Grand Theft Auto: Chinatown Wars
GTA süß-sauer
Anmerkung: Ab sofort steht Euch auch unsere umfangreiche Komplettlösung von GTA: Chinatown Wars zur Verfügung.
So beeindruckend die PSP-GTAs auch waren, sie hatten trotzdem ein Problem, das viele Handheld-Umsetzungen haben: Seit die Portablen 3D „können“, wollen die Entwickler bei Spielen keine Kompromisse mehr eingehen. Sie versuchen, die Westentaschenumsetzungen genauso aussehen und funktionieren zu lassen, wie die große Vorlage. Das ist nur verständlich, je mehr ihnen das aber gelingt, je näher das Resultat dem angepeilten Ideal kommt, desto deutlicher werden auch die Unterschiede.
Hört man sich ein bisschen um, bezeichnet fast jeder Spieler Liberty City Stories und Vice City Stories als „fast so hübsch“ oder „fast so gut“ wie auf eine der großen Versionen. Die Einschränkung „fast“ steht aber nicht ohne Grund dort. Diese Sorte Schrumpfkur kann das Original nämlich niemals übertreffen, weil sie nur ein Abriss davon ist, ein Lückenfüller, bis die S-Bahn hält. Die praktische Light-Ausführung für unterwegs, für sich genommen aber ein nicht ganz so gutes und komplettes Spiel.
Damit der Spieler diese „Spaß-Kompromisse“ nicht erst eingehen muss, ist es wichtig, dass die Entwickler schon in der Herstellung Kompromisse machen. Und Rockstar Leeds hat mit Chinatown Wars genau die richtigen gefunden. Anstatt ein GTA sklavisch in einen exponentiell kleineren Bildschirm zu quetschen, haben sie diesmal den Geist und das Feeling der Vorlage perfekt eingefangen, aus Hardware-Nöten Tugenden gemacht und gerade wegen der Unterschiede zum vierten Teil ein Grand Theft Auto gebaut, das jedem Spaß-Vergleich standhält.
Chinatown Wars spielt wie auch GTA IV in Liberty City. Allerdings in einem Liberty City, das Rockstar Leeds kurzerhand um die „New Jerey-Insel“ Alderney beschnitt. Geblieben sind Algonquin (Manhattan) im Westen und Bohan (Bronx) im Nordosten. Dukes (Queens) und Broker (Brooklyn) teilen sich wie gehabt Firefly Island im Osten. Die größte Veränderung liegt natürlich im neuen Grafikstil: Ganz wie zu Serien-Urzeiten treibt man seine schmutzigen Geschäfte aus der Vogelperspektive, während kräftige Farben und schwarze Umrisse um Charaktere, Fahrzeuge und sämtliche Umgebungsdetails dafür sorgen, dass der Look voll und ganz den cool stilisierten Comic-Artworks entspricht, die seit dem dritten Teil Cover, Poster und jegliche Werbung von Grand Theft Auto definieren.
Ebenso GTA-typisch ist die klassische Underdog-Geschichte. Der Spieler ist Huang, der Abkömmling eines Triaden-Bosses, der kürzlich in Liberty City verstorben ist. Als Nobody ohne einen Cent in der Tasche kommt er in das Land und muss ein zeremonielles Schwert wieder auftreiben, das für den Fortbestand des Clans von größter Wichtigkeit ist. Im Vorbeigehen mischt man dabei die Unterwelt ordentlich auf und verdient sich mit Drogenhandel den einen oder anderen Tausender dazu.
Im Gegensatz zu Niko Bellics eher düsterem Crime-Drama spielt die Hintergrundgeschichte aber eine weit weniger prominente Rolle. Eure Auftraggeber werden während der Standbild-Zwischensequenzen durch wenige Schimpfwort-durchtränkte Text-Dialoge charakterisiert und sind tendenziell deutlich durchgeknallter als auf Xbox, 360, PS3 und PC. Selbst die sozialen Interaktionen, wie Dates und Sauftouren, wurden komplett gestrichen – keine Ricky Gervais-Standup-Show diesmal, sorry!
Aber das ist auch überhaupt nicht schlimm, denn wie eingangs erwähnt, will sich Chinatown Wars nicht einem Vorbild annähern. Es will sein eigenes Spiel sein. Und das gelingt ihm ganz ausgezeichnet. Trotzdem ist es unstrittig ein echtes Grand Theft Auto, was nicht nur daran liegt, dass man im großen Stil Autos klaut. Es liegt daran, dass sich auch dieses Liberty City, trotz der neuen, alten von-oben-Ansicht wieder ganz entschieden dreidimensional anfühlt. Ein echter, unechter Ort auf zwei Mal siebeneinhalb Zentimetern Diagonale.