James Bond 007: Blood Stone
Stein im Brett
Es passiert oft genug: Ein Sommer-Blockbuster wird von einem schnell zusammengezimmerten Spiel auf den Markt eskortiert, das auf dem Kamm der Marketingwelle ein paar zusätzliche Euros in die Kassen von Heraus- und Lizenzgebern spülen soll. Nur selten erblicken dabei heutzutage noch himmelschreiend unzumutbare Machwerke das Licht der Ladenregale, dennoch spielt selbst bei dem solidesten Stück interaktiven Film-Merchandises noch das eine oder andere „Schade" mit. „Schade", zum Beispiel, „dass da kein besserer Entwickler am Werk war".
Okay, wegen der Solvenz-Probleme von Bond-Rechtehalter MGM wird es zwar bekanntlich vorerst keinen weiteren Streifen – und damit auch keine mittelmäßig vermackelte Filmumsetzung – mit dem Martini-schlürfenden MI6-Agenten geben. Der Third-Person/Fahr-Action-Hybrid Blood Stone hätte das eingangs beschriebene Problem aber selbst mit einem entsprechenden Film im Rücken vermutlich nicht, denn hier sitzt mit Bizarre Creations ein echter Triple-A-Entwickler am Steuer. Und der ist Optimist, begreift die Abwesenheit eines entsprechenden Filmes eher als Chance, denn als Risiko.
Der Art Director des Studios, Neil Thompson, sieht es so: „Dadurch, dass in der nahen Zukunft kein Film herauskommt, werden sich die Fans ihre Dosis Bond eben interaktiv holen. Und das ist doch eine gute Sache", wie er uns gestern auf der Kölner gamescom erzählte. Auch auf die Frage, ob das Team es seltsam findet, zur Abwechslung mal eine Lizenzversoftung zu machen, reagiert Bizarre Creations betont gelassen. Etwa Peter Collier, der Level Designer des Titels: „Es ist eher befreiend. In der Tat ist es wirklich gut, die Bond-Lizenz zu haben. Das ist eine so weltbekannte Lizenz und das Universum ist über die Jahre so gut ausdefiniert worden", so Level Designer Peter Collier. „Kreativ gesehen befreit es einen sogar gewissermaßen, sich innerhalb dieser definierten Grenzen bewegen zu dürfen. Es ist gut, diese Auflagen zu haben."
Bei allem gefühlten Anachronismus dieser Aussage wundert sie bei genauerer Betrachtung überhaupt nicht mehr. Mit den von Collier beschriebenen Grenzen kommen nämlich nicht nur Pflichten, sondern auch eine ganze Menge Rechte einher. So konnte Bizarre sich für die für ein Agentenspiel nicht ganz unwichtige Geschichte Bruce Feirstein sichern, der unter anderem die Drehbücher zu GoldenEye, The World is Not Enough und Tomorrow Never Dies verfasst hat. Bei James Bond 007: Everything or Nothing konnte er am vorderen Ende dieses Jahrtausends sogar schon Videospiel-Luft schnuppern. Die Kostüm-Hauptverantwortliche der beiden letzten Bonds, Lindsay Pugh, und nicht zuletzt Daniel Craigs Stunt Coordinator, Ben Cook, sorgen dafür, dass der Look und die Bewegungsabläufe der Figuren den Ton der Filme treffen.
Craigs „Ton" ist nach dem Empfinden von Bizarre jedenfalls „brutal, effizient und direkt", wie Collier beschreibt. Und dem trägt der kampfbetonte Action-Adventure-Part des Spieles angemessen Rechnung. Zu Beginn der Vorführung war Bond allerdings noch in geheimer Mission unterwegs. Auf der Suche nach einem verschwundenen britischen Biowaffen-Ingenieur (die letztendlich laut Bizarre zu dem unvermeidlichen russischen Oligarchen führt) verschlägt es ihn auf eine Baustelle in Istanbul, die ihr mit dem einzigen Gadget des Agenten, seinem Smartphone, nach Hinweisen absucht. Der spielerische Nährwert dieser Light-Adventure-Einlagen mag sich in Grenzen halten. Allerdings treibt der Titel damit seine Geschichte auf interessante Weise von einer Actioneinlage zur nächsten und verleiht dem Plot mithilfe ermittelbarer Hinweise über Figuren und Lokalitäten ganz nebenbei eine gewisse Breite.
Die eigentlichen Schießereien verlaufen dann nach bekanntem Schema ab: Third-Person mit unkompliziertem Deckungssystem und der üblichen „Nimm-Zwei"-Politik bei den Waffen. Allerdings scheint Bond das letzte Splinter Cell gespielt zu haben. Blood Stone legt viel Wert auf Deckung und ermöglicht leises wie barsches Vorgehen gleichermaßen, wie Collier während der Vorführung in zwei aufeinanderfolgenden Durchläufen derselben Stelle beweist.