Interstellar Marines
Genie oder Wahnsinn?
Vor nicht einmal 14 Jahren hatte ein durchgedrehter B-Movie-Regisseur mit Hang zu Splatterfilmen einen Traum. Er wollte die größte Fantasy-Saga aller Zeiten verfilmen und dafür mehrere Hundert Millionen Dollar Budget abstauben. Anfangs wurde er von den Studios belächelt und das Projekt als unumsetzbar eingestuft. Viele fragten sich: „Ist er einfach durchgeknallt oder ein verkanntes Genie?“ Erst nach einem erstklassigen Coming-of-Age-Thriller, einer Horror-Komödie und langen Gesprächen wurde man sich handelseinig und schrieb damit Geschichte. Der Regisseur hieß Peter Jackson und seine Filme, die Herr-der-Ringe-Triologie, spielten über eine Milliarde Dollar ein.
Echte Begeisterung, eine Vision, kann sich manchmal eben doch auszahlen. Ein Gedanke den auch die Entwickler von Zero Point Software lange Jahre mit sich herumschleppten. Ihr Projekt: Ein moderner, bahnbrechender SciFi-Shooter von Fans für Fans. Zum Beginn des neuen Jahrtausends begannen sie ohne viel Erfahrung damit, einen Prototyp zusammenbastelten und auf Publisher-Jagd zu gehen. Doch das Feedback auf der Game Developers Conference machte sie wütend. Ohne große Einschnitte, starke Einflussnahme und ein starres Korsett an Vorschriften wollte sich niemand auf ihren Titel einlassen. Also fassten sie sich ein Herz und wagten einen großen, ungewöhnlichen Schritt.
Interstellar Marines besitzt keinen klassischen Publisher, sondern wird allein von den Entwicklern und der Community finanziert. Das Konzept nennt sich AAA Indie und die Produktion geschieht dabei praktisch öffentlich. Jeder technische Schritt, jeder Game-Design-Prototyp wird Unterstützern zugänglich gemacht. Wer an das Projekt glaubt, kann schon jetzt die Nutzungsrechte des ersten Teils erwerben und bekommt so einen Sonderstatus auf der Webseite, ein gewisses Mitspracherecht im Entwicklerforum und ein entsprechendes Abzeichen für den Ingame-Charakter. Im letzten Jahr gab es einen Rückschlag, als die Firma für zwei Monate in die Insolvenz ging. Nach einer Umstrukturierung wurden diese Probleme aber angeblich beseitigt.
Als Proof-of-Concept gibt es zwei interessante Demos, die ein Gefühl für Artdesign und Waffenhandling liefern, eine dritte folgt in den nächsten Wochen und Monaten. Realisiert mit der Unity-Engine, kann man The Vault und Bullseye direkt auf der Webseite ausprobieren. Einfach Play klicken, ein Add-On herunterladen und los gehts. Die Unity-Engine selbst gehört nicht gerade zu den stärksten Polygonschleudern der Branche. Die Portierung auf Xbox 360 und PS3 dürfte damit zwar relativ leicht fallen, technisch ist das Ganze aber etwas schwächer als zum Beispiel Bad Company 2. Trotzdem ist das Ergebnis recht beeindruckend und kann mit einem Großteil der Konkurrenz mithalten.
Vom eigentlichen Gameplay bekommt man bisher aber nur Bruchstücke mit. The Vault ist praktisch ein begehbares Museum, das einem die Welt der Interstellar Marines näher bringt, und Bullseye eine Art High-End-Schießstand, der euch dank packender Herausforderungen, einem Erfahrungspunkte-System, einem gelungenen Waffenhandling und einer Weltrangliste trotz seines simplen Aufbaus für einige Stunden beschäftigt.
Vor euch seht ihr nur die Waffe und einen Hangar mit variablen Stahltoren. In diesem Szenario werden euch verschiedene Missionen angeboten, die reale Situationen simulieren sollen. Wie gehabt visiert ihr mit der rechten Maustaste an und könnt so auch Ziele in großer Entfernung ausschalten. Die Gegner werden als bewegliche Zielscheiben dargestellt. Einige tragen Panzerwesten, andere verstecken sich hinter Geiseln und wieder andere tarnen sich wie Scharfschützen. Für Kopftreffer bekommt ihr mehr Punkte als für Torso-Abschüsse, es geht aber auch um Geschwindigkeit und um die Vermeidung von Kollateralschäden.
Nach und nach schaltet ihr neue Level frei und erspielt euch zusätzliche Ausrüstung. Es macht Sinn, die ersten Herausforderungen später noch einmal zu versuchen, da ihr mit Stabilisatoren, erweiterten Magazinen und einem besseren Zielfernrohr deutlich mehr Punkte abstauben könnt. Das Waffenhandling überzeugt und die eigentlich simple Demo macht so viel Spaß, dass ihr euch kaum davon losreißen könnt. Optisch sieht das Ganze vor allem dank des gelungenen Designs hervorragend aus. Die Multi-Plattform-Engine scheint zwar auf den ersten Blick nicht ganz die Detailtreue einer Unreal Engine 3 zu erreichen, trotzdem überzeugen die dichte Atmosphäre und die glaubwürdige Spielwelt.