Free2Play MMOs
Ist wirklich etwas im Leben umsonst?
Neulich vor dem Rechner. Unschuldig surf ich im Netz und stoße (mal wieder) auf eine Anzeige für ein neues Online-Rollenspiel. Screenshots sehen super aus, mein Darkfall Exemplar ist eh noch nicht da und auch sonst tut sich diesen Winter eher wenig im Bereich MMO. Warum also nicht mal reinschauen? Aber bei dem angepriesenen Spiel gibt es ein großes Problem. Es ist umsonst! Ich brauche nur klicken, mich anmelden, runterladen und es geht los. Keine Schachtel, die vierzig Euro kostet, und keine monatlichen Gebühren. Und hier greift eine innere Sperre. Und die sagt mir: Nein. So geht das nicht. Was umsonst ist, kann ja nicht gut sein. Oder?
Die Welle der neuen Free2Play MMOs ist nur mit viel Mühe zu ignorieren, wenn denn überhaupt. Die Idee dahinter kommt, wie so vieles heutzutage, aus Asien, genauer gesagt aus Korea. Dort suchte man vor einigen Jahren eine Alternative zum bekannten Bezahlsystem per Abo. Denn das Abo wurde zum Beispiel bei Lineage zwar sehr erfolgreich eingesetzt, hatte aber den Effekt, dass sich die Spieler nur auf einige wenige Titel konzentrierten. Wodurch es zu einer schnellen Sättigung des Marktes kam. Free2Play funktioniert anders: wie der Name schon sagt, ist das Spiel umsonst. Eine monatliche Zahlung oder sonst irgendwas gibt es nicht. Zumindest erstmal.
Denn bekanntlich zählen Online-Rollenspiele zu einem der aufwendigsten Genres überhaupt. Und natürlich wollen Entwickler und Publisher auch Geld verdienen. Aber eben nicht sofort. Free2Play denkt langfristig. Und zwar so: was nichts kostet, probiert man schnell aus.
Ok, Ok, sag ich mir, dann klick ich jetzt doch mal auf den MMO-Umsonst-Link. Schließlich habe ich ja auch eine journalistische Mission. Zwei Stunden, fünf Level und ca. 150 tote Monster später fühle ich mich langsam wohl. Bis plötzlich eine Nachricht über meinen Bildschirm tickt. „Drei Heiltränke zum Preis von zweien. Nur bis heute 22 Uhr im Shop. Jetzt kaufen!“ und sofort fühle ich mich wie im Erdgeschoss bei C&A, nur ohne die eingeschweißten Polyester-Hemden.
Free2Play-MMOs finanzieren sich über verschiedene Kanäle. Einer davon ist Werbung. Im Spiel ist, wie im echten Leben, Werbung platziert (zum Beispiel Werbetafel in der Landschaft) und bewirbt was-auch-immer. Der Hersteller der Produkte zahlt dann Geld an den Spielerhersteller, je mehr, desto mehr Nutzer das Game hat. Bestes Beispiel: Anarchy Online. Upgradet man seinen Account auf ein normales monatliches Abo, verschwindet die Werbung wieder.
Aber, wie das Beispiel mit dem Sonderangebot Heiltränke zeigt, die neuen free2play-Spiele funktionieren nicht über Werbung, sondern so genannte Mikrotransaktionen. Also die Überweisung von Kleinstbeträgen, anstelle eines Festbetrages. Ein paar Cent für Heiltränke, einige Euros für ein super Schwert. Zusammengefasst: der Spieler lässt sich schnell auf vermeintliches „Umsonst-Spiel“ ein und wird dann so sehr gefesselt, dass er dran bleibt und irgendwann doch noch echtes Geld ausgibt.
Das Ganze hat einen klaren Vorteil, gerade in Zeiten der allgegenwärtigen Krise. Man zahlt nur, wenn man will und auch flüssig ist. Das ermöglicht auch, gleichzeitig aktive Accounts in ganz verschiedenen Spielen zu besitzen. Und ohne Abo fällt auch der Druck weg, spielen zu müssen. Das, was man auch den Fitness-Studio Zwang nennt.
Jeden Monat die volle Summe zahlen, aber dann doch nur einmal auf dem Stepper gewesen. Wenn ich meine Kreditkartenabrechnung jeden Monat sehe, denke ich oft mit Kopfschmerzen: schön, mein Charakter ist für die 12.99 Euro in den letzten 30 Tagen genau einmal von Bree nach Bruchtal geritten. So ein tolles Erlebnis ist wirklich jeden Cent wert.
Auf dem Papier (sprich Kontoauszug) scheint es erstmal eine gute Idee zu sein. Und es ist ja auch, was die Zahlen angeht, ziemlich erfolgreich. Aber kann es langfristig mithalten mit dem wohl etablierten Abo-MMO-Modell? Ist unsere westliche Kultur überhaupt offen für Zahlungsmethoden, die aus einem Land kommen, in dem jeden Abend StarCraft-Matches live im TV übertragen werden?