Hydrophobia
Ertrunken in Ambitionen
Wasser ist ein natürlicher Feind des Videospielers. Es fungiert als Begrenzung bestimmter Umgebungen und tötet viele scheinbar unverwundbare Helden, die nie schwimmen gelernt haben. Doch sogar wenn der Protagonist ohne Schwimmflügel ins kühle Nass kann, ist die Steuerung eine ständige Qual. Seitdem das Medium die dritte Dimension für sich entdeckte, gehörten Abschnitte unterhalb der Meeresoberfläche zu meinen meistgehassten Einlagen. Das trübe Blau versperrt einem die Sicht, die Kamera schwenkt unkontrolliert umher und auch die Figur selbst bewegt sich wie ein Panzer.
Genau dieses Problem existiert in Hydrophobia nicht. Sobald ihr euch unter Wasser befindet, steuert sich die Hauptfigur einwandfrei. Haltet den linken Stick in die gewünschte Zielrichtung gedrückt und lenkt dabei die frei bewegliche Kamera. Sogar eine Kehrtwende führt ihr ohne Schwierigkeiten aus. Per Knopfdruck taucht ihr senkrecht ab oder auf. Das erste Mal fühlte ich mich in einem Spiel wohl, während mehrere Hektoliter Wasser den kompletten Körper meiner Figur einhüllten.
Doch sobald sich die Ingenieurin im Trockenen aufhält, herrscht das genaue Gegenteil. Es scheint, als ob sich Dark Energy Digital nur auf das nasse Element konzentrierte und das restliche Spiel um eine beeindruckende Physik-Engine geschnürt hat. Diese zeigt das realistische Verhalten von verschiedenen Wassermassen, die aufeinander stoßen. Zerstört eine große Glaswand, hinter der sich eine überflutete Kammer befindet, und der gesamte Inhalt strömt in wenigen Sekunden physikalisch korrekt in den Gang, zieht Objekte sowie Personen mit sich und schränkt euch teilweise in euren Bewegungen ein.
Man merkt dem fertigen Spiel seine großen Ambitionen an, die bei der Geschichte beginnen. Die auf insgesamt drei Teile ausgelegte Story startet mit einem Terrorangriff auf das gigantische Ozean-Fahrzeug Queen of the World, das von der Größe her einer Stadt ähnelt. Ihr schlüpft in die Rolle der nichts ahnenden Kate Wilson und kämpft auf der Suche nach einem Ausgang aus dem Chaos gegen die extremistischen Malthusians. Was sich zunächst relativ interessant anhört, verkommt in den folgenden vier Stunden zu einem langweiligen Verschwörungs-Thriller, bei dem weder die nervigen Charaktere mit ihren mittelprächtigen Stimmen noch die „Wendungen" interessieren. Solltet ihr dennoch wissen wollen, wie es weitergeht, verärgert euch das abrupte Ende im Stile eines Halo 2 garantiert.
Bei den restlichen Spielelementen sieht es zu eurem Leidwesen nicht besser aus. So ziemlich jeden Aspekt, der nichts mit der hauseigenen HydroEngine zu tun hatte, vergeigte man auf Anhieb. Bewegt sich Kate unter Wasser äußerst geschmeidig, steuert sich die Heldin auf trockenem Untergrund so schwammig, dass ihr ständig gegen Objekte lauft oder über das Ziel hinausschießt und somit in einem Abgrund landet, was teilweise an der ungenauen Kollisionsabfrage liegt. Ihr bleibt an Kisten hängen, die einen halben Meter von euch entfernt stehen, oder sterbt im schlimmsten Szenario, falls ihr Feuer fangt, obwohl ihr die Flamme gar nicht berührt.
Generell sind die unfairen Tode das zentrale Problem, die auf weitere Programmierfehler zurückzuführen sind, bei denen man sich wirklich fragt, wie solche Dinge beim Testen nicht auffielen. Ich persönlich unterstütze den Schritt zu einem klaren Bildschirm, befreit von jeglichen Anzeigen. Warum ich aber keinen Indikator für meinen verbleibenden Sauerstoff erhalte, sobald ich abtauche, ist mir schleierhaft. Schließlich führt dies bloß zu unnötigem Frust.
So erreiche ich in der ersten Hälfte einen überfluteten Fahrstuhlschacht, in den ich hineinspringe. Der einzige Weg führt mehrere Meter tief nach unten. Ich öffne vor mir die erste Tür und tauche weiter in den verwinkelten Korridor. Plötzlich färbt sich der Rand meines Bildschirms rot ein. Der Farbton bleibt nach ein paar Sekunden unverändert, bis Kate im nächsten Moment ertrinkt. Zwei weitere Versuche später, in denen ich den gesamten Bereich abgesucht habe, schwimme ich in die untere Etage und finde nach drei erneuten Toden endlich den gesuchten Ausgang, den euch das Spiel auf der unübersichtlichen Karte natürlich nicht anzeigt. Stattdessen wandert ihr viel zu häufig durch die immer gleichen Gänge und sucht verzweifelt den richtigen Pfad.