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Gran Turismo 5

Eine kleine Geschichte von der intimen Beziehung zwischen Straße und Auto

Stehen jedoch mal alle Sterne günstig, habt ihr genug Geld für ein schönes Auto gehabt und fahrt ihr mit einer guten Gruppe, dann entsteht hier Magie. Ein Duell in Schönheit und Eleganz, aufgebaut auf dem vollendeten Gerüst des Fahrmodells mit endlosem Potential. Dem Online-Modus könnte ein Ausbau von Struktur und Politur nicht schaden, aber es sind solche Momente, die die Möglichkeiten zeigen.

Ähnliche Momente finden sich bei der Optik von Gran Turismo 5. Echte 1080p, gepaart mit 60 Frames, die wirklich nur in den allerseltensten Fällen runtergehen. Das allerdings nicht einmal wirklich merklich und nur bei 16 Fahrzeugen mit Regen auf einigen besonderen Strecken - und dann auch nur für irrelevante Sekunden. Es gibt Momente, gerade auf den Stadtstrecken von London und Rom oder auf den Pisten der Toskana, die allein für sich den Kauf der Konsole rechtfertigen. Mit einem Rudel der phänomenalen Premium-Wagen als Vorführer entsteht für Augenblicke der Eindruck, eine Konsolengeneration weiter zu sein.

Und dann sind da das gelegentliche – immerhin noch recht seltene – Tearing, die Riesentreppchen an den nicht antialiasierten Standardmodellen, geradezu lächerlich nach PS2 wirkende Staubwolken und vor sich hinflimmernde Schatten. Es fasziniert wirklich, dass sich ein Spiel, dass sich mit Perfektion rühmt und diese in einzelnen Aspekten erreicht, hier so schlampt. Besonders bei den Autos muss man zu dem Schluss kommen, dass die Standards nicht nur spielerisch eher eine Dreingabe sind, vor allem technisch verderben sie das Bild schon ein wenig. Und auch die Kurse schwanken. Klar, Daytona und Top Gear sehen im realen Leben öde aus, so ist es nur angemessen, dass das hier nicht besser wird. Aber auch der fiktionale Cape Ring-Kurs bekleckert sich nicht mit Ruhm. Ein wenig Grün hier, eine nette und sehr runde Steilkurve da, aber Inspiration ist etwas anderes.

Langweilen euch die etwa 35 Kurse und ihre Variationen nach einer Weile, könnt ihr euch ja dem Streckeneditor widmen. Man sollte diesen als Bonus verstehen und als solcher kann das Ding gefallen. Ihr legt mittels der Zahl von Eckpunkten fest, wie lang die Strecke wird und wie sie ungefähr zwischen diesen Punkten aussieht. Das sollte man wirklich entspannt betrachten, mit zwei Klicks legt ihr die Kurvenzahl und sie Spurbreite fest und damit hat es sich dann auch schon fast. Durch diese Flexibilität konnte das Ergebnis scheinbar nicht mit Leben gefüllt werden und so wirken die Resultate noch steriler als die richtigen Kurse. Trotzdem und gerade online eine willkommene Abwechslung und eine weitere Ergänzung in dem Berg an Inhalten, den GT5 für euch bereithält.

Gran Turismo 5 - Gameplay-Video

Ihr habt diesen Text gelesen – und seid hoffentlich nicht einfach schnell zum Fazit gehopst – und müsst jetzt den Eindruck haben, dass dieses Spiel, auf das wir so lange warten mussten, ganz schön durchwachsen ist. Viel zum Kritteln gibt es und vieles davon kennt man aus den früheren Teilen der Serie. Neben dem noch alles andere als ausgereiften Online-Modus finden sich solche Klassiker wie eine immer noch viel zu mittelmäßige KI, das nicht vorhandene Balancing in den Rennen, das praktisch nach wie vor nicht vorhandene Schadensmodell und eine Fahrzeugauswahl, die uns vor Augen führt, das Japan eine Menge Plastikbomber auf die Straßen los lies. Als Bonus gibt es eine unausgegorene Menüführung mit teilweise enervierenden Ladezeiten innerhalb dieser. Das schlechteste Gran Turismo bisher?

Mitnichten und ganz im Gegenteil. Gran Turismo 5 ist der bisher größte Triumph einer Ausnahmeserie. Zumindest dann, wenn man sich anschaut, was diese Serie erreichen will. Es ist vielleicht nicht das beste Rennspiel im klassischen Sinne, aber dafür ist es das mit Abstand beste Auto-Spiel. Es zelebriert 200 Fahrzeuge mit einer Liebe zu Feinheiten, die ein Zeugnis von der tiefen Verehrung des etwas schrägen Japaners Yamauchi zu diesen Rennern ablegt. Und er schuf sie nicht nur in Polygonen, er schenkte ihnen mit der bisher besten Fahrphysik überhaupt Leben. Eine Minute auf der Piste mit einem dieser wundervollen Geschöpfe und alle Widrigkeiten auf dem Weg dahin sind vergessen. Selbst der dumpfe Kampf gegen die KI scheint bedeutungslos. Es geht um euch, das Auto und die Piste. Das ist das Herz, die Seele von Gran Turismo und so rein und vollkommen wie hier war sie noch nicht. Alles andere ist Bonus.

Und davon gibt es weder zu wenig, noch ist alles schlecht. Wiederum im Gegenteil. Die Karriererennen selbst mögen eher das sein, was man halbherzig erwartete, die Bonus-Events mit ihren Kart-, Nascar- und Rallye-Rennen ziehen aber die Waagschale ganz klar auf die Habenseite für Gran Turismo 5. Mein größter Wunsch für Gran Turismo 5 wäre jedoch ein Mehrspieler-Update. Sollte Polyphony Digital den Online-Modus besser strukturieren, dann wäre das hier das perfekte Online-Spiel für alle Rennfreunde. Und zwar perfekt im Sinne von „Ich habe keine Ahnung, was man mehr verlangen kann". Wunderschöne Autos und eine Fahrphysik zum Hinknien. Kämen dazu noch ausgefeilte Online-Meisterschaften, dann müssten Motorsport-Enthusiasten bis Gran Turismo 6 nicht mehr das Haus verlassen.

Gran Turismo 5 ist ab sofort für die PS3 erhältlich, natürlich exklusiv. Wer etwas mehr investieren möchte, kann zwischen der "normalen" Special Edition mit Hint-Book, Sammelkarten und Bonus-Ingame-Inhalten oder der 250 Euro teuren Signature Edition wählen. Hier gibt es dann eine Brieftasche, ein Modellauto, einen Schlüsselanhänger und ich weiß nicht was noch alles. Irgendwo in der Riesenbox ist bestimmt auch das Spiel.

9 / 10

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