Homefront
Harter Tobak
Was kann, darf und sollte man zeigen? Dürfen Spiele ernste Themen aufgreifen und auch drastisch darstellen? Wo zieht man die Grenze zwischen „gerade noch so erlaubt und atmosphärisch" und „über das Ziel hinausgeschossen und falsch"? Fragen, die hier und an anderer Stelle immer wieder heiß diskutiert werden. Wie jedes relativ neue Medium suchen auch Computer- und Videospiele ihren Platz in unserem Leben. Es geht oft darum, ob eine so auf Spaß getrimmte Unterhaltungsform sich mit komplexen und ernsten Themen nicht einfach übernimmt.
Homefront ist so ein Fall. Die amerikanischen Entwickler bewegen sich bei Darstellung und Story auf dem schmalen Grad zwischen packender, emotionaler Geschichte und einer reißerischen, unnötig detaillierten Polarisierung. Ja, die Nordkoreaner als solche sind austauschbar und könnten auch einen Turban tragen, doch muss man so ins Detail gehen, Folter und Massenerschießungen zeigen? Eine Frage, auf die es keine einfachen Antworten gibt.
Nach unserem kurzen Einblick in die Kampagne in New York gab es nun endlich die Möglichkeit, mehr vom Spiel zu sehen. Und nach dem ersten, durchaus atmosphärischen, aber auch knallharten Abschnitt, der einen ersten Ausblick auf die Brutalität der Nordkoreaner und das Leiden der Zivilbevölkerung ermöglichte, geht es in Level 2 und 3 nicht harmloser zu. Hauptdarsteller Jacob wurde gerade aus den Fängen der Invasoren befreit und scheint sich endlich in Sicherheit zu befinden. In dem kleinen Örtchen Haven erwacht er nach einer viel zu kurzen Nacht. Seine Fähigkeiten als Pilot haben ihm scheinbar die spektakuläre Rettungsaktion eingebracht. Aber noch ist er ratlos, was der Widerstand genau von ihm will.
Nach der hektischen Ballereinlage am Ende des ersten Kapitels liefert der Spaziergang durch das Dorf eine willkommene Abwechslung. Während er mit Boone über den sonnenüberfluteten Garten flaniert, kann er mit den Bewohnern sprechen. Diese erzählen vom harten Alltag im Untergrund. Die vielen Kompromisse, die die kleine Gemeinschaft zu machen hat. So wird das Wasser für die Bewässerungsanlage von einem umgebauten Stepper auf die Felder gepumpt. Ziegen werden gemolken. Und selbst die Kinder müssen dabei helfen, die Felder zu bestellen. Trotzdem wirkt der Ort friedlich, fernab der Grausamkeiten in den Städten und Lagern. Und macht auch optisch ein gute, aber keine überragende Figur. Dazu fehlt es einfach an dem letzten Fünkchen Polishing, noch detaillierteren Figuren und besseren Spezialeffekten.
Doch Jacob kann und darf nicht zur Ruhe kommen. Zusammen mit Boone, Rianna und Connor soll er Peilsender besorgen, um sie an Tanklastwagen anzubringen, bevor sie in Richtung San Francisco verschwinden. Dort ist scheinbar ein großer Schlag gegen die Besatzer geplant. Um was es genau geht, wollen die Rebellen-Kollegen aber nicht verraten. Um an die Sender zu kommen, verlässt die kleine Truppe durch einen unterirdischen Tunnel Haven und schleicht sich langsam an ein Arbeitslager heran, das wiederum von einem autonomen Geschützturm bewacht wird.
Doch vorher gilt es sich erst einmal, die menschlichen Aufpasser aus dem Weg zu räumen. Ausgerüstet mit einem Sturmgewehr, geht es gegen ein ganzes Dutzend Nordkoreaner. Die Waffen fühlen sich satt und zielgenau an. In den ersten drei Abschnitten findet ihr diverse Sturmgewehr-Modelle. Mal mit, mal ohne Visier, mit unterschiedlicher Durchschlagskraft und Magazinkapazität. Nebenbei noch zwei leichte Maschinengewehre und eine Scharfschützen-Waffe. Bisher keine Schrotflinte oder etwas Ausgefalleneres, etwa einen Granatwerfer. Genau wie die künstliche Intelligenz, die sich zwar immer wieder in Deckung schmeißt, aber euch nie flankiert, Genre-Durchschnitt.
Dann die Selbstschussanlage: Ein autonomes System mit Laser-Scanner und 20 mm-Kanone. Einfach draufhalten bringt wenig. Stattdessen von Deckung zu Deckung sprinten, den Antriebsgenerator finden und per Granate ausschalten. Unterm Strich nett gemacht, aber im Laufe der Mission etwas überstrapaziert. Nach dieser kurzen Action-Explosion wieder eine ganz bewusste Verlangsamung. Die vier Kämpfer betreten das Arbeitslager und starren dabei in den Abgrund. Eingepfercht in einem Football-Stadion vegetieren hier Hunderte Amerikaner vor sich hin. Werden wie Tiere immer wieder in die Minen und Baustellen gejagt. Es zerreißt einem förmlich das Herz, wenn sich ein kleiner, abgemagerter Junge eurer Gruppe nähert und um etwas zu Essen bettelt.