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inFamous

Potential verschenkt

inFamous hat seine deutlichen, nicht wegzudiskutierenden Probleme. Und dennoch versprüht die Freiheit eine gewisse Faszination, die mich auch schon das ähnlich gestrickte 360-Abenteuer durchspielen ließ. Wenn man denn zu Experimenten gewillt ist, erlebt man einige coole Situationen, in denen ganze Tankstellen in die Luft fliegen und alles in näherer Umgebung mitreißen, oder umherfliegende Autos gleich mehrere Feinde plätten.

Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, während der Konfrontationen in der offenen Welt alternative Routen auszuprobieren. Ist die Befestigung zu stark oder das Feindaufkommen zu zahlreich, nimmt man beispielsweise einfach den Weg über das Dach, von der Seite oder von hinten und fällt den Widersachern damit in den Rücken. Das ist öfter auch bitter nötig, da das im Übrigen variationsarme Feindaufgebot - besteht lediglich aus einer Handvoll Schergen - stets für eine Herausforderung sorgt.

Man kann zwar Coles Schadensabsorbierung verbessern und bekommt später einen Energieschild, die gleichen Gegnertypen wie zu Anfang zwingen ihn aber dennoch recht schnell in die Knie. Das passt einerseits zu der These, dass Cole kein echter Superheld á la Superman ist, andererseits wünscht man sich, nicht ständig auf die 08/15-Feinde achten zu müssen.

Allem Anschein nach war Cole zudem bei Altair in der Lehre, klettert er doch kinderleicht selbst an den steilsten Fassaden empor. Wo auch immer ein Fenster, ein Abwasserrohr oder ein Balkon ist, zieht er sich gen Himmel hinauf. All das geht dank der einfachen, unkomplizierten Steuerung (der X-Button mitsamt Stick reicht dafür aus) wunderbar nahtlos ineinander über und fühlt sich gleichzeitig sehr natürlich an.

inFamous - Gameplay-Video

Nur manchmal reagiert die entsprechende Mechanik fast schon ein wenig zu empfindlich. Hüpft Cole zwischen ein paar Bäumen hindurch, greift er gerne mal automatisch nach einem davon, wenn er ihm zu Nahe kommt. In dem Fall hechtet man entweder munter weiter von Grünzeug zu Grünzeug, ohne sich daran zu stören, oder springt per Tastendruck wieder zu Boden, um den Weg zu Fuß fortzusetzen.

Dummerweise kommt die ganze Kletterei im gesamten Kontext nur geringfügig zur Geltung, spielt keine alles entscheidende Rolle. Ja, man kann im normalen Spielverlauf über die Häuser hopsen. Ja, man kann sich an einen Vorsprung oder ein Rohr hängen und von dort aus Feinde unter Beschuss nehmen. Zwingend notwendig ist die Nutzung der Akrobatik allerdings ausschließlich in der Kanalisation und in einigen wenigen Missionen.

Im letzten Drittel des Spiels soll man zum Beispiel einen halb zerstörten Turm erklimmen, was sich zu einer waghalsigen Aktion entwickelt. Der direkte Weg ist unzugänglich, also hangelt man sich in schwindelerregenden Höhen an herausstehenden Trümmerteilen, Schildern und Rohren entlang, dabei ständig den tiefen, schon verschwommenen Abgrund im Blickfeld.

Besonders spannend und nervenzerreißend wird die Angelegenheit dadurch, dass man ausgerechnet hier den nächsten Speicherpunkt erst nach dieser anfangs gut und gerne fünfminütigen, nach dem ersten Versuch aber schneller zu absolvierenden Sprung- und Kletterpassage erreicht. Scheitert man beim letzten Absprung, darf man zwei Ebenen tiefer wieder von vorne loslegen. Erfreulicherweise stellt das nur die Ausnahme dar. Ansonsten sind die Checkpoints fair und regelmäßig verteilt. Speichern kann man indes jederzeit, nach dem Ladevorgang erwacht man jedoch auf einer Parkbank in der Nähe.

inFamous - Kurier-Seitenmission

Benjamin: Meine Wertungsfindung für inFamous war wie eine kleine Achterbahnfahrt. In den ersten Stunden schoss meine Freude nach oben und hatte ich wirklich viel Spaß mit dem Spiel, was speziell an den neuen Kräften und dem Herumexperimentieren mit den verschiedenen Möglichkeiten lag. Hier wäre ich durchaus bereit gewesen, dem Spiel eine 8 zu verleihen. Je länger man aber spielt, desto mehr offenbart sich das wahre Gesicht. Abseits des Kletterns und der elektrisierenden Fähigkeiten fehlen inFamous einfach die Spannungsmomente.

Stellenweise erweckt das Spiel den Eindruck, als hätte man bei einigen Elementen nicht ganz zu Ende gedacht. Die einzelnen Kräfte sind zweifelsohne gelungen. Die Frage ist nur: Warum überhaupt einsetzen, wenn auch alles mit dem Standardangriff funktioniert? Ein anderes Beispiel sind die Missionen, die einen viel zu generischen, uninspirierten Eindruck hinterlassen. Bei den Nebenmissionen könnte ich das noch verzeihen, aber bei der Story? Da muss schon deutlich mehr kommen. Alles in allem ist inFamous ein Titel mit interessanter Geschichte, abwechslungsarmen Missionen und gutem Gameplay mit einigen Macken. Die anfängliche Faszination verfliegt mit der Zeit immer mehr und offenbart, dass unter der schicken Oberfläche viel ungenutztes Potential schlummert. Und das finde ich sehr bedauernswert, denn inFamous hätte wirklich "famous" werden können.

Tanja: Zu Beginn wirkt inFamous wie ein waschechter 9er-Titel. Alles ist frisch, unterhaltsam, spannend. Zieht einen vollkommen in das Spiel hinein, lässt Stunden wie Minuten vergehen. Man klettert, schwingt, schlittert, bombadiert Feinde mit Blitzen und freut sich ob seiner unglaublichen Kräfte. Aber je mehr man unter die Oberfläche blickt, je mehr man die Bereiche der Stadtteile durch reguläre Nebenmissionen befriedet, umso schneller bemerkt man, wie sehr inFamous doch an dem Assassin's Creed-Syndrom krankt. Immer und immer wieder absolviert man die gleichen Aufgaben, immer und immer wieder nutzt man die selbe Vorgehensweise.

Und sobald einmal die Eintönigkeit mit ihren scharfen Krallen zugeschlagen hat, scheint es, als könne man ihr nicht mehr entkommen. Hier einen Schwall Gegner eliminieren, dort einen Schwall Gegner eliminieren. Und dann - Überraschung - noch ein Schwall Gegner, der über den Jordan springen möchte. Besonders schlimm: Wenn man zwei- oder dreimal hintereinander in den Nebenaufträgen den selben Missionstypen begrüßen darf. Etwas mehr Vielfalt auf diesem Sektor hätte bei inFamous schon Wunder gewirkt, die Spannungs- und Unterhaltungskurve aufrecht erhalten. So aber geht irgendwann der Spielspaß in die Knie und man verspürt den Wunsch, jegliche Nebenaufträge außer Acht zu lassen. inFamous hätte, wie Benjamin sagte, "famous" werden können. Das Ende vom Lied ist aber, dass es das leider nicht so ganz wurde....

inFamous erscheint am 27. Mai exklusiv für die PlayStation 3.

7 / 10

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