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Harveys neue Augen

Thema verfehlt?

Heimatbonus ist ein Wort, das immer wieder die Runde macht, wenn in unserem Land entwickelte Spiele von der deutschen Presse in den Himmel gelobt werden. Bewerten die ausländischen Magazine den Titel im Schnitt ein paar Punkte tiefer, sieht das dementsprechend verdächtig aus. Natürlich darf man bei dieser Beobachtung nicht außer Acht lassen, dass es sich bei den Spielen meist um Adventures handelt. Ein Genre, das seine Zielgruppe ganz klar im Inland sieht. Trotzdem muss auch ich gestehen, die Anzweiflungen meist ähnlich zu sehen. Oder liegen bei uns die Ansprüche an ein gutes Adventure tiefer, da wir sie so mögen?

Warum ich mir die Frage stelle? Weil ich die vorigen zwei Nachmittage mit der ersten Hälfte von Harveys neue Augen, dem direkten Nachfolger zum überdrehten Edna bricht aus, verbringen durfte. Im Vorfeld hörte ich nämlich nur positive Eindrücke des grotesken Humors, dem Spielablauf und der Synchronisation.

Doch so sehr ich den Erstling auch mochte und die in das Projekt investierte Arbeit schätze, kann ich mich diesem Lob nicht anschließen. Und bevor ich gleich in den Kommentaren damit bombardiert werde, dass es sich nicht um ein schlechtes Spiel handelt, sage ich es euch gleich. Harveys neue Augen ist – zumindest in der ersten Hälfte – alles andere als ein schlechtes Spiel. Nur handelt es sich bei dem mir vorliegenden Titel schlichtweg nicht um eine makellose Perle, sondern um einen guten Rätselspaß mit argen Problemen.

Eine große Schwierigkeit resultiert aus dem Verhalten der neuen Protagonistin. Ihr übernehmt nicht mehr die Rolle von Edna, sondern löst die Aufgaben mit der zierlichen Lilli, die zusammen mit Edna in einem Kloster lebt. Den kompletten Austausch der Protagonistin halte ich für die richtige Entscheidung.

Das Highlight der ersten Hälfte: Der alte Greis.

Immerhin trefft ihr auf genügend Personen des Vorgängers und auch Harvey gesellt sich im späteren Verlauf zu euch. Der Haken an der Sache: Lilli spricht keinen Ton und äußert bei Gesprächen nur nervende Laute. Stattdessen gibt ein Erzähler ihre Gedanken wieder und interpretiert diese.

Leider spricht dieser wie ein christlicher Betreuer, der einer Runde Kleinkinder beim Lagerfeuer Geschichten erzählt. Wenn er versucht, sich über Lilli lustig zu machen, funktioniert das nie, da er immer viel zu langsam redet und die Wörter stark überbetont. So eine Beziehung funktioniert nur bei einem sarkastischen Unterton. Zudem ist Harveys neue Augen kein Kinderspiel, bei dem es vielleicht noch passen würde. Zwar suggeriert der Anfang eine friedliche Umgebung, doch nachdem Lilli mit einer Termitenarmee ihren Mitschüler tötet, stellt sich der erwachsene Unterton langsam ein.

Björn Balg Avatar
Björn Balg: Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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