Medieval 2: Total War
It's like Movie Moments - Interview mit Mark Sutherns
Schlüpft schon mal in Euer Kettenhemd und stülpt Euch die Hundsgugel über! Der Trip ins finstere Mittelalter steht unmittelbar bevor: am 10. November soll die Verkaufsversion von "Medieval 2: Total War" in den Läden stehen. Wir trafen uns vorab in München mit Mark Sutherns, Creative Assemblys Marketing Manager für "Medieval 2", und plauderten mit ihm über Wikipedia, königliche Hochzeiten und Ridley-Scott-Filme …
Eurogamer: Hallo Mark, als ich in den letzten Wochen die Vorabversion von "Medieval 2: Total War" spielte, dachte ich mir bei den Echtzeitschlachten oft: Ist das mit den Formationen und dem Kriegsgerät vor 800 Jahren tatsächlich genau so abgelaufen oder spiegelt das Spiel nur das wider, was sich der kleine Fritz unter Mittelalter vorstellt?
Mark Sutherns: Nein, wir haben schon sehr ausführlich recherchiert, um das historische Setting so genau wie möglich der damaligen Realität nachzubilden. Unser Augenmerk richteten wir dabei auf Aspekte wie Kampf- und Waffentechniken, Religion und das Environment. Es ist sicher interessant zu wissen, dass im Mittelalter in manchen Regionen ganz andere Vegetation vorherrschte als heutzutage. Experten auf diesem Gebiet berieten uns und lieferten die Informationen, welche Bäume, Gräser und Sträucher damals in welchen Landstrichen der Welt zu finden waren. Und genau so haben wir das dann in "Medieval 2" umgesetzt.
Eurogamer: Schon faszinierend, wenn man ganz nah an die Einheiten auf dem Schlachtfeld heranzoomt und den ganzen Bewegungsabläufen zuschaut. Ich hab dann mal bei Wikipedia nachgeguckt, wie so eine Balliste funktioniert …
Mark Sutherns: Glaub nicht alles, was in Wikipedia oder generell im Internet steht. Da findet man zwar eine Unmenge an Informationen, aber man kann sich nie hundertprozentig sicher sein, ob diese dann auch wirklich korrekt sind. Da fängt einer an, eine Info zu posten, alle schnappen sie auf und verbreiten sie weiter, ohne ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Gut, wir haben auch viel im Internet recherchiert. Aber wir haben auch den Vorteil, dass bei uns mittlerweile sehr viele Designer und Entwickler arbeiten, die sich sowieso stark für das Mittelalter interessieren und ein sehr breites Hintergrundwissen mitbringen. Darüber hinaus haben wir zu allen möglichen Themen immer wieder externe Fachleute zu Rate gezogen. Waffenexperten klärten uns über die Handhabung von Speeren, Schwertern oder eben auch der Belagerungsmaschinerie auf und standen uns bei den Motion-Capture-Sessions zur Seite, damit wir alle Bewegungsabläufe richtig hinbekommen.
Eurogamer: Wenn es in den Echtzeitschlachten zur Auseinandersetzung kommt, treffen oft Nationen aufeinander, die ihre Stärken in ganz unterschiedlichen Bereichen haben. Wie können es beispielsweise die schlecht bewaffneten Azteken oder die Mongolen gegen hoch technisierte Völker wie die Engländer mit ihren Langbogen aufnehmen?
Mark Sutherns: Jedes Volk hat seine Stärken dort, wo es sie in der Geschichte auch hatte. Die Mongolen sind begnadete Reiter und die Azteken haben gegen die Eroberer schon durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit eine Chance. In der Kampagne sorgen wir mit der KI dafür, dass die Kräfteverhältnisse ausgeglichen sind. Im Mehrspieler-Modus wird einfach die Zahl der starken Einheiten begrenzt – hier hat auch der Host die Möglichkeit, auf die Art und Zahl der Units in der Partie Einfluss zu nehmen.
Eurogamer: Das Diplomatie-System von "Medieval 2: Total War" bietet mehr Möglichkeiten als die meisten vergleichbaren Spiele. Das muss doch eine enorme Herausforderung an die Programmierer gewesen sein?!
Mark Sutherns: Tatsächlich haben wir sehr viel Zeit in die Verbesserung des Diplomatie-Systems gesteckt. In "Medieval: Total War" war Diplomatie noch nicht besonders weit entwickelt – ich möchte sie jetzt nicht als "Schwachpunkt" des Spiels bezeichnen, aber sie war definitiv ausbaufähig. In "Medieval 2" ist die Künstliche Intelligenz nun in der Lage, sich noch lange an frühere Ereignisse zu "erinnern". Hast Du beispielsweise irgendwann mal einen wichtigen politischen Drahtzieher einer computergesteuerten Nation gemeuchelt, wird das nun im Spiel auch noch nach Jahrzehnten seine Auswirkungen haben. Es beeinflusst Deine Beziehungen zu dieser Partei langfristig – auch positiv, wenn Deine Leute dem anderen Land z. B. großzügige Geschenke machen oder jemand aus Deiner königlichen Familie eine Prinzessin von dort heiratet. Doch selbst dabei bleibt es nicht – auch die sonstigen politischen Konstellationen in der Spielewelt beeinflussen, wie sich die Künstliche Intelligenz Dir gegenüber verhält.
Eurogamer: Wird das komplette politische System auf der Weltkarte dann durch meine Aktionen beeinflusst oder ist zumindest ein Teil der Geschehnisse zufallsbestimmt?
Mark Sutherns: Nein, alles was auf der Karte passiert, hat irgendwo seinen Grund. Deine Aktionen wirken sich direkt auf die Fraktionen in Deiner näheren Umgebung aus. Je weiter sie auf der Karte von Dir entfernt sind, desto mehr wird ihr Verhalten jedoch von anderen Faktoren bestimmt. So hast Du zunächst mal relativ wenig Einfluss darauf, was im Nahen Osten passiert – bis Du Dich vom Papst zur Teilnahme an einem Kreuzzug überreden lässt. Dann geht es Dich ganz direkt an, was in dieser Region vorgeht.
Es kann aber auch sein, dass eine benachbarte Macht, mit der Du eigentlich verbündet bist, sich plötzlich gegen Dich wendet, ohne dass Du weißt warum. Vielleicht fühlt sie sich einfach bedroht. Du wirst nicht immer alle Vorgänge durchschauen. Es bleibt ein gewisses Überraschungsmoment, das dem Spiel in jeder Partie unerwartete Wendungen gibt und so für ständig neue Herausforderungen sorgt.
Eurogamer: Bündnisse stehen also in "Medieval 2" immer irgendwie auf wackeligen Beinen?
Mark Sutherns: Nichts ist für die Ewigkeit. Selbst wenn Du durch Heirat eine sehr enge Beziehung zu einer anderen königlichen Dynastie knüpfst, heißt das nicht, dass dieses Bündnis für immer hält. Du kannst es aufkündigen, aber auch die Künstliche Intelligenz wird dies manchmal tun. Trotzdem erweisen sich Bündnisse, die durch Heirat zustande gekommen sind, in der Regel als stabiler.
Eurogamer: Lass uns ein wenig über die technischen Aspekte von "Medieval 2" reden. Auf dem Bildschirm bewegt man riesige Armeen aus mehreren hundert Kämpfern. Man kann ganz nah ranzoomen, bis man die Gesichter erkennt, oder mit der Kamera ganz weit zurückgehen, bis man einen Gesamtüberblick über das ganze Schlachtfeld bekommt. Ihr nutzt alle Möglichkeiten moderner Grafikkarten, um der Szenerie mit Licht-, Wetter- und Nebeleffekten richtig Leben einzuhauchen. Haben da auch Spieler mit älteren Rechnern noch eine Chance?
Mark Sutherns: Das ist eine Sache, mit der wir uns permanent auseinandersetzen müssen. Wir können den technologischen Fortschritt nicht ignorieren und wollen ja für unser Game auch alle verfügbaren Mittel nutzen, um ein möglichst aufregendes Spielerlebnis mit toller Atmosphäre zu bieten. Trotzdem gibt es in "Medieval 2" eine ganze Reihe von Einstellungsmöglichkeiten, mit denen Du z. B. Grafikeffekte in mehreren Stufen reduzieren kannst, um die Performance steigern. Und ich denke, wir haben es so hingekriegt, dass das Spiel auch auf "Mittelklasse"-Rechnern noch großartig aussieht.
Für uns ist die Optimierung damit jedoch noch lange nicht erledigt. Insgesamt sieben Jahre Arbeit sind mittlerweile in die Entwicklung der Engine geflossen. Sie hat sich als solide Grundlage erwiesen, um sie immer weiter auszubauen und zu perfektionieren. Klar, manches davon haben wir auch mal komplett neu geschrieben, aber viele Teile konnten ganz einfach ergänzt werden. Die Arbeit an der Engine geht auch jetzt noch weiter – das ist ein kontinuierlicher Prozess.
Eurogamer: Wenn man so eine "Medieval 2"-Schlacht aus der Nähe verfolgt, sieht man, dass die Kämpfer nicht nur sehr individuelle Züge haben, sondern sehr unterschiedlich agieren. Als Spieler kann man ganz selten mal stereotype Bewegungsabläufe erkennen …
Mark Sutherns: Ja, das ist etwas, worauf wir ganz besonders stolz sind. Natürlich gibt es auch in "Medieval 2" ein festes Set von Standard-Animationen, aber es sind so viele, dass es in einer Schlachtenszene kaum auffällt. Unser Ziel war, eine Engine zu kreieren, die all das realisieren kann, was man in einschlägigen Kinofilmen so zu sehen bekommt.
Eurogamer: Heißt das, Ihr habt Euch in "Medieval 2" an Streifen wie "Braveheart" orientiert?
Mark Sutherns: Nein, nicht direkt. Natürlich kennt jeder "Braveheart" oder die Kampfszenen aus Ridley Scotts "Königreich der Himmel" mit den Massenaufgeboten an Soldaten unterschiedlicher Waffengattungen, mit Katapulten und Belagerungstürmen. Beeinflusst hat uns das insofern, dass wir versucht haben, in den Echtzeit-Parts eine Atmosphäre zu schaffen, die diesen Filmen gleichkommt.
Eurogamer: Wie hebt sich der Mehrspieler-Modus in "Medieval 2" von denen anderer Echtzeitstrategietitel ab?
Mark Sutherns: "Medieval 2" konzentriert sich im Mehrspieler-Modus ganz auf die Taktik in der Schlacht, und das haben wir meiner Meinung nach besser hingekriegt als die meisten Echtzeitstrategiespiele auf dem Markt. Kein anderes Game setzt mittelalterliche Kriegstaktik so realistisch um wie "Medieval 2" – mit dem Einfluss von Wind und Wetter oder dem wirklichkeitsnahen Einsatz von Kavallerie und Bogenschützen. "Medieval 2" erwartet vom Spieler eine andere Denkweise als beispielsweise "Age of Empires": Bei uns gibt es keinen Basisbau, bei uns kommt es nicht darauf an, in möglichst kurzer Zeit eine schlagkräftige Armee aufzustellen, um am Schluss siegreich sein zu können. Geschwindigkeit spielt in "Medieval 2" eine untergeordnete Rolle – es kommt eher darauf an, nachzudenken und sich eine Taktik zurechtzulegen. Es ist auch möglich, seine Taktik im Lauf einer Partie weiterzuentwickeln oder zu verändern. Warte, bis Du bald Dein Testmuster in der Hand hältst, dann kannst Du das ausführlich ausprobieren und alles um Dich herum dabei vergessen …
Eurogamer: Mark, danke für das Gespräch und viel Erfolg mit "Medieval 2"!
"Medieval 2: Total War" erscheint am 10. November 2006. Ein Video über das Einnehmen von Burgen findet Ihr hier auf Eurogamer-TV. Und auch die Einheiten werden vorgestellt.