Enemy Territory: Quake Wars
Paul Wedgwood über Balance und Herausforderungen
Es war ein Tag voller Adrenalin. Ein ganzer Tag, an dem wir ausgiebig die jüngste Version von Enemy Territory: Quake Wars verbringen durften. Eines wurde dabei klar: Es handelt sich um etwas Besonderes. Wir sprachen mit Paul ‚Loki‘ Wedgwood über Spiel-Balance, die Strogg, Chaos und Ordnung.
Eurogamer: Quake Wars ist Euer erstes, eigenständiges Spiel. Was fangt Ihr mit dieser Freiheit an?
Paul Wedgwood: Nun, als wir Wolfenstein: Enemy Territory starteten, standen uns jede Menge Ideen zur Verfügung, die noch aus der Zusammenarbeit von Id Software und Nerve Software an [INDIZIERT] übrig waren. Entsprechend hoch waren unsere Ziele mit Wolfenstein: Enemy Territory. Als wir die Arbeit an Enemy Territory: Quake Wars aufnahmen, war es ähnlich. Kevin Cloud ist einer der Eigentümer von Id Software und er ist gleichzeitig Executive Producer und Creative Director des Projekts. Das ist einer der Gründe, warum ich Lead Game Designer bin und nicht Creative Director. Ich sehe ihn als meinen Boss. Egal. Mit ihm und mir als Eigentümer von Splash Damage, ist es irgendwie, als ob zwei 15jährige im Büro herumspringen und mit „Wäre es nicht cool, wenn man dies oder das tun könnte?“ um sich werfen. Und auch übriggebliebene Notizen zu [INDIZIERT] haben ihren Beitrag geleistet.
Das erste Ziel war, das Gameplay von Wolfenstein: Enemy Territory weiterzuentwickeln. Wir wussten, dass der Objekt-orientierte Kampf und die Option, einen Charakter spielen zu können, der dem eigenen Stil entspricht, sehr gut ankamen. Die Leute mochten da. Das wollten wir also im Quake-Universum weiter ausbauen und dem Ganzen ein noch futuristischeres Setting verpassen, damit wir diese asymmetrischen Teams haben konnten. Jetzt haben wir die GDF mit ihrer konventionellen, militärischen Bewaffnung. Und die Strogg mit ihrer fortschrittlichen Alien-Technologie.
Eurogamer: Wie findet Ihr die richtige Balance für beide Seiten?
Paul Wedgwood: Das ist offensichtlich sehr herausfordernd. In Wolfenstein: Enemy Territory hatten wir eine Formel, die wir „Damage Over Time“ nannten. Wir nahmen also eine Waffe und multiplizierten die Anzahl der Schüsse, die sie pro Minute abfeuerte, mit dem Schaden, die jede Kugel verursachte. Dann mussten wir nur noch sicherstellen, dass zwei vergleichbare Waffen auch das gleiche Ergebnis lieferten. In diesem Sinne, waren die Teams in Wolfenstein: Enemy Territor eigentlich identisch, aber mit unterschiedlichen Skinnungs und Audio-Files.
In Quake Wars gibt es keinen einfachen Weg, um zum Beispiel eine Strogg Flyer Drone gegen eine GDF Camera auszubalancieren – oder die Spawn-Fähigkeit der Strogg mit der Unterstützungs-Drohnen der GDF. Wir wählten also eine heuristische Methode, was schließlich jede Menge Diskussion und Testing nach sich zog. Tatsächlich Tausende und Tausende an Stunden an Test-Sessions mit unseren Produktions- und Entwicklungsteams bei Splash Damage, der Quality Assurance-Abteilung bei Activision und dem Test-Team bei Id Software auch. Dann wurde jeder Gegenstand diskutiert und sichergestellt, dass es ein Gegenstück dazu gibt. Und natürlich das er nicht zu mächtig ist. In etwas nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip.
Eurogamer: Kannst Du mal den kreativen Prozess erklären? Zum Beispiel wie man auf all diese Strogg-Sachen neben dem Arsenal an Schrotflinten, Scharfschützengewehren, Panzern und Truppentransportern kommt.
Paul Wedgwood: Wir haben mit Ed Stern einen echt guten Autor. Er ist Senior Designer bei Splash Damage und er arbeitete mit Kevin Cloud auch an der Hintergrundgeschichte. Als war der Prozess des Game-Designs irgendwie zweigeteilt. Manchmal kamen sie mit Sachen an, die die Strogg haben sollten. Und manchmal wollten wir etwas, von dem wir wussten, dass es Spaß machen würde – wie zum Beispiel den Goliath Heavy Walker. In diesen Fällen muss sich Ed dann eine Hintergrundgeschichte einfallen lassen, die dann die anfänglichen Inhalte bestimmt. Ab und zu kriegen wir das sofort richtig hin. Das Ingame-Verhalten des Walkers mussten wir drei Mal komplett überarbeiten und wir hatten, glaube ich, acht oder neun Konzepte. Für die Strogg-Charaktere gab es in etwas 50 verschiedene Konzepte.
Eurogamer: Wenn Du vom Überarbeiten redest, meinst Du dann eine Änderung, wie es sich spielt?
Paul Wedgwood: Ja. Nun, es gab zwei Sachen, die wir uns beim Walker auffielen. Unser Physik-System berechnet die bewegliche Radaufhängung, Antrieb und Steuerung – es ist einfach keine starre Box, die sich über eine flache Landschaft bewegt. Zum Beispiel brauchte das Trojan APC mit sechs Rädern einen Vierrad-Antrieb, weil das Design vorschrieb, dass es sich sonst nicht umdrehen könnte. Und unser erster Versuch mit dem Walker litt darunter, dass er zu kreisförmig lief und deshalb keine Berge hochkam und so weiter. Also musste uns etwas einfallen, dass etwas mehr Aufhängung hatte und so weiter, damit es mit komplexeren Landschaften zurechtkam.
Also gab es immer zwei Gründe, warum wir etwas überarbeiteten. Entweder funktionierte es einfach nicht mit dem Physik-System und wir mussten ein spezifisches Modell realistischer machen oder etwas passte einfach nicht in das künstlerische Konzept. Wir hatten zum Beispiel viele Waffen-Konzepte, die auf dem Papier großartig aussahen, aber wenn man sie dann aus der Ego-Perspektive betrachtete, wirkten sie furchtbar. Also gab es jede Menge Sachen, die immer wieder herausgenommen und ersetzt wurden, um sicherzustellen, dass sie funktionieren.
Eurogamer: Welches Teil der Strogg-Ausrüstung gefällt Dir am besten?
Paul Wedgwood: Oh. Das ist eine schwierige Frage. Ich würde sagen, dass die Feuer-Unterstützung einer der großen Aha-Momente ist. Wenn Du eine Strategic Strike Gun anforderst, dann dauert das länger als bei den anderen Waffen – und dann bricht sich einfach durch die Atmosphäre und kracht in den Boden. Du schaust diese große Waffe an und weißt einfach, dass sie Deine ist. Und Du bist derjenige, der sie abfeuern wird. Offensichtlich hat sie hohe Ladezeiten, aber wenn Du sie abfeuerst, dann ist da einfach diese massive, ektoplasmische blaue Kugel … es ist eigentlich eine bosonische Kugel. Wir haben über die Hintergrundgeschichte geredet – wir haben Mitarbeiter, die darüber schreiben, wie ein Gravitations-Antrieb funktioniert oder warum bosonische Kugeln etwas sind, was die Strogg einsetzen würden. Und wir haben diese stilprägenden Arten von Technologie überall im Strogg-Design.
Im Fall der Strategic Strike Gun handelt es sich um eine Art funkenschlagenden Ball, aber er fliegt irgendwie langsam und jeder, der ihn hört, schaut automatisch hoch. Es hat diese unheimliche Präsenz. Es ist fast so wie der Strogg-Nuke.
Eurogamer: Als wir spielten, stellten wir fest, dass es eigentlich Spaß macht, gekilled zu werden. War das Absicht?
Paul Wedgwood: Zunächst einmal versuchen wir klarzumachen, warum und wie man stirbt oder außer Gefecht gesetzt wird. Aber das ist gang schön schwierig. Ein Fahrzeug kann Dich überfahren, obwohl kein Spieler am Steuer sitzt. Du kannst von einem Artillerie-Geschütz aus der Luft getroffen werden, obwohl der Field Ops-Spieler, der Dich damit gerade auf’s Korn genommen hat, oben auf einem Berg sitzt. Und das ist noch nicht so intuitiv für jeden Spieler. Nicht jeder schaut hoch zu einem Berg, wenn gerade von einem Geschoss aus der anderen Richtung getroffen wurde. Aber das sind nur allgemeine Design-Herausforderungen, an denen wir gerade arbeiten.
Darüber hinaus wollten wir, dass Spieler darüber nachdenken, wie sie es beim nächsten Mal vermeiden können zu sterben. Wenn Du das erste Mal mitten auf der Straße läufst und erschossen wirst, dann denkst Du ‚Okay, nächstes Mal geh ich besser in Deckung‘. Wenn Du das erste Mal jemanden umlegst und sie dich ganz einfach sehen und zurückschießen, dann denkst Du ‚Okay, vielleicht muss ich mich verstecken‘. Wenn Du über ein großes Fahrzeug verfügst, wie zum Beispiel einen Panzer, Du damit mitten auf der Straße fährst und jeder auf Dich einprügelt, dann wirst Du vielleicht eine kleine Deckungsmöglichkeit am Straßenrand entdecken. Du wirst Dich rückwärts etwas hineinmanövrieren und plötzlich bist Du total geschützt, bis auf die Kanone. Es gibt also immer Methoden, um den selben Tod zweimal zu sterben.
Eurogamer: Ihr habt so ein enges Verhältnis mit Id und Activision. Wie hast Du die Zusammenarbeit empfunden?
Paul Wedgwood: Sehr gut! Ich mein, ich hab als eine Art Id-Fanboy angefangen – damals in den 90ern. 1997 spielte ich wie besessen Quake online in einem Clan und bis ich dann selbst an Quake 3 Fortress arbeiten konnte, las ich ebenfalls wie besessen über alles, was Id machte und sagte.
Eurogamer: Und haben sie Deine Erwartungen erfüllt?
Paul Wedgwood: Ja. Absolut. Einer meiner besten Freunde bei Id Software ist Robert Duffy. Er war Lead Programmer für Doom 3. Er wurde aus der Community rekrutiert, weil das originale Radiant, den Level-Editor, geschrieben hat. Also der Gedanke, dass dieser Typ, der den Level-Editor ganz alleine geschrieben, später von Id Software zum Lead Programmer für Doom 3 gemacht wurde, ist schon ziemlich cool.
Und wenn Du mal darüber nachdenkst, war ich nur ein IT-Techniker, der Server in seelenlosen Räumen aufstellte, und Komponenten sortierte, von denen ich wusste, dass sie in drei Jahren sowieso nicht mehr existieren würden. Wenn es um die unkreativsten Jobs der Welt gehen würde, dann wäre dieser sicherlich ganz vorne mit dabei.
Aber jetzt, fünf Jahre später, bin ich Eigentümer eines Studios und arbeite als Lead Designer an einem riesigen Projekt. Das ist ein ziemlich cooler Wechsel. Und das verdanke ich alles Id Software.
Eurogamer: Kannst Du etwas über die Portierung von Quake Wars auf die 360 erzählen?
Paul Wedgwood: Die Firma, die daran arbeitet, ist Nerve Software. Das sind die Jungs, die [INDIZIERT] und [INDIZIERT] für die Xbox entwickelt haben. Sie haben einiges an Erfahrung, wen es um Online- und Xbox-Spiele geht. Sie sind also definitiv die richtige Firma.
Eurogamer: Und Ihr habt über Download-Inhalte nachgedacht?
Paul Wedgwood: Id Software hat einen „Plan“. Also werden sie es definitiv unterstützen. Unser vordringliches Ziel ist es, dass Software Development Kit fertig zu kriegen, den Source Code, die Wiki-Dokumentation und all das. Und all die Grafiken, die wir zur Erstellung der Texturen benötigt haben, müssen auch zusammengetragen werden. Wir müssen sicherstellen, dass die Community Level designen kann. Danach machen wir uns Gedanken über zusätzliche Inhalte.
Eurogamer: Wird es Plattform-übergreifend spielb…
Paul Wedgwood: Nein.
Eurogamer: Was denkst Du, wie das Verhältnis zwischen Ordnung und Chaos in einem guten Multiplayer-Spiel aussehen muss?
Paul Wedgwood: Ich glaube, Chaos sorgt dafür, dass man in das Spiel eintauchen kann und Ordnung ist das, was das Gameplay funktionieren lässt. Als organisiertes Team hat man das beste Spielerlebnis; dass macht dann richtig Spaß. Aber das Gefühl, in einem Krieg zu sein – was mit all den Explosionen, Raketen, die durch die Luft fliegen und Fahrzeugen, die von Klippen stürzen nach echtem Chaos aussieht – lässt Dich in das Spiel versinken.
Eurogamer: Also geht es darum, eine Welt voller Chaos zu haben und dann dem Spieler das Gefühl zu geben, er könnte es durch seine Aktionen lichten?
Paul Wedgwood: Exakt! Und eigentlich weiß man ja, dass Krieg ziemlich chaotisch aussieht, aber am Ende des Tages, auf einem Server mit 24 Spielern, die genau wissen, was sie tun, werden immer noch Raketen über Deinen Kopf hinwegfliegen.