Heavenly Sword
Kleine oder große Schwester?
Manchmal ist es einfach schön auf dem Land zu wohnen. Die idyllische Umgebung verwöhnt das Auge und die ausgesprochene Ruhe, fernab jeder Rush Hour, wirkt entspannend auf das Gemüt.
Aber manchmal könnte man auch Mäuse melken. Denn auf dem Land zu wohnen, bedeutet auch – zumindest in meinem Fall – mit einer vorsintflutlichen Bandbreite zurechtzukommen. 512 Kbit. KILObit. Kein Mega, kein Giga. Nein, KILObit. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag“, sagte am Donnerstag die nette Damen von der Bäckerei um die Ecke zu mir. Am liebsten hätte ich die Semmeln in hohem Bogen wieder zurück in den Korb gedonnert.
Einen schönen Tag? Ich kann keinen schönen Tag haben. Heute ist die Demo zu Heavenly Sword erschienen. Ich will/muss einen Artikel darüber schreiben, aber ich lebe in der Steinzeit. Zumindest wenn es ums Internet geht. „Das Leben rennt in diesem gottverlassenen Kaff an Euch vorbei! Myspace, Youtube, Google, Web 2.0, Xbox Live, PSN. Internet. Schon mal gehört? Jenseits der großen Straße gibt es Dörfer mit tausend Mal so vielen Menschen wie hier. Da kann man seine Brötchen per 'E-Mail' bestellen!“, wollte ich sagen. Aber ich biss mir auf die Zunge, setzte mein bestes Lächeln auf und verabschiedete mich höflich. Der Download dauert ja nur 10 Stunden. 10 Stunden, in denen ich noch mal reflektieren kann, warum ich mich eigentlich so sehr auf Heavenly Sword freue.
Heavenly Sword wurde seit der ersten Präsentation oft als Goddess of War bezeichnet – in Anlehnung an God of War. Viele sehen in Nariko also Kratos' Schwester. Und das sage ich absichtlich ohne Adjektiv. Das wäre nicht angebracht. Schließlich wird sich noch herausstellen müssen, ob es sich um eine kleine oder große Schwester handelt. Und die Demo wird das auch noch nicht beantworten können.
Es gibt aber noch mehr Gründe warum Heavenly Sword so im Rampenlicht steht. Zum Beispiel ist es ein Exklusiv-Titel für die PS3. Und gerade weil diese noch spärlich gesät sind, ist die Aufmerksamkeit umso höher. Ungefähr so wie bei der Formel 1. Die einen warten auf das sehenswerte Überholmanöver, die anderen auf den Crash der Saison. Freude und Schadenfreude. Es ist die die Erwartungshaltung aus beiden Lagern, die einen Exklusiv-Titel immer etwas Prickelndes gibt.
Abseits dessen – und das ist jetzt vollkommen subjektiv – stehe ich einfach auf japanische Schwerter. Große, die mit beiden Händen gehalten werden müssen. Kleine, von denen man zwei gleichzeitig schwingen kann. Ich mag diese völlig unsinnigen, über-stilisierten Klänge, die sie in Filmen und Spielen von sich geben. Tsching, Tsching. Raaaatsching! Super, oder?
Und los geht's
Nach etwas weniger als 10 Stunden war die Demo geladen, kürzer als ich ursprünglich im Kopf überschlagen hatte. In der Aufregung übersprang ich versehentlich durch ungeschicktes Button-Mashing das Intro – was sich als Fehler herausstellen sollte, denn gerade die Zwischensequenzen sind in Heavenly Sword vom Allerfeinsten.
Und so steht Nariko bei meinem ersten Aufeinandertreffen mit Heavenly Sword plötzlich in einer Landschaft aus dem Bilderbuch: Im Vordergrund wehen ein paar Gräser im Wind, im Hintergrund Wasserfälle, die den Weg in ein tief liegendes Tal weisen. Dazu fernöstliche Sphärenklänge. Ja, genauso hatte ich mir das eigentlich vorgestellt.
Die erste Szene führt gleich zu einem Quicktime-Event. Mitten im Tal steht eine riesige Säule, eine Plattform auf dem Weg zur anderen Seite des umgebenden Gebirges. Nariko springt auf eines der Seile, die zu dieser Säule gespannt sind. Ein Sprung, ein Salto nach rechts. Das Seil wird auf der anderen Seite gekappt. Salto nach links, noch ein Sprung und zum Abschluss kriegt der erste Widersacher auf der Plattform noch einen Stiefel ins Gesicht. Dabei ist Heavenly Sword sehr nachsichtig, wenn man – so wie ich – nicht innerhalb eines Wimpernschlags den richtigen Knopf drückt. Sehr schön, denn so lässt sich die rasante Rutschpartie besser verfolgen.