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Infinite Undiscovery

Endliches Unvermögen

Ich kenne Euch. Gebt's ruhig zu! Ihr habt diesen Artikel in erster Linie wegen seiner Unterzeile angeklickt, nicht wahr? "Endliches Unvermögen", das klingt ein bisschen nach Verriss - und ich weiß doch: Vernichtende Kritik schätzt Ihr insgeheim noch viel mehr als Lobeshymnen. Also will ich Euch nicht enttäuschen, Ihr sollt Euren Verriss bekommen. Bitte schön!

Infinite Undiscovery ist ein Desaster. Von den chaotischen Kämpfen über das absurde, langatmige Leveldesign, die abgrundtief öden Aufgaben und die lieblose Grafik bis hin zu den überwiegend unvertonten Zwischensequenzen. Die Geschichte des Spiels ist altbekannt, genau wie seine Charaktere, und der vermeintliche Held besitzt ungefähr soviel Profil wie die Sohle meines linken Schuhs. Verdammt wenig! Der einzige Grund, den Titel zu kaufen? Daran zu lernen, wie man ein Action-Rollenspiel auf keinen Fall designen sollte.

4/10

Nach zwei, drei Stunden Spielzeit war ich an einem Punkt angekommen, an dem ich mein Review am liebsten in diesem Stil runtergeschrieben hätte - nur, um Infinite Undiscovery nie wieder berühren zu müssen. Ich meine, warum soll ich um den heißen Brei herumreden? Das Spielen war beinahe eine Qual. Dass ich nicht aufgegeben habe, lag nicht zuletzt an meiner eigenen Ungläubigkeit: tri-Ace, die Entwickler, haben zuvor Star Ocean sowie Valkyrie Profile gemacht und sollen jetzt plötzlich alles verlernt haben? Das kann doch nicht sein! Und, wie sich in der Folge herausstellte, konnte das tatsächlich nicht sein.

Aya rettet Capell. Capell rettet Aya.

Urplötzlich kommt das Gefühl auf, als habe jemand einen tonnenschweren Hebel umgelegt. Statt engen, sich ständig wiederholenden Gängen, erkundet Ihr große Landschaften, Städte und Schlösser. Die Schlachten werden anspruchsvoller, dynamischer, abwechslungsreicher und in den Cutscenes lernen die tapferen Krieger auf einmal das Sprechen. Warum das nicht von Anfang an so ging, kann ich nicht einmal mutmaßen. Aber es ist ein schlimmer Fehler, denn wer Infinite Undiscovery probehalber mal anspielen will, wird unweigerlich enttäuscht sein. Gerade deshalb muss ich es so deutlich sagen, da der erste Eindruck hier täuscht wie bei kaum einem zweiten Titel.

Nun zum Spiel nach Stunde drei! Der junge Flötist Capell hat ein Problem: Er gleicht dem sagenhaften Helden Sigmund, wie sich sonst nur zwei eineiige Zwillinge gleichen. Und wenn man für einen sagenhaften Helden gehalten wird, jedoch keiner ist, kann das gewisse Schwierigkeiten mit sich bringen. Folglich sollte Capell wohl besser auch ein sagenhafter Held werden und da trifft es sich gut, dass er Sigmund und seinen Gefolgsleuten mehr oder weniger über den Weg läuft. Zu Euren Mitstreitern zählen unter anderem die attraktive Bogenschützin Aya, der supercoole Edward mit seinem großen Schwert, das kindliche Duo Rico und Rucha, die verführerische Michelle, der treue Hausbär Gustav...

Spezialattacken und Kombos richten mehr Schaden an.

Kurz und gut: Es ist eine ähnliche Mischung wie in so vielen japanischen Rollenspielen. Natürlich fühlen sich Capell und Aya zueinander hingezogen, tun allerdings zunächst so, als könnten sie sich nicht leiden. Natürlich verbirgt der perfekte Sigmund ein düsteres Geheimnis. Und natürlich ist Edward in Wirklichkeit gar nicht so kalt und hart, wie er stets tut. Gemeinsam müssen sie die Welt aus ihren Ketten befreien und das ist intelligenterweise durchaus wörtlich zu verstehen.

Überraschungen sind dabei Fehlanzeige, aber letztlich tut das der Unterhaltung keinen Abbruch. Es ist halt so wie bei vielen TV-Serien: Man weiß genau, was als nächstes passieren wird, wer mit wem, wer gegen wen und warum - doch man bleibt trotzdem dran, weil es ja irgendwo schön ist, bestätigt zu werden. Allenfalls Capell selbst ist mit seiner phlegmatischen Art auf Dauer ein gewisser Störfaktor, da er sich ununterbrochen von jedem herumschubsen lässt, ohne jemals den Mund aufzubekommen. "Hol Holz!", "Such meinen Bären!", "Geh nicht so weit weg", "Sprich nicht mit ihr!", "Tu dies, tu das!".