Hellgate: London
Die Hölle auf Erden
So bewegt sich zum Beispiel die Beschwörerin auf dem schmalen Grad zwischen Dämonenanbetung und menschlichen Heilsversprechen. Sie (oder er) setzt auf klassische Schusswaffen und mächtige Kreaturen, die sie gegen ihresgleichen in die Schlacht wirft. Ihre Defensiv-Fähigkeiten sind überragend, da immer ein lebender Schutzschild zur Hand ist. Dafür sind die Kämpfe mit ihr oft von zäher Natur. Die Kreaturen teilen im Allgemeinen weniger Schaden aus als ein Blademaster mit zwei mächtigen Schwertern.
Mit diesem Recken richtet Ihr indes innerhalb kürzester Zeit ein Blutbad an, das ganze Level-Abschnitte in ein kaltes Grab verwandeln. Doch werden seine wirbelnden Klingen von den Gegnern gestoppt und aus dem Rhythmus gebracht, kann er im Nahkampf schnell den Kürzeren ziehen.
Das Gameplay pulsiert in einem ganz unverwechselbaren Rhythmus, der jeden Charakter zu einem ganz eigenen Spielerlebnis verhilft. Ihr visiert Euren Gegner an, drückt ab und löst mit der Tastatur Zauberkräfte und Spezialfähigkeiten aus. Die Trefferzone fällt dabei deutlich größer aus als bei Ego-Shootern. Viel Geschick ist also nicht nötig, um den Gegner zu erwischen. Mit Shift löst Ihr in Ruhephasen einen Sprint aus, der Euch lange Laufwege erspart. Taktiken, Schadenarten, Gegnerklassen und Skillbäume ergeben ein dichtes Geflecht von Möglichkeiten und Chancen, die aber wie schon beim Original auch in bitteren Sackgassen enden können.
Aber Hellgate: London ist trotz all der Ähnlichkeit kein Diablo 3. Es gibt regenerierende Schutzschilde, Schusswaffen für nahezu jeder Klasse, deutlich kürzere Level und ein von der Realität inspiriertes Setting. In vielen Punkten ist Hellgate: London somit ein Schritt nach vorne, allerdings finden sich auch ein paar Altlasten, die so gar nicht in das neue Konzept passen. Vor allem die Präsentation wirkt abseits der schicken Intro-Sequenzen recht mager.
Obendrein werden die Questdialoge in drögen Textkästen erzählt, die man reflexartig wegdrückt. Unterstützt durch verschwommene Charakterbilder, die so gar nicht in das sonst sehr gelungene Gesamtbild passen, hat Hellgate hier ein Chance verpasst. Getreu Titan Quest ermüden die Textwüsten auf lange Sicht und machen die kreative Story nahezu obsolet. Statt also die Charaktere in Ingame-Sequenzen glaubhaft zu machen, ist einem das Schicksal dieser Figuren sehr schnell egal.
Dies liegt natürlich auch an den unkreativ gestalteten Aufgaben, die die Bewohner verteilen. Bis zu einem gewissen Maß muss man wohl mit Abschlacht-Quests zurecht kommen, aber warum findet man davon allein in den ersten Abschnitten gleich ein Dutzend? Später bessert sich dieser Umstand, bis dahin muss man jedoch schon ein wenig Sitzfleisch beweisen, denn ohne viele tote Zombies wird das nichts mit der Abwechslung.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Schauplätzen. Anfangs marschiert man immer durch die gleich aussehenden Kanäle, zerstörten Außengebiete und Höllen-Abschnitte. Erst im zweiten Akt gewinnt der Titel auch optisch an Fahrt und präsentiert echte Schmuckstück, wie etwa den Chocolate Park, die Piccaddily Hell und das Britische Museum. Die Größe der Abschnitte variiert stark, doch haben die Entwickler viel Wert darauf gelegt, dass man auch in einer halben Stunde in der Geschichte voran kommt. Hellgate: London soll damit noch stärker Gelegenheitsspieler ansprechen, ohne an Spieltiefe einzubüßen.