inFamous
Potential verschenkt
Was beim ersten Mal noch nett anzusehen ist, wird spätestens beim dritten Ablauf zur stupiden, anspruchslosen Schießbude. Man zielt einfach nur in Richtung der anstürmenden Meute und lässt seine stärksten Attacken – das elektrische Äquivalent zu Granaten und Raketen – per Dauerfeuer auf sie niedergehen. Zwischen all den Bildschirmfüllenden Explosionen haben die Gegner einfach keine Überlebenschance.
Selbst der Erwerb neuer Kräfte ist nicht mehr als die Absolvierung eines generischen Abschnitts, den man immer und immer wieder durchläuft. Zwischen den eigentlichen Hauptmissionen klettert Cole ab und zu mal in die Kanalisation hinab, um den Strom in einem Stadtteil wiederherzustellen.
Seine neues Spielzeug ergattert er, indem er anfangs den Kontakt zwischen zwei Leitungen spielt. Anschließend geht es durch einen Hüpf- und Kletterparcous zum Generator am Ende des Abschnitts, den man mit Blitzen vollpumpt und so die Lichtlein aufleuchten lässt. Variation findet man hier lediglich in Form von unterschiedlich angeordneten Rohren, Leitern oder Gegnertypen, die für ein wenig Widerstand sorgen.
Wesentlich besser und stimmiger ist da schon die Umsetzung des Karma-Systems gelungen. inFamous ist im Grunde kein Superhelden-Spiel. Ob der ganz gewöhnliche Cole, der plötzlich über Superkräfte verfügt, nun zum strahlenden Helden aufsteigt oder zur absolut fiesen Sau verkommt, liegt alleine in der Hand des Spielers. Ganz nach den im Spielverlauf getroffenen Entscheidungen richtet sich das Verhalten der Bewohner von Empire City.
Agiert man vorbildlich, heilt verwundete Passanten, füllt die "blaue Anzeige" mehr und mehr, jubeln sie einem nach einer Weile zu und machen Fotos, während man durch die Straßen läuft. Lässt man hingegen die Sau raushängen, nimmt in den Missionen Kollateral-Schäden freudig in Kauf, verändert sich das Aussehen und die Leute beschimpfen Cole, laufen weg oder bewerfen ihn mit Steinen. Durch solch kleine, auf den ersten Blick unscheinbare Details fühlt man sich wirklich geliebt oder gehasst.
inFamous lässt einem dabei stets die Wahl, ob man eine Mission nun auf die gute oder auf die schlechte Art und Weise löst. Selbst bei extra auf "gut" und böse" markierten Missionen. Das fängt an bei kleineren Entscheidungen, etwa ob man Lebensmittel für sich behält oder der Stadt überlässt, und zieht sich bis hin zu Momenten, in denen es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben oder Tod geht. Relativ früh verlangt beispielsweise eine Kontaktperson von Cole, dass man einen Zug rettet und zum Zielbahnhof führt.
Da man selbst elektrisch geladen ist, muss man sich dazu nur aufs Dach des ersten Wagons stellen, das Vehikel so mit Strom versorgen und gelegentlich unter den Gleisen ein Relais reaktivieren. Das Vorgehen bei diesen Aufgabenstellungen bestimmt, ob das Ergebnis letztendlich gut, neutral oder böse ausfällt.
Geht man bei der Bekämpfung der im Verlauf der Mission immer wieder auftauchenden Gegner vorsichtig vor, sind am Ende alle glücklich. Nimmt man hingegen keine Rücksicht, jagt Autos in die Luft und kümmert sich auch nicht um im Weg stehende Passanten, fällt das Resultat weniger erfreulich aus. In ersterem Fall jubelt die Bevölkerung schlussendlich Cole in den im Stile eines Comics gehaltenen Zwischensequenzen zu. Als Fiesling wird man trotz der Rettung des Zuges wüst beschimpft. Zum Dank dafür grillt er kurzerhand einen der Umherstehenden, um sich Respekt zu verschaffen.
Das Gut-Böse-Element zieht sich auch durch weitere Bereiche des Spiels. Je nach Gesinnung unterscheiden sich die in drei Stufen durch gesammelte Erfahrungspunkte aufrüstbaren Kräfte mal mehr, mal weniger. Der Standardblitz ist zunächst nur dafür gedacht, Gegner und Bomben zu grillen. Auf der zweiten, dann dritten Stufe stellt er für gute Streiter gleichzeitig ebenso die eigene Energie und Gesundheit wieder her.
Spielt man als Schurke, kann ein Treffer eine elektrische Explosion auslösen, die nahe Feinde in Mitleidenschaft zieht. Ähnlich sieht es bei der Schockwelle aus. Als Held befördert man Objekte lediglich in die Luft. Der Fiesewicht elektrisiert hingegen die Opfer im Bereich der Schockwelle und bringt später zusätzlich Autos zur Explosion.