inFamous
Potential verschenkt
BÄM! Eine gewaltige Explosion erschüttert die Stadt, hinterlässt einen großen Krater, haufenweise Trümmer, ein Flammenmeer. Und mittendrin stehe ich. Ahnungslos, verwirrt. Was ist gerade passiert? Wieso bin ich mitten in diesem Chaos? Und warum lebe ich noch? Gleich zu Beginn wirft inFamous mit einem großen Knall wichtige, entscheidende Fragen auf.
Fragen, die ein äußerst spannendes Spiel versprechen. Und in den ersten Stunden lebt inFamous diesen Traum auch auf jedem Zentimeter aus. Man rennt wie ein Wilder durch die Straßen, hangelt sich an Fenstern, Laternenmasten und Stahlträgern in schwindelerregende Höhen, huscht elegant über herabhängene Stromkabel von Dach zu Dach. Oder springt voller Tatendrang ins kühle Nass, um anschließend feststellen zu müssen, dass man aufgrund seiner neuen "Beschaffenheit" - nämlich bis zu den Ohren mit Elektrizität geladen zu sein - einige Minuten später stirbt.
Die anfänglichen Momente verbringt man also hauptsächlich damit, seine Fähigkeiten und Grenzen kennenzulernen. Man will herausfinden, wie diese lebendige Stadt auf die eigenen, von gut und böse durchtränkten Handlungen reagiert, wie sehr die offene und dynamische Welt das Gameplay bereichert. Learning by doing heißt in diesem Zeitraum vornehmlich die Devise. Man fühlt sich nahezu unsterblich, heldengleich. Und Protagonist Cole scheint sich in der Tat von nichts aufhalten zu lassen, alles zu können – außer Autofahren.
Zugleich verfügt er über die Fähigkeit, aus seiner Verwandlung Nutzen ziehen zu können, beherrscht die Elektrizität und setzt sie für seine Zwecke sein. In den Gefechten zucken folglich Blitze durch die Luft, Funken regnen nieder, Autos werden zu tödlichen Geschossen und explodieren. Dagegen wirkt selbst Storm wie ein laues Lüftchen. Zuweilen hat man sogar beinahe das Gefühl, einen entfernten Verwandten von Vaders Schüler aus Star Wars: The Force Unleashed zu spielen. Allem voran natürlich aufgrund der an die Sith-Kräfte erinnernden Blitze. Elektrische Schockwellen schleudern indes analog zum Machtstoß Gegner und Objekte durch das Areal.
Durch all das macht inFamous, wie bereits erwähnt, besonders zu Beginn verdammt viel Spaß. Man experimentiert mit seinen Fähigkeiten, gewinnt nach und nach neue hinzu. Und es sieht einfach ungemein cool aus, wenn man über Stromkabel zum nächsten Gebäude oder über die Bahn-Schienen durch die Stadt rutscht, während an den Füßen Funken sprühen und man gleichzeitig den Feind mit Blitzen bombardiert.
Aber da gibt es eben noch die andere Seite. Die die einschlägt, sobald ein wenig mehr als 5-6 Stunden in die verwüsteten Stadtteile ziehen. Denn leider vermag es inFamous nicht, diese frühe Euphorie beizubehalten. Um es gleich vorweg zu nehmen: Das betrifft weniger die Geschichte, zu der man ohne große Spoiler kaum näheres erzählen kann. Nur soviel: Das Ende beantwortet viele zuvor aufgeworfene Fragen der anfangs sehr rätselhaft erscheinenden Erzählung, lässt aber andere Dinge ungeklärt beziehungsweise unklar erscheinen.
Der Titel aus dem Hause Sucker Punch leidet vielmehr unter dem gleichen Problem wie zuvor schon Crackdown und Assassin's Creed. Dem immergleichen Ablauf, der fehlenden Abwechslung. Die Missionen sind größtenteils austauschbar, an sich nichts Besonderes. Und auch die Nebenaufträge, die einem helfen, die Bereiche der Stadt feindesfrei zu bekommen, greifen lediglich auf einen Pool von ca. fünf Gameplay-Typen zu. Beschäftigen sich mit Kurierdiensten, kleineren Attentaten oder der Vernichtung von Überwachungskameras. Prinzipiell geht es zumeist nur darum, irgendetwas in die Luft zu jagen, Gegner zu töten oder Generatoren mit Strom zu versorgen. Elektrizität ist zugleich der Kern des Spiels. Alle Kräfte und viele Fortbewegungsmöglichkeiten bauen auf eben diesem Element auf. Das Kuriose daran ist, dass diese Ausnutzung der Elektrizität nicht gänzlich durchdacht scheint.
Für den Großteil der im Spielverlauf freigeschalteten Kräfte braucht man nämlich Saft, den man Autos, Strommasten oder Generatoren aus der Stadt entzieht. Die sind zwar an so gut wie jeder Ecke anzutreffen, doch das eigentliche Manko sitzt woanders. Eine wirkliche Nutzung seiner Möglichkeiten, also mal Blitzbomben mit Machtstoß mit Blitzraketen zu kombinieren, wird selten gefordert. Man macht es, weil es optisch besser rüberkommt. Alles in allem reicht es aber völlig aus, wenn man ausschließlich den normalen Blitz benutzt, der unbegrenzt oft abgefeuert werden kann.
Jedweder Gegner im Spiel lässt sich damit auf kurz oder lang ausschalten, selbst die enttäuschenden Bossgegner halten dem nicht stand. Die Kräfte stehen wiederum auch im Zusammenhang mit dem traurigen Höhepunkt des Missionsdesigns. Mehrmals muss man sich gegen wahre Armeen von Feinden zur Wehr setzen. Rein zufällig steht man dabei stets auf einem Generator oder Beförderungsmittel, das dauerhaft mit Energie versorgt wird und Cole folgerichtig einen unbegrenzten Vorrat beschert.