Gran Turismo 5
Eine kleine Geschichte von der intimen Beziehung zwischen Straße und Auto
Die Spezialisierung der Rennligen ist natürlich als Anreiz gedacht, nicht einfach nur ständig seinen Favoriten um die Kurven zu zwingen, sondern stets neu einen Blick auf eines der absoluten Hauptereignisse in Gran Turismo zu werfen. Welches andere Rennspiel hat schon über 1.000 Fahrzeuge zu bieten? Ehrlich gesagt, ich hoffe keines, denn hier wäre weniger am Ende deutlich mehr gewesen. Ob dieses mehr als 1.000 für euch nämlich zutrifft, hängt stark von der persönlichen Definition ab, ab wann man zwei verschiedene Wagen vor sich hat oder ob einfach nur eine Unterscheidung bleibt, die sich mehr in der Detail-Preisliste des Händlers niederschlägt als wirklich auf der Piste.
Es gibt ein Dutzend verschiedener Ferraris in GT5, in etwa ebenso viele Jaguar und zehn oder so Lamborghinis. Dem gegenüber stehen über 20 Mazda MX-5. Nur dieses Modell. Aus verschiedenen Jahren, aber seien wir ehrlich: Das war nie ein wirklicher Traumwagen, weil jeder mit einem halbwegs stabilen Job sich diesen „Traum" erfüllen kann, wenn er es unbedingt möchte. Ein MX-5: Okay, muss fast sein. Fünf: seltsamer Fetisch, aber von mir aus. Über 20: Da läuft was falsch. Und das sind nur die MX-5. Etwa 100 Mazdas sind es insgesamt. Die Serie war schon immer Japan-lastig und ich weiß auch, dass sie darauf stehen, einfach Straßenwagen in Situationen zu zwingen, die man sonst besser nicht austestet. Habe ich auch nichts dagegen, aber verkauft mir nicht 20 MX-5 als 20 verschiedene Autos.
Am Ende ärgert hier jedoch der halbe Etikettenschwindel nicht ganz so sehr, da die 200 sogenannten Premium-Fahrzeuge weit besser verteilt wurden. Aus jeder Gruppe von Fahrzeugen und Herstellern wurden scheinbar mit bedacht die ausgewählt, die man für wichtig hielt und da ist dann nur ein einzelner MX-5 dabei, während die Ferraris alle die liebevolle Gestaltung erfahren durften. Ein paar Exoten sind wie immer dabei – Kübelwagen, alter VW-Bus, Ente – aber das Gros dieser Wagen ist das, was ihr am Ende sammeln solltet. Hier liegt nämlich Magie auf der Straße. Der Detailgrad der Nachgestaltung innen und außen bei diesen Fahrzeugen sucht seinesgleichen und findet ihn nicht.
An 200 Werken einer fragwürdigen, obsessiven Liebe zu Automobilen, welche wahrscheinlich teilweise Yamauchi inzwischen als eine Art Stalker betrachten, dürfen wir hier teilhaben und es ist ein pures Vergnügen. Was die restliche Garage angeht, nun, hübsch sind sie auch. Nicht ganz Forza 3, besser als Gran Turismo 4, schön modelliert, nur halt doch ein klein wenig schäbig im Detail.
Und vor allem haben sie kein Cockpit. Damit meine ich nicht, dass sie ein generisch langweiliges beim Fahren benutzen, sie haben einfach keins. Es gibt diese Perspektive nicht. Gehört ihr zu den Fanatikern, die im Rennsessel diese Aussicht und keine andere brauchen, dann legt euch am besten gleich eine Liste der Karossen daneben, die ihr meiden solltet. Nicht 1.000. 200 ist eure Zahl. This is Premium. Selbst beim Sound. Die guten Autos klingen nämlich auch besser, nur immer noch nicht gut. Zu dünn, der richtige Biss fehlt einfach. Die Surround-Effekte sind gut, aber der Subwoofer bekommt viel zu wenig zu tun. Die Authentizität ist da, zumindest bei den Premiums. Die Intensität fehlt.
Spielt ihr dagegen wie ich lieber aus der klassischen Kühlerhöhen-Perspektive mit den Anzeigen unten, ohne etwas vom eigenen Auto und probiert ihr die verschiedenen Gefährte aus, wird ein weiterer Unterschied zwischen Standard und Premium deutlich. Die Standards fühlen sich teilweise ein wenig „vereinheitlicht" an. Um beim oberen Vorzeige-Japaner zu bleiben: Der Premium-MX-5 lässt einen sehr genau an jeder Feinheit der Strecke, des Untergrundes und den Gewichtsverlagerungen in der Kurve teilhaben. Mit einem Grad des Feingefühls, der ebenso außergewöhnlich ist wie der der Modellierung des Modells. Absolute Ausnahme. Die „einfachen" MX-5er können dabei nur knapp mithalten. Immer noch großartig, jedoch scheint das Gefühl bei den Premiums, was die Fahrphysik angeht, noch einen Tick ausgefeilter zu sein.
Die Fahrphysik. Das ist der Schlüsselpunkt von Gran Turismo 5. Hier entscheidet sich alles, auch die Wertung, die zum Schluss unter diesem Text steht. Bis hierher habe ich endlos an dem Spiel und vielen Details herumgenörgelt und ich bin noch nicht fertig damit. Aber all das spielt in der Zeit, in der ihr hinter dem Lenkrad sitzt, absolut keine Rolle mehr. Weggeweht von einem perfekten Sturm. Vergeben und vergessen für die Minuten, die das Rennen andauert. Nichts kann hier mit Gran Turismo 5 konkurrieren. Forza 3 ist gut, aber nicht so gut. SHIFT will mit GT5 mithalten? Das ist der Aspekt, an dem sie sich messen lassen müssen. Und mein Gott, legt Polyphony Digital diese Latte hoch.
Es spielt keine Rolle, ob ihr in einem schnellen Mercedes die Extreme einer Hochgeschwindigkeitskurve auskundschaftet oder versucht, mit einem Prius ein Bremsmanöver zu fahren, für das dieses Auto nie gedacht war. Jede dieser Sekunden ist ein Fest für den Fahr-Genießer. Das Spiel gibt euch schon mit dem Pad einen ungeahnten Grad der Feinfühligkeit und Kontrolle. Wer ein Lenkrad besitzt, geht noch einen Schritt weiter und überquert die Grenze in das Terrain sünd-teurer Profi-Simulatoren. Ihr wollt wissen, wie sich ein Auto fährt? GT5 kaufen geht schneller als den Händler zu einer Probefahrt zu überreden und unterscheidet sich im Ergebnis nur minimal.
Die Fahrphysik allein rechtfertigt den Kauf dieses Spiels, sie entschädigt für alle Macken, die es hat, lässt einen alles andere verzeihen. Das Wichtigste in einer solchen Auto-Simulation wird hier von Gran Turismo 5 neu definiert, und auch wenn man drum herum mehr hätte verlangen können, liefert es ein unschlagbares Argument, wenn es um die Frage geht, wem die Krone in diesem Genre gebührt.