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Folklore

Eine Frage der Kunst?

Ellen verlor vor 17 Jahren in einer düsteren Nacht ihre Mutter. Jetzt erhielt sie eine einfache Nachricht von der Verstorbenen. Keine Erklärungen, keine Hinweise, nur ein Name: Doolin. Wo die Welt der Toten und der Lebenden sich treffen. Auch sie tritt die Reise zu dem Dorf an den Klippen an.

Beide werden noch viel weiter als Doolin gekommen sein, bevor die Zeit von Samhain abläuft...

Die verwobene Parallelhandlung lässt Euch am Ende eines jeden Kapitel die Wahl, mit welchem der beiden Protagonisten Ihr die Reise fortsetzen möchte. Es ist möglich, mit nur einem der beiden sehr weit zu kommen und dann erst die andere Story zu spielen. Ab einem gewissen Punkt wird es aber wichtig, dass beide Charaktere diesen erreicht haben, bevor es weitergehen kann.

Folklore erzählt seine Geschichte nicht nur parallel, sondern auch in einem auf den ersten Blick relativ wilden Mix aus verschiedenen Stilen, die alle für sich nach Anerkennung zu streben scheinen. In den ersten Minuten wird Euch CG in einer Qualität geboten, die mit den Besten aus dem Bereich keine Vergleiche scheuen muss und die Welt mit Ihren Bewohnern sehr plastisch zeigt. Schnell geht es dann zu den brauchbar choreographierten Passagen und Wanderungen durch Doolin in der InGame-Engine, die zwar ihre Aufgabe erfüllen, artistisch aber am schwächsten daherkommen.

'Aber natürlich, junge Dame, diese Lampe ist praktisch neu. Und sehr günstig.'

Die ersten wirklich verstörenden Eindrücke erhält man dann bei den Gesprächen mit dem Feenvolk im nächtlichen Pub von Doolin. In alter Japan-RPG-Tradition zeigt Folklore die Gesprächspartner als Portrait und offensichtlich gab es für die Vorstellungskraft der Zeichner kaum Grenzen. Die phantastischen Bewohner des nächtlichen Doolins erwecken schnell Eindruck, dass man sich auf einer Reise mit der Belegschaft der Versuchung des heiligen Antonius befindet, während die halbe Besetzung der Dé Danann aus dem mystischen Zyklus auf ein Pint vorbeischaut. Trotz Ihrer Fremdartigkeit wirken die Figuren vertraut und die Anlehnung an zahlreiche Sagen und Geschichten ist zwar stellenweise deutlich, aber in keiner Weise schädlich.

Den mutigsten und überraschendsten Schritt wagte man aber mit einer ganzen Reihe von Erzählsequenzen im Comicstil. Wenn man alles zusammenfasst, was bisher über Folklore in diesem Text zu lesen war, sollte wohl niemand auf die Idee kommen, dass Dialoge als Comic eine gute Idee wären.

dum-Dum-dum-Dum-dum-Dum-dum-Dum... (Melodie: Der Weiße Hai)

Das Glück ist halt doch dem Mutigem hold und nach einer kurzen Gewöhnungsphase stellen sich diese Szenen als, Ebert verzeihe den Ausdruck, künstlerische Meisterleistung heraus. In einem düsteren Grundton bietet Euch Folklore das Geschehen als bewegte Standbilder dar. Die Charaktere und ihre Umgebung scheinen in der in der Bewegung eingefroren, allerdings steht das Bild nicht ganz still. Vibrierende Farben, angedeutete Mimik und Gesten untermalen den Inhalt der Sprechblasen auf eine ausgesprochen subtile und geschickte Art.

Diese Technik pusht technisch sicherlich das System an keine Grenze, bietet aber einen optischen Stil, von dem man sich wünscht, dass traditionelle Comiczeichner ihn nutzen könnten. Wer weiß, vielleicht bekommen wir eines Tages auf einer Konsole ein Jean Van Hamme oder Lewis Trondheim - Werk in dieser Form dargeboten.