Folklore
Eine Frage der Kunst?
"Ich bin bereit zu glauben, dass Videospiele elegant, subtil, anspruchsvoll, herausfordernd und visuell eindrucksvoll sein können. Ich glaube aber fest daran, dass die Natur des Mediums es daran hindert, sich von reiner Handarbeit zu Kunst hin zu entwickeln. Meines Wissens nach kann niemand innerhalb oder außerhalb dieses Bereichs ein Spiel nennen, das es wert wäre, mit den großen Dramen, Dichtungen, Filmen, Autoren oder Komponisten verglichen zu werden." (Roger Ebert, Filmkritiker, 2006)
Vielleicht stimmt das, Roger, aber wir arbeiten daran...
Ohne jetzt in eine müßige Aufzählung zu verfallen, ob jetzt dieses oder jenes Spiel sich als große Kunst bezeichnen darf, gibt es doch genug Titel, die es zumindest in ihren Ansätzen versuchen. Die Wege sind dabei unterschiedlich. Einige nutzen visuelle Eindrücke, andere Musik, um Stimmungen und Emotionen zu erzeugen, wieder andere erzählen komplexe und verwobene Geschichten.
Folklore für die PS3 probiert auf mehreren Ebenen, sich über die Summe seiner Teile zu erheben und etwas zu schaffen, was zumindest einen Schritt in Richtung Kunst bedeuten kann. Dafür wählte man ein ausgesprochen dankbares Thema, das nicht wenige der Werke inspirierte, die in Eberts positiven Definitionsbereich fallen: Keltische Legenden und Mystik.
Den Ort des Geschehens hätte man mit Doolin kaum treffender wählen können. Und sogar in Japan beim Entwickler Game Republic scheint der winzige Ort an der Westküste Irlands ein Inbegriff für die Sagenwelt der grünen Insel. Aber trotz der in der Gegend beheimateten berühmten Folk-Musik, zahlreichen Steinwegen und auch des einen oder anderen Steinmonuments, kann der Ort nur schwer als mystisches Zentrum der irischen Sagenzirkels bezeichnet werden.
Wie man es schon häufiger bei japanischen Geschichtenschreibern erlebt hat, werden in Folklore zahlreiche Referenzen wild gewürfelt und zu einem Bild zusammengefügt, das zwar nicht unbedingt akkurat die Wirklichkeit und Historie abbildet, aber doch zumindest in sich ausgesprochen schlüssig scheint. Das Doolin von Folklore präsentiert den kleinen Ort in einer idealisierten Version ohne Tourismus, Autos und Massenfährverkehr zu den Aran Isles, dafür aber bietet es die klassische Bebauung der scheinbar willkürlich angeordneten Häuser entlang einer winzigen Dorfstraße.
Und es wird als ein dunkler, mystischer Ort dargestellt. Stockfinster bei Nacht, grauverhangen bei Tag und mit dem ewig präsentem Wind der Cliffs of Moher. An diesen gewaltigen Klippen, die teilweise über hundert Meter tief direkt in den Atlantik stürzen, treffen sich auch zum ersten Mal die beiden Protagonisten, deren verschlungene Wege sich in Folklore noch manches Mal kreuzen sollen.
Keats darf sich zu Recht als mit dem Okkulten vertraut bezeichnen, schreibt der egozentrische und bis an alle Grenzen zynische Reporter doch für das Mystiker-Magazin Unknown Realms. Trotzdem verunsichert sogar ihn der Hilfe suchende Anruf einer Frauenstimme. Bevor das Gespräch mitten im Satz unterbrochen wird, fällt noch ein Name: Doolin. Keats vertraut seinem Spürsinn und macht sich auf den Weg an die Küste.