neue Spiele für die bisherigen Serien erschaffen und gleichzeitig nach neuen IPs suchen. Das ist viel Arbeit und eine große Herausforderung.
"Es geht weniger darum, was du siehst, sondern darum, was bestimmte Emotionen erzeugt und dich näher an die Erfahrung bindet."
Ich gehöre zur alten Garde von Nintendo und ich denke, es gehört ebenso zu meinen Aufgaben, den neuen Mitarbeitern zu helfen. Ich will ihre Fähigkeiten verbessern, sodass sie neue Serien für uns erfinden. Wir haben schon immer versucht, die nächste Generation zu stärken und sie zu inspirieren, dass ihnen das nächste ganz besondere Spiel für Nintendo einfällt. Dennoch ist ein großer Teil davon Glück oder Zufall. Falls du jemanden kennst, ruf mich bitte an!
EG: Meine nächste Frage wäre gewesen: Würdest du gerne selbst an etwas völlig Neuem arbeiten? Aber sagst du damit, dass du eher neue Talente finden möchtest, die neue Spiele entwickeln?
Aonuma: Wir haben neuere und jüngere Designer, die wir in unsere Teams einfügen und damit ein paar der alten Hasen ablösen. Einige davon wechseln nun zu anderen Positionen. Aber wir müssen dabei unsere bisherigen Serien am Leben erhalten und ihre Qualität sicherstellen, während das Team nach neuen Möglichkeiten sucht.
Wir müssen herausfinden, wie wir die Balance am besten aufrechterhalten. Die Ressourcen dafür sind leider überall begrenzt. Es ist diese Balance zwischen der Suche nach neuen Dingen, während eine andere Gruppe sich um die aktuellen Serien kümmert.
Natürlich mache ich sie damit nicht allein dafür verantwortlich. Es ist genauso meine Verantwortung, nach Antworten für die neuen Spieleschaffenden zu suchen. Ich muss ihnen die richtigen Projekte geben, damit sie neue und großartige IPs ins Leben rufen, auf die wir alle gewartet haben.
Aber das Timing ist schwierig. Ich muss mich um Zelda kümmern und dazu auch noch um diese Sache. Ich muss genau darauf achten, wann ich mich von Zelda lösen kann, um mich darum zu kümmern.
EG: Du erinnerst dich bestimmt nicht daran, aber wir haben uns schon einmal getroffen. Ich habe damals Nintendo in Kyoto besucht, um mir Twilight Princess auf dem GameCube anzusehen, als es noch keinen Namen hatte. Was hast seitdem du über die Arbeit an Spielen gelernt.
Aonuma: Ah! [Er scheint davon wirklich überrascht zu sein und lacht. Dann macht er eine kurze Pause, denkt sichtlich über diese Zeit nach.] Twilight Princess war eine interessante Zeit für mich. Ich fing an als Producer und wurde recht bald zum Director ernannt. Der Grund dafür war, dass ich nicht wirklich wusste, was ein Producer macht. Ich wusste nicht, was man von mir erwartete.
Aber durch meine Projekte seitdem habe ich gelernt, was man von mir erwartet. Zwischen damals und heute habe ich gelernt, dass ein Producer sagen muss: “Genau das will ich. Das ist die Vision.” Danach korrigiert man die Kursrichtung des Teams, sobald es sich zu sehr von der Vision entfernt. Und wenn sie sich auf dem richtigen Kurs bewegen, muss ich sie dabei unterstützen.