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Gran Turismo PSP

Fahren. Nicht Rennen.

Ein weiterer Schwachpunkt ist die Beharrlichkeit Gran Turismos, euch möglichst lange Teile des Spiels vorzuenthalten. Das Geldsammeln für neue Autos geht dank hoher Siegprämien zwar deutlich schneller als sonst, aber Verkaufen dürft ihr im Gegenzug kaum noch etwas. Gran Turismo PSP begreift sich, ganz Japan, wie es denn ist, endgültig als Auto-Tamagotchi. Und was ihr nicht selber ergattert, tauscht ihr mit Freunden. Im Ad-hoc-Modus. Am besten in Japan.

Es bleibt also einiges an Ballast, Ärgernissen und auch echten Mängeln zu überwinden, wenn es jetzt an die Qualitäten von Gran Turismo PSP geht, und es sagt schon im ersten Zug eine Menge über das Spiel aus, wenn ihr es trotz dieser Schwächen als PSP-, Auto- und Rennfans auf keinen Fall ignorieren dürft. Ja, es ist eure heilige Pflicht, dieses Spiel zu würdigen, denn was hier auf einem technischen Level passiert, hätte wohl kaum jemand auf der PSP für möglich gehalten.

Damit sind noch nicht einmal nur die 60 Frames gemeint, auch wenn sie natürlich die größte Überraschung darstellen. Ein reineres, stimmigeres Bild von Bewegung und Beschleunigung findet ihr mit Sicherheit derzeit bei keinem anderen PSP-Spiel und ich wage zu prophezeien, dass es wohl ein Weilchen dauern wird, bis Gran Turismo PSP auf einem Handheld einen echten Rivalen finden wird.

Um dieses Wunder zu vollbringen, musste man nicht einmal große Kompromisse eingehen. Weder an den Fahrzeugmodellen, die wie immer wundervolle Ebenbilder ihrer nur minimal schöneren Originale darstellen, noch an den vielen Details der Strecken wurde gespart. Vier der schönsten Sportwagen der Welt ziehen durch Paris an der Oper vorbei, einem Stadtkurs voller feiner Einzelheiten, drehen elegant ihre Runden und das mit f…ing 60 Frames! Klar, der Screen einer PSP ist klein und vielleicht nicht unbedingt so aufsehenerregend wie einiges, was man auf einem 60-Zoll-TFT zu sehen bekommt. Dass das Unmögliche, also das hier, auf einer Konsole mit 333 Mhz CPU und 32/64 MB RAM vollbracht wurde, stellt trotzdem vieles, auf den ersten Blick spektakulärere in den Schatten. Hut ab und die Verbeugung ganz tief, Polyphony Digital. Ihr habt neu definiert, was auf der PSP möglich ist.

Gran Turismo PSP - 60 Frames DF-Video

Die 60 Frames werden aber nicht nur für Show und Eye-Candy genutzt, die arbeiten auch Hand in Hand mit noch wesentlich höher aufgelösten Physikmodellen. Diese waren bei Gran Turismo ja schon immer Teil der Pflicht und auch Gran Turismo PSP macht nur minimale Kompromisse in Richtung fahrunfähiger Massenmarkt. Es lassen sich ein paar Lenkhilfen einschalten, die Fahrphysik ein wenig drosseln und die Ideallinie wird auch mit Bremshinweisen angezeigt, aber das war es schon. Keine Kompromisse, das gilt auch hier.

Die Physik überrascht dabei immer noch, wie sie perfekt mit der Kurvenfliehkraft, den verschiedenen Antriebsarten der einzelnen Wagen, ihren Reifenbeschaffenheiten und zahllosen anderen Faktoren umgeht, um im Ergebnis ein Gefühl zu schaffen, dem die meisten anderen Kokurrenten nur mit mäßigem Erfolg nacheifern können. Ob nun Drift-Rennen, in dem ihr die Bodenhaftung stets überreizt, oder im Nürburgring mit Tempo 300: Die Bodenunebenheiten fühlt ihr selbst auf dem kleinen Screen, ihr müsst sie nicht sehen. Durch sein Verhalten spricht das Auto während der Fahrt geradezu mit euch, und wenn ihr zuhört, könnt ihr Rundenzeiten und Manöver mit jedem der 800 Fahrzeuge optimal meistern.

Und es sind 800 verschiedene Sprachen, oder zumindest fast. Die Fahrzeuge, angefangen von kleinen europäischen und japanischen Einkaufstaschen – Clio Sport, Suzuki Swift - über die nicht enden wollenden Versuche der Amerikaner einen Sportwagen zu bauen, zahllose Nippon-Renner aller Jahrgänge und Güteklassen bis hin zu den Wagen der Firmen, die man als normaler Mensch nur selten im realen Leben sieht – Citroëns GT, Bugattis Übersportwagen Veyron, diverse Ferraris, Paganis und reichlich Konzeptwagen – differenzieren ihr Verhalten nicht nur zwischen den Klassen deutlich. Wirklich jedes Fahrzeug fühlt sich ein ganz klein wenig eigen an, selbst wenn sie doch recht nah aneinanderliegen.

Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Gran Turismo

PSP, PS1

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